Hagen. . Doris Heinemann fühlt sich diskriminiert. Mit ihrem Seniorenmobil darf sie ein Cafe nicht mehr betreten, weil der Piepton beim Rückwärtsfahren die übrigen Gäste belästige, habe der Besitzer behauptet. Doch der wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Seit vielen Jahren treffen sich die „18 Frauen von der Post“ – so nennt sich die fidele Runde bisweilen – zweimal pro Monat im Café Stich zum Frühstück oder Kaffeekränzchen. Pensionärinnen sind darunter, die einst selbst bei der Post gearbeitet haben, aber auch Frauen wie Doris Heinemann (76), deren Ehemänner als Briefträger oder Inspektor tätig waren. Doch nun will die alte Dame aus Boele, die an Rheuma und Arthrose leidet und deshalb nicht mehr laufen kann, das Café nie wieder betreten: „Der Laden ist für mich gestorben.“

Zum letzten Treffen kam Doris Heinemann mit ihrem elektrischen Rollstuhl vorgefahren. Dank dieses nützlichen, wenngleich etwas klobigen Gefährts ist es ihr überhaupt möglich, die eigenen vier Wände zu verlassen.

Elektrischer Rollstuhl würde Gäste stören

Nach dem Frühstück mit ihren Freundinnen wollte sie wenden und Richtung Ausgang fahren. Um vom Tisch zurückzusetzen, legte sie den Rückwärtsgang ein, wobei aus Sicherheitsgründen – wie bei Lastwagen – ein Piepton erklingt. Dieses Signal habe Marcus Stich, den Besitzer des Kaffeehauses, herbeigerufen, berichtet Doris Heinemann: „Er behauptete, das Geräusch würde die übrigen Gäste belästigen und dass ich sein Café mit dem Rollstuhl nicht mehr betreten dürfe.“ Das sei doch diskriminierend, empört sie sich: „Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Schließlich habe ich niemanden belästigt oder gar weh getan.“

Waltraud Kroes (81), die ebenfalls zu den Postfrauen gehört, bestätigt den unerfreulichen Vorfall: „Ich habe ein paar Stühle beiseite geschoben, damit Doris wenden konnte. Herr Stich beharrte darauf, der Piepton sei in hohem Maße unangenehm für seine Gäste. Ich glaube, er war ein bisschen gefrustet.“

Rollstuhl mit Auto vergleichbar

Die Version von Marcus Stich geht anders. Tatsächlich habe er Frau Heinemann gebeten, das Café künftig nicht mehr mit ihrem ausladenden Rollstuhl aufzusuchen. Der Grund dafür sei aber keineswegs das vergleichsweise erträgliche Piepen, sondern die schiere Größe des Seniorenmobils: „Dieser Rollstuhl ist ja mit einem kleinen Auto vergleichbar. Er nimmt den Platz von drei Gästen ein.“

Ein Rollstuhl von vertretbarer Größe stelle dagegen kein Problem dar, so Stich, der zudem versicherungstechnische Gründe geltend macht: „Ich muss dafür Sorge tragen, dass der Fluchtweg frei bleibt und nichts passiert. Deshalb kann ich solch ein Fahrzeug nicht gestatten.“

Als Alternative bietet Stich Rollstuhlfahrern einen Platz im Außenbereich oder im benachbarten Sparkassen-Karree an, wo er ebenfalls einige Tische aufgestellt hat: „Da ist es viel geräumiger. Frau Heinemann kann gerne wiederkommen. Ich habe doch nichts dagegen, wenn ihr Rollstuhl mal piept.“

Pragmatische Lösung möglich

Meinhard Wirth, Vorsitzender des Hagener Behindertenbeirates, misst dem Streit keine grundsätzliche Bedeutung bei, ihm scheint das Problem eher im zwischenmenschlichen Bereich zu liegen: „Mit ein wenig gutem Willen von beiden Seiten sollte hier eine pragmatische Lösung möglich sein.“ Wenn Herr Stich Frau Heinemann vielleicht zu einem Kaffee einladen und ihr den Grund seines Verhaltens persönlich erklären würde . . .