Altenhagen. . Einer Frau aus Altenhagen, der ihr elektrischer Rollstuhl gestohlen wurde, wird kein Ersatzfahrzeug zur verfügung gestellt.

Seit fast sieben Wochen ist Susanne Klein jetzt an ihre Wohnung gefesselt. Die 49-jährige Frau kann ihr Heim in der Dreieckstraße nicht mehr verlassen, seitdem Diebe ihren elektrischen Rollstuhl stahlen. Und die Krankenkassen wollen ihr kein Ersatzgefährt zur Verfügung stellen. Vielmehr streiten sie sich und behaupten, sie seien nicht für die schwer kranke Frau zuständig.

Als Susanne Klein 32 Jahre alt war, erlitt sie einen Schlaganfall. Seitdem kann sie nur noch mühsam gehen, hat Sprachschwierigkeiten und Lähmungserscheinungen. Doch statt zu resignieren, kämpfte sich die vom Schicksal so hart geprüfte Mutter in den Alltag zurück. Schließlich hatte sie drei Kinder zu versorgen. Erleichterung verschaffte ihr der elektrische Rollstuhl, der es ihr ermöglichte, selbst zum Einkaufen zu fahren oder kleinere Besorgungen zu erledigen. Mit den Jahren wurde Susanne Klein siebenmal Großmutter: „Einen meiner kleinen Enkel habe ich häufig mitgenommen im Rollstuhl.“

Schäbiges Verbrechen

Doch Anfang Juni wurde sie Opfer eines besonders schäbigen Verbrechens. Diebe stahlen in einem unbeobachteten Moment den Rollstuhl, den Susanne Klein mittels einer Diebstahlsicherung immer vor der Haustür abstellte, weil sie das schwere Gefährt nicht die drei Stufen zu ihrer Wohnung hinauf bugsieren konnte. „Das Gerät war mir ans Herz gewachsen“, sagt sie. „Ich habe es ja quasi zu allen meinen Unternehmungen gebraucht.“

Den Altenhagenern war der schwarzrot lackierte Rollstuhl wohl bekannt. Die Polizei vermutet, dass das schwere Hilfsmittel von mindestens zwei Tätern in einem Transporter fortgeschafft worden sein muss. Doch Susanne Klein, die Frau, die soviel erlitt und soviel für andere tat, ist nicht einmal krankenversichert. „Ich war über meinen Mann versichert, doch die AOK hat mich vor zehn Jahren rausgeworfen, weil ich mit 778 Euro Rente zu viel verdienen würde“, behauptet sie.

Nicht zuständig

Wie bitte? Susanne Klein kann die Sachlage nicht näher erläutern, sie ist keine Juristin und auch keine Gesundheitssystemexpertin. Bei der AOK weiß man dagegen, dass es tatsächlich eine Versicherte namens Susanne Klein gegeben habe, doch das liege viel länger zurück: „Wir wissen aber, dass Frau Klein 1994 Mitglied der Barmer Ersatzkasse war“, so AOK-Sprecher Hermann-Josef Lemke-Bochem. „Deshalb haben wir ihr empfohlen, sich dorthin zu wenden.“

Das hat die behinderte Frau längst getan, erfuhr allerdings erneut eine Abfuhr. „Wir sind nicht zuständig“, erklärte Mirko Beifuß seitens der Barmer. Mehr könne er zu dem Fall nicht sagen.

Undurchschaubares System

Nun sieht das Sozialgesetzbuch vor, dass ein Bürger, der nicht krankenversichert ist (bei Selbstständigen und Vielverdienern ist das ab und an der Fall), aber wieder in das System zurückkehren möchte, von der Versicherung aufgenommen werden muss, bei der er zuletzt Mitglied war. Dahinter steckt der Gedanke, dass in einem reichen Land wie Deutschland niemand ohne Krankenversicherung dastehen sollte. Susanne Klein aber scheint durch das bürokratische, undurchschaubare Krankenkassen-Raster zu fallen. „Ich habe immer wieder um Aufnahme gebeten, bei der AOK und bei der Barmer“, berichtet die verzweifelte Frau. Zwecklos. Niemand ist für sie zuständig. Wer wirklich krank ist, den wollen die Krankenkassen nicht. Susanne Klein ist seit zehn Jahren nicht mehr bei einem Arzt gewesen - aus Furcht, sie müsse die Rechnung selbst bezahlen.

Und wer nicht versichert ist, der bekommt natürlich keinen Rollstuhl. Zwar besitzt sie einen zweiten Stuhl, doch der wird von Hand beschleunigt bzw. gebremst. Mit diesem Gefährt sind die steilen Altenhagener Straßen nicht zu bewältigen. Susanne Klein bleibt in den eigenen vier Wänden eingesperrt.