Hagen. . In Bochum erhält jeder Bürger gut 190 Euro aus den EU-Fördertöpfen, in Dortmund 187 Euro, in Herne 114 in Wuppertal 77 und in Hagen gerade einmal 38,91 Euro. Ein Missverhältnis, das Oberbürgermeister Jörg Dehm verändern möchte. Die Ursache sieht die Stadtverwaltung vor allem in den Fesseln des Nothaushaltsrechts, die Hagen auferlegt seien.

Gut 540 Millionen Euro sind in den vergangenen fünf Jahren aus den Brüsseler Fördertöpfen in die Städte der Metropole Ruhr geflossen – davon allerdings nur ein relativ spärliches Sümmchen nach Hagen getröpfelt. Kämmerer Christoph Gerbersmann konnte in den vergangenen sechs Jahren lediglich 7,3 Millionen Euro auf der Hagener Haben-Seite verbuchen.

Damit liegt die Stadt beim Blick auf den Regierungsbezirk Arnsberg sowie die anderen Ruhrgebietskommunen sowohl im Vergleich der absoluten Zahlen als auch bei der Pro-Kopf-Förderung am traurigen Ende der Skala.

So flossen aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) zwischen 2007 und 2013 exakt 889.610 Euro an die Volme. Weitere 6,4 Millionen Euro gab es obendrein aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Angesichts einer Einwohnerzahl von aktuell 188. 178 Bürgern sind das pro Hagener gerade einmal 38,91 Euro (Stand: Dezember 2012). Im Vergleich zu anderen Städten des Ruhrgebiets und Kreisen im direkten Umland eine eher peinlich-magere Ausbeute.

Fesseln durchs Haushaltsrecht blockieren die Stadt

Die Ursache sieht die Stadtverwaltung vor allem in den Fesseln des Nothaushaltsrechts, die Hagen auferlegt seien. So scanne das „Europe-Direct“-Büro, das vorzugsweise EU-Image-Arbeit in die Bevölkerung hinein leisten soll, zwar durchaus die europäischen Förderofferten ab und informiere bei lohnenswerten Angeboten die zuständigen Stellen der Stadt.

Diese seien aber vorzugsweise bei der Hagen-Agentur, bei der Agentur Mark oder auch der AWo zu suchen, wo die entsprechenden Anträge gestellt werden müssten. Häufig scheiterten die Projekte aber schon an den fehlenden Kofinanzierungsmöglichkeiten der Stadt, die selbst den eher geringen Eigenmittelanteil nicht aufbringen könne. Dennoch: „Da ist schon noch deutlich Luft nach oben“, macht Stadtsprecher Karsten-Thilo Raab deutlich, dass Hagen hier in Zukunft erfolgreicher agieren müsse.

Agentur Mark profitiert beim Ringen um die Töpfe

Erik O. Schulz, Geschäftsführer der Agentur Mark, die vorzugsweise in Hagen sowie im Märkischen und im EN-Kreis im Markt der Beschäftigung und Qualifizierung agiert, sieht sich derweil gut aufgestellt: „Bei allen Töpfen, die sich um das Weiterkommen von Menschen drehen und für die wir Verantwortung tragen, sind wir durchgängig Bundesliga.“

Vieles laufe dabei auch über die Landesregierung. „Aber auch hier sind wir in allen Titeln vertreten“, versichert Schulz, seine EU-Hausaufgaben gemacht zu haben. „Vor allem im Feld der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer und der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen haben wir einen deutlich überproportionalen Mitteleinsatz erreicht.“

Hagen-Agentur: Für Hagen die falschen Fördertöpfe 

Eher ratlos zeigt sich derweil Gerhard Schießer, Geschäftsführer der Hagen-Agentur, beim Blick auf die nur äußerst übersichtlich nach Hagen überwiesenen EFRE-Mittel. Er verweist darauf, dass die von der EU definierten Themenfelder kaum auf die Hagener Bedürfnisse zugeschnitten seien. Vielmehr liege der Brüsseler Fokus auf IT- und Chemiestandorten.

Warum alle anderen Städte und Kreise rund um Hagen, die mehrheitlich ebenfalls kaum diese Kriterien erfüllen, hier dennoch wesentlich bessere Förderergebnisse erzielen, bleibt für Hagens obersten Wirtschaftsförderer unerklärlich: „Man kann die Zahlen nicht nebeneinander halten.“ Zudem seien die EU-Töpfe bereits geleert gewesen, als die Hagen-Agentur vor zwei Jahren mit ihren limitierten Ressourcen ihre Arbeit aufgenommen habe. Zu seinen vorangegangenen EU-Aktivitäten als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung wollte Schießer sich nicht äußern.

MdL Jörg bietet Unterstützung aus Düsseldorf an

„Irgendetwas läuft doch hier in Hagen falsch“, kritisiert vor diesem Hintergrund der Hagener Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg (SPD) beim Blick auf die EU-Vergleichsdaten. Auch andere Städte hätten reichlich Finanzsorgen und würden dennoch deutlich besser abschneiden. „In unserer finanziellen Situation können wir es uns nicht leisten, Geld auf der Straße liegen zu lassen.

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Wir müssen pfiffigere Ideen entwickeln, um an diese Töpfe ranzukommen.“ Daher bietet Jörg für diese kommunale Aufgabe seine Unterstützung auf dem Düsseldorfer Parkett an: „Vielleicht kann ich ja ein paar Kontakte knüpfen. Aber dafür muss Hagen sich auch rühren – bislang hat noch niemand bei mir angeklopft.“

OB Dehm möchte künftig offensiver agieren

Oberbürgermeister Jörg Dehm (CDU) hatte in der vergangenen Woche bei seinem Brüssel-Besuch gemeinsam mit seinen Metropole-Ruhr-Kollegen sowie der RVR-Spitze bereits versucht, aus erster Hand Informationen über die Förderdetails der EFRE- und ESF-Töpfe in den Jahren 2014 bis 2020 abzugreifen. „Uns ist es wichtig, nicht nur auf Entscheidungen aus Brüssel zu reagieren, sondern den Entscheidungsträgern auch im Vorfeld künftiger Weichenstellungen frühzeitig deutlich zu machen, was für unsere jeweilige Stadt und Region wichtig ist“, bilanziert der Hagener Verwaltungschef.

„Insbesondere hoffe ich darauf, dass künftig verstärkt EU-Mittel bereitgestellt werden, um damit finanzschwachen Kommunen wie Hagen eine Reaktivierung von Industriebrachen zu ermöglichen.“ Dabei blickt der Oberbürgermeister unter anderem auf das Gemeinschaftsprojekt „B 7“, das Hagen gemeinsam mit den EN-Nachbargemeinden vorantreibt, um entlang der Ennepe neue Gewerbeflächen-Potenziale zu schaffen. Denn Hagen möchte in Zukunft nicht mehr bloß staunend danebenstehen, wenn der Löwenanteil aus Brüssel sich am Ende in Dortmunder U-Lichtspiele verwandelt oder gar im dortigen Phönix-See versinkt.