Hagen. . Um den Flächenverbrauch wieder in geordnetere Bahnen zu führen, fordert der Hagener Rat eine Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes. Grünen-Ratsherr Hans-Georg Panzer erläutert in einem Interview die genauen Beweggründe.

Seit zehn Jahren lässt die Neuaufstellung eines Flächennutzungsplanes (FNP) für das Hagener Stadtgebiet auf sich warten. Dabei haben bereits vor acht Jahren Jugendliche im Rahmen von Workshops beispielsweise ihre Ideen formuliert, wie sich sich das Hagen der Zukunft vorstellen.

Heute sind die Teilnehmer längst Erwachsene, nur passiert ist freilich rein gar nichts. Denn ein Ratsbeschluss aus dem Jahr 2003, der einen neuen FNP forderte, wurde bis heute von der Planungsverwaltung nicht abgearbeitet. Vor diesem Hintergrund hat das Stadtparlament bei seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause auf Antrag der Grünen einstimmig noch einmal Druck gemacht, diesen politischen Auftrag endlich zu erledigen. Über die Hintergründe dieses Vorstoßes sprach unsere Zeitung mit dem Grünen-Ratsherr Hans-Georg Panzer.

Warum drängen die Grünen – einstimmig unterstützt von allen anderen politischen Fraktionen – gerade jetzt auf die Neuaufstellung eines Flächennutzungsplanes?

Hans-Georg Panzer: Das Verfahren zur Aufstellung eines neuen Flächennutzungsplanes dauert nun schon 10 Jahre. Jeder Ehrgeiz dieses, für die mittelfristige Stadtentwicklung so wichtige Planwerk den Anforderungen der Zeit anzupassen, scheint jedoch verflogen zu sein. Im Gegenteil: Alleine die unsägliche Dauer des bisherigen Planverfahren belegt, dass dieser Aufgabe nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Verwaltung scheint – so ist zumindest mein Eindruck – die Arbeit an diesem Projekt einfach eingestellt zu haben. Dieser Zustand ist unhaltbar, wir benötigen dringend einen aktuellen, die Anforderungen der Zeit berücksichtigenden Flächennutzungsplan.

Warum ist ein solcher planungsrechtlicher Rahmen so dringend notwendig?

Panzer: Nach fast drei Jahrzehnten gleicht der gültige Flächennutzungsplan in Hagen einem Flickenteppich mit mehreren Dutzend Löchern. Die Flicken, das sind die veralteten Festsetzungen, die auf den städtebaulichen Vorstellungen der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts beruhen. Und die Löcher, das sind die 100 Änderungsverfahren, mit denen dieser Plan bisher überzogen wurden. 100 Änderungsverfahren in 29 Jahren, also drei bis vier Änderungen pro Jahr – diese Zahlen sprechen für sich. Der alte Flächennutzungsplan ist somit vollständig überholt.

Darüber hinaus wird er seit seiner Aufstellung fast schon traditionell mit schöner Regelmäßigkeit missachtet. Aussagen wie „Ja, das kann man an der Stelle machen, dazu muss nur der FNP geändert werden“ sind in Hagens Politiker- und Stadtplanerkreisen schon zur stehenden Redewendung geworden. Wenn man bösartig wäre, würde man dies als Stadtentwicklung auf Zuruf bezeichnen. Man muss aber feststellen: Eine eigene stadtentwicklungspolitische Linie, die diese Stadt verfolgt oder sogar durchsetzt, ist nicht mehr zu erkennen. Aus diesen Gründen muss die Aufstellung des neuen Flächennutzungsplan nun dringend wieder in den Fokus rücken.

Auf welche Punkte kommt es Ihnen dabei besonders an?

Panzer: Es gilt die Entwicklungen der vergangenen drei Jahrzehnte zu berücksichtigen und Bilanz zu ziehen. Zum Beispiel muss es um die Frage gehen: Wie viel landwirtschaftliche Nutzfläche wurde verbraucht? Ein Viertel der im Jahr 1982 noch landwirtschaftlich genutzten Flächen wurden bis zum Jahr 2010 in Verkehrs- und Siedlungsflächen umgewandelt. Das ist die enorme Fläche von acht Quadratkilometern. Das sind 28 Jahre lang, sommers wie winters, in jedem einzelnen Monat jeweils drei Fußballfelder – also 2,4 Hektar. Es geht aber auch noch um weitere Faktoren wie den demografischen Wandel: Von 1982 bis 2010 ist die Bevölkerung Hagens um 11,9 Prozent zurückgegangen.

