Hagen. . Die Facebook-Gruppe „Du bist Hagener, wenn . . .“ entwickelt sich zu einem ernst zu nehmenden Gradmesser politischer Willensbildung. Die Administratoren haben nun einen Ableger geschaffen. Ihr Ziel: Lokale Intelligenz bündeln und sich Gehör in der Politik verschaffen.
Es war doch alles ein Spaß. Und der Halbsatz „Du bist Hagener, wenn . . .“ quasi die Eintrittskarte für den Rummelplatz, auf dem sich Menschen tummeln, die eines eint: die Liebe zu ihrer Stadt. Die Facebook-Plattform ist eineinhalb Jahre nach ihrer Gründung immer noch die bemerkenswerteste Bewegung von Menschen in Hagen, die sich mit ihrer Stadt identifizieren.
Neben Spaß und Identifikation entwickelt sich die Seite aber immer mehr zu einem Element gelebter Demokratie in Hagen. Die Politikwissenschaft hat dieses Phänomene bereits auf dem Schirm. Und die Macher von „Du bist Hagener, wenn . . .“ sind bereit für die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer Bewegung, die Politik mitbestimmen will.
Wissenschaft hat Phänomen erkannt
„Politik muss das ernst nehmen, was da passiert.“ Der Mann, der das sagt, heißt Lars Holtkamp und ist Professor im Bereich Politik und Verwaltung an der Fernuniversität in Hagen. Sein Lehrgebiet hat längst ein Auge auf digitale Äußerungsformen von Demokratie geworfen. „In großen Räumen funktioniert das eigentlich besser als im Lokalen“, sagt er. „Du bist Hagener, wenn . . .“ beweist allerdings das Gegenteil.
Unternehmensberaterin Kathy Sommer-Bergenthal ist eine der Administratoren hinter der mittlerweile rund 19.600 Mitglieder großen Gruppe. Sie und ihre Kollegen beobachten einen erstaunlichen Trend: „Nach der jüngsten Berichterstattung zum nächsten Sparpaket schoss die Diskussion in der Gruppe durch die Decke.“
Neuer Kanal: „Eine Stadt steht endlich auf“
Aus einer witzigen Idee ist dabei mittlerweile ein durchaus ernstzunehmendes Forum geworden, in dem der Bürgerwille ziemlich schnell und deutlich ablesbar wird. „Und dabei geht es nicht immer nur ums Nörgeln und Protestieren“, sagt Sommer-Bergenthal.
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Als Reaktion auf die vielen Postings, die sich auf die Politik in Hagen beziehen, ist nun ein neuer Kanal geschaffen worden. Titel: „Hagen – eine Stadt steht endlich auf.“
„Aus so etwas kann auch eine Wählergemeinschaft entstehen“, sagt Prof. Dr. Holtkamp von der Fernuni, „ich würde allerdings dazu raten, es nicht nur online zu organisieren. Zu einer stärkeren Mobilisierung muss man mehr offline machen.“
Die Frage sei, so Gruppen-Administratorin Sommer-Bergenthal, „ist eine Facebook-Gruppe in der Lage, Vorschläge zu machen, die von der Politik gehört werden?“ Damit solche Impulse entstehen können, setzt sie auf „lokale Intelligenz“. Wie kann das funktionieren?
Bürger-Intelligenz soll gebündelt werden
„Wir stellen fest, dass viele Menschen nicht verstehen, wie Politik und Verwaltung funktionieren. Und deshalb wollen wir helfen, für Aufklärung zu sorgen“, sagt Sommer-Bergenthal. Die geplante Herangehensweise: Alle Probleme und Fragen könnten mit gesammelter innerstädtischer Kompetenz beantwortet werden. User und Gruppenmitglieder bekommen so einen Wissenshintergrund, der der Bewegung mehr Schlagkraft verleihen könnte.
„Wir brauchen keine externen Gutachter. Wir haben gute Juristen oder Gutachter in unserer Stadt. Wir haben Menschen, die dabei helfen könnten, Bilanzen zu lesen. Wir könnten beginnen, Ausschusssitzungen öffentlich zu übertragen. Wir müssen Kommunikation üben. Politik ist immer der größtmögliche Kompromiss“, so Sommer-Bergenthal. Engagement wie dieses kann auch der immer deutlicher werdenden Tendenz des Abbaus repräsentativer Demokratie entgegenwirken. „Fraktionen neigen dazu, Entscheidungen an der Öffentlichkeit vorbeizutragen“, sagt Prof. Holtkamp. Parteien vernachlässigen damit immer öfter ihre eigentliche Mittlerrolle