Hagen. . „Seni gidi findik kiran.Yilani deliginden cikaran. Kiss, kiss.“ Es war der Song, zu dem Prinz Erdinc eine halbe Stunde vor Beginn des Hagener Rosenmontagszuges tanzte, als wäre der Friedrich-Ebert-Platz ein türkischer Basar. Rund 50.000 Narren am Straßenrand jubelten ihm in der Karnevalshochburg von Südwestalen zu.

„Seni gidi findik kiran.Yilani deliginden cikaran.
Kiss, kiss.“ Wer die Zeilen erkennt, ist entweder Türke oder ein riesiger Tarkan-Fan. Sie wissen schon: Das ist der gut aussehende Sänger vom Bosporus, der – so glauben karnevalistische Spötter – seinen Welt-Hit „Kiss Kiss“ nur landen konnte, weil das närrische „Bützchen“ ihn dazu inspiriert hat.

Es war der Song, zu dem Prinz Erdinc eine halbe Stunde vor Beginn des Hagener Rosenmontagszuges tanzte, als wäre der Friedrich-Ebert-Platz ein türkischer Basar. Der nahöstliche Hüftschwung war sein Dankeschön für eine bemerkenswerte Session und das Startsignal für einen Zug, der augenzwinkernde „Watsch’n“ für die Lokalpolitik verteilte und – der Boeler Vorarbeit sei Dank – auch trocken blieb. Rund 50.000 Narren säumten zum Rosenmontagszug die Straßen der Hagener Innenstadt.

Hätte das Motto treffender sein können? „Nur die Harten kommen in den Garten.“ Das Familienzen­trum St. Johannes aus Boele traf den meteorologischen Nagel auf den Kopf. Für eine Stunde stehen am Straßenrand gab’s gestern sozusagen Eisbein gratis. Sogar die Härtesten der Harten und die Lange-Unterhosen-Fraktion musste gestehen: ganz schön schuppig war’s.

Ein Loch tat sich auf zwischen insgesamt 56 Zugnummern. Irgendwo zwischen den Nummern 15 und 20. Natürlich: die Holländer. Die Showband „Viebergo“ aus Enschede spielte schmissige Songs, lief dabei aber auch immer eine große Acht – also auch in die Gegenrichtung. Logisch, dass das für das Moderatorenpaar Sven Söhnchen und Silke Wengemann eine Steilvorlage mit Ansage war. Die Sprüche zu folgenden Themen dürfen erahnt werden: Wohnwagen. Käse. Und die hölländische Nationalmannschaft.

Eine knifflige Sonderaufgabe für die Polizei

„Boele blüht auf“ - auch kostümtechnisch. Das bewies der Hagener Rosenmontagszug. Foto: Kleinrensing
„Boele blüht auf“ - auch kostümtechnisch. Das bewies der Hagener Rosenmontagszug. Foto: Kleinrensing © WP Michael Kleinrensing

Übrigens förderte der Rosenmontagszug auch eine knifflige Sonderaufgabe für die Hagener Polizei zutage: Kommt der Dieb, der den Keks vor der Leibniz-Universität geklaut hat, etwa aus Hagen? Der Wagen „40 Jahre Sesamstraße“ nahm das Thema dankbar und sehr detailverliebt auf. Das Mega-Krümelmon­ster, das am Goldkeks knabberte, bestand laut Sven Söhnchen aus über 7000 Krepp-Blumen. Ein dickes Sonderlob, liebe Wagenbauer.

Breitseiten im Romozug gegen OB Dehm und die Verwaltungsspitze 

Ungeklärt blieb am Nachmittag, ob sich die Ehefrau des Prinzen, nicht zu verwechseln mit ihrer Lieblichkeit Alexandra, noch auf die Ehrentribüne des Hagener Festtagkomittees geschlichen hatte. Der umtriebige Prinz hatte beim Sonntagszug in Boele tatsächlich sein Handy verbummelt und der Gratulationsanruf bei Geburtstagskind und Gattin Sarah (das Alter verraten wir nicht) schien in Gefahr.

Als Moderator Sven Söhnchen ihr die Montagsausgabe der WESTFALENPOST geben wollte – darin waren seine Bemühungen zu gratulieren Schwarz auf Weiß dokumentiert – schlürfte die Wuppertalerin Kaffee in der gut beheizten BarCelona. Sie wird den Zug doch nicht verpasst haben? Ein böser Jeck, der sowas denkt.

Rathaus ein Adressat der jecken Spitzfindigkeit

„Im Hagener Rathaus ist der Wurm drin“, war das Motto dieses Wagens. Foto: Michael Kleinrensing/WP
„Im Hagener Rathaus ist der Wurm drin“, war das Motto dieses Wagens. Foto: Michael Kleinrensing/WP © WP Michael Kleinrensing

Die, die in der lokalen Politik etwas zu sagen haben, bekamen in diesem Jahr ohne Umschweife, dafür sehr pointiert, etwas auf die ­Narrenkappe. Allen voran Oberbürgermeister Jörg Dehm, dem eine Verkleidung übrigens auch gut gestanden hätte. Radarfallen, Dienstwagen, Tierheim. Jörg Dehm und die Verwaltungsspitze waren häufiger Adressat der jecken Spitzfindigkeit. Den folgenden Begriff leihen wir uns von der Mütze von Hagens Feuerwehr-Chef Heinz Jäger: Der „Chef vons Ganze“ nahm’s gelassen.

Die standhaftesten Narren leben in Hagen

Der größte Rosenmontagszug mag in „Kölle“ gefeiert werden. Die standhaftesten Jecken aber, die ­leben in Hagen. Die – man muss es kaum mehr erwähnen – fleißigen und kreativen Wagenbauer, die in diesem Jahr eine Art chinesische Dschunke auf die Straße zauberten, sind der karnevalistische Beweis dafür. Denn: Für die meisten Jungs und Mädels sah das Programm so aus: Zug in Boele, Party, Party, Zug in Hagen, Party, Party. Noch Fragen? Wir sind gespannt auf 2014.

Mike Fiebig