Gleichzeitig ist diese Bevölkerung im Durchschnitt deutlich älter geworden, die Zahl der Leistungsträger hat sich tendenziell verringert. Dagegen sind die Verkehrs- und Siedlungsflächen – also die Flächen, die durch Wohnen, Gewerbe und Verkehrsflächen im weiteren Sinn belegt sind – stark gewachsen. Die Verkehrs- und Siedlungsfläche ist nicht etwa – proportional zur sinkenden Einwohnerzahl – kleiner geworden oder hat zumindest stagniert. Sie hat vielmehr um 18,4 Prozent zugenommen. Wir haben es also mit einer Schere zu tun. In der Summe klaffen die Spitzen dieser Schere um über 30 Prozent-Punkte auseinander. Zwischen den Spitzen dieser Schere liegen etliche von Hagens Problemen, auch und nicht zuletzt von Problemen finanzieller Art.

Unterhaltung der bestenden Infrastruktur wird immer schwieriger 

Woran denken Sie dabei konkret?

Panzer: Angesichts dieser sich immer weiter öffnenden Schere wird es immer schwieriger, die öffentliche Infrastruktur ausreichend instand zu halten. Jeder kann das am Zustand vieler Straßen oder öffentlicher Gebäude ablesen. Im privaten Bereich gilt aber das gleiche: Bei immer weniger Einwohnern werden immer mehr Wohnungen oder Privathäuser leer stehen. Auch im privaten Bereich ist oft zu beobachten, dass immer mehr Gebäude nicht ausreichend instand gehalten werden, dass ganze Wohngebäude vom Markt genommen, also regelrecht zugemauert werden, dass die Stadt immer öfter gezwungen ist, Gefahrenabwehr zu betreiben oder, wie an der B7, einsturzgefährdete Wohnhäuser sogar abreißen zu lassen.

Diese und viele weitere Beispiele hängen klar mit den dargestellten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zusammen. Musste ein Bürger im Jahr 1982 noch eine Verkehrs- und Siedlungsfläche von 226 Quadratmetern finanzieren, so ist diese Fläche bis zum Jahr 2010 auf sage und schreibe 303 Quadratmeter angewachsen.

Aber an welchen Stellen sind wir denn überhaupt in der Lage, diese Entwicklung zu steuern?

Panzer: Zum einen wird die Bevölkerungszahl mittelfristig im gleichen Maße abnehmen, wie dies in den vergangenen drei Jahrzehnten auch schon der Fall war. Dieser Teil der Schere ist von uns kaum zu beeinflussen. Angesichts dieser Entwicklung wird die Unterhaltung der bestehenden Infrastruktur immer schwieriger werden. Wenn unser Gemeinwesen aber nicht vollends aus den Fugen geraten soll, dann darf die Verkehrs- und Siedlungsfläche in der Zukunft nicht im gleichen Maße wie in der Vergangenheit vergrößert werden. Die Schere würde immer weiter auseinanderklaffen.

Der neue Flächennutzungsplan muss also dokumentieren, dass er dem demografischen Wandel Rechnung trägt. Er muss den Rahmen vorgeben, mit dem der weitere Flächenverbrauch stark reduziert werden kann. Das bedeutet in meinen Augen ganz klar: Ein Gewerbegebiet wie es beispielsweise auf dem Böhfeld angedacht wurde geht nicht! Vielleicht noch die Fischer-Spange, um die Bürger im Norden etwas von den zunehmenden Verkehren zu entasten. Aber das Böhfeld als Gewerbegebiet ist aus der Zeit.

Aber was hilft der innovativste Flächennutzungsplan, wenn die Politik mit schöner Regelmäßigkeit den Geist durch Änderungsvorstöße aushöhlt.

Panzer: Politik und Verwaltung müssen sich an einem neuen Flächennutzungsplan nachhaltig orientieren. Änderungen des neuen FNP’s sollten nicht mehr die Regel sein, sondern im Gegenteil die absolute Ausnahme werden. Diese Forderung beschreibt eine Abkehr von der Stadtentwicklungspolitik der Vergangenheit. Die letzte Novelle des Baugesetzbuches hat erst im vergangenen Juni Rechtskraft erlangt. Im Referentenentwurf dazu werden die städtebaulichen Ziele der CDU/FDP-Bundesregierung formuliert. Eines dieser Ziele ist der verstärkte Landschaftsschutz, der Schutz des Freiraums. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, den Flächenverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland auf ein Drittel des bisherigen Verbrauches zu reduzieren. Damit ist unser Vorstoß also auf der Höhe der Zeit.