Hagen. . Am letzten Tag des Jahres 2012 brach über 39 Beschäftigte der einstigen Bäckerei Emde eine Hiobsbotschaft herein. Sie werden arbeitslos. Mindestens sechs Filialen sollen schließen, und die Produktionsstätte an der Hochofenstraße (Haspe) wird in den nächsten zwei Wochen auch stillgelegt.

Für die Bäckereiverkäuferin (56) an der Badstraße ging der Knaller schon am Silvestervormittag los. Während sie die Kunden vor der Theke bediente, kam eine Frau ins Geschäft geschlendert und überreichte ihr einen Umschlag: Die Kündigung!

39 Beschäftigte der einstigen Bäckerei Emde werden arbeitslos. Mindestens sechs Filialen ­sollen schließen, und die Produktionsstätte an der Hochofenstraße (Haspe) wird in den nächsten zwei Wochen auch stillgelegt.

Für das Fiasko, genauer gesagt seine Firmenpleite, macht der jetzige Firmenchef, der Letmather ­Bäckermeister Bernd Weske (47), die Hagener Belegschaft mitverantwortlich. Vor einem Jahr hatte er zwei Lückel-Läden und 15 Emde-Filialen aufgekauft sowie 60 Emde-Mitarbeiter übernommen. Doch hätte es „erhebliche Probleme mit denen“ gegeben: „Die Produktionsstätte in Haspe ist ein Traum. Aber wenn die Leute nicht mitziehen, wird es schwierig.“

Für DGB-Rechtssekretär Martin Kühtz ist das eine billige Ausrede: „Kein Unternehmen muss Insolvenz anmelden, nur weil Teile der Belegschaft nicht mitziehen.“ Der Gewerkschaftler vermisst Selbstkritik: „Wenn erstmal der Pleitegeier kreist, will es der unfähige Geschäftsführer nicht gewesen sein.“

Bäckermeister hat sich offenbar verkalkuliert

Firmenchef Weske ist zwar seit 18 Jahren in der Branche und betrieb in Letmathe „Ermert’s Backhaus“ – mit 17 Filialen, 80 Mitarbeitern und einer 350 Quadratmeter großen Backstube. Mit der Übernahme aller Emde-Filialen, die unter dem alten Namen weiterbetrieben wurden, scheint sich der Bäckermeister aber verhoben zu haben. Plötzlich hatte die „Ermert’s Backhaus GmbH“ nicht nur 31 Filialen, sondern auch 192 Mitarbeiter im Schlepptau. Um das Großprojekt zu stemmen, zog der gesamte Produktionsbereich für beide Bäckereiketten nach Haspe. Derzeit wird dort noch auf 1800 Quadratmetern Fläche gebacken.

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Zusätzlich zum Kaufpreis für die Übernahme habe er viel Geld benötigt, um Mitarbeiter wieder loszuwerden, beklagt sich Bernd Weske, der nach eigenen Angaben etliche Arbeitsgerichtsprozesse geführt und verloren hat.

Hinzu komme: Der Bäckerbranche gehe es nicht gut. „Jede Tankstelle darf backen und Brötchen verkaufen“, spricht er von einem starken Konkurrenzkampf. „Aber ich darf umgekehrt kein Benzin verkaufen“, setzt er achselzuckend hinzu. Erkenntnisse, die er eigentlich schon vor der gewagten Expansion hätte haben können.

Amtsgericht Hagen hat das Insolvenzverfahren über Bäckerei-Kette eröffnet 

Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit hat das Amtsgericht Hagen inzwischen das Insolvenzverfahren über die „Ermert’s Backhaus GmbH“ eröffnet, zum Sachwalter wurde ein Gevelsberger Rechtsanwalt bestellt. „Ich habe aber nach wie vor das Sagen“, erläutert Weske, „weil es sich zunächst um ein so genanntes Schutzschirmverfahren handelt“.

Der glücklose Bäckermeister blickt mit verhaltenem Optimismus nach vorne: „Wir haben angefangen, die Maschinen von Hagen wieder zurück nach Letmathe zu schaffen.“ Dort will sich die Konditorei wieder kleiner setzen. Geschlossen werden die „Baguetterie am Markt“ an der Frankfurter Straße 76, die Emde-Filiale an der Voerder Straße 2 in Haspe, die Lückel-Filiale an der Elberfelder Straße. „Die Filiale an der Badstraße 4 unter dem Namen Lückel wird ebenfalls zu gemacht“, sagt Weske. „Aber die Filiale an der Badstraße 6 bleibt weiterhin ge­öffnet.“

Unattraktives Sortiment soll Schuld sein

Die Bäckereiverkäuferin in genau diesem Geschäft, über dem noch der alte „Emde“-Schriftzug prangt und die am Silvestermittag die Kündigung erhielt, ballt ihre Faust: „Die Kunden sind doch reihenweise weg geblieben, weil nach der Übernahme unser Sortiment immer unattraktiver wurde.“ Sie zeigt auf eine alte Haushalts-­Kaffeemaschine. „Die Kunden verlangen Cappuccino, aber ich kann nur Filterkaffee bieten.“ Und schimpft: „Noch nicht einmal Rosinenbrötchen gibt es hier.“