Hagen. . Das Ballett-Märchen „Der Nussknacker“ mit der Musik von Peter I. Tschaikowski hat nach acht Jahren wieder einmal den Weg auf die Hagener Theaterbühne gefunden - mutiger, pointierter und frecher als beim letzten Mal.
Die Sicht der Kinder auf die Welt der Erwachsenen ist eine weitgehend farblose, schräge, wenig freudvolle. Erst mit dem Erwachen der eigenen Phantasie weiten sich die Räume, erblühen die Farben, wird das Leben bunt und lustig: Das Ballett-Märchen „Der Nussknacker“ mit der Musik von Peter I. Tschaikowski hat nach acht Jahren wieder einmal den Weg auf die Hagener Theaterbühne gefunden. Und abermals zeichnet Ricardo Fernando für die Choreographie und Inszenierung verantwortlich.
Pointiert und frech
Anders aber als beim letzten Mal ist diese Einstudierung mutiger, pointierter, frecher auch. Krasse Gegensätze bestimmen die beiden Spielteile. Wo anfangs das reine Schwarz-Weiß regiert, entfaltet sich im zweiten Teil eine bonbonfarbene Träumerei mit Torten-Herrlichkeit und Softeis-Romantik. Schroff und unversöhnlich stellt Ricardo Fernando diese Welten gegeneinander, doch im Sinne einer vorweihnachtlichen Märchenstimmung bezwingt natürlich der schöne Schein das schroffe Dasein nachhaltig.
Hagens neuer 1. Kapellmeister David Marlow leitet das Philharmonische Orchester mit sicherer Hand durch alle bizarren und grotesken Phasen, weiß aber auch ebenso einschmeichelnd gefühlvolle Akzente zu setzen. In den dramatischsten Momenten des Tanzgeschehens verleitet er seine Musiker dann aber doch zu einem lautstarken Temperament, das bis dicht an die Grenze des lärmend Schrillen stößt.
16 kleine Kinder-Mäuse verzücken mit ihrem hübschen Einsatz natürlich das Premierenpublikum auf das Herzlichste und ernten entsprechend stürmisch-dankbaren Zwischenapplaus. Nach der Pause klatschen sich die Zuschauer ohnehin mehr und mehr förmlich in Rage, und als nach zwei Stunden schließlich der Schlussvorhang fällt, da gibt es buchstäblich kein Halten mehr im Parkett und auf den Rängen. Die geradezu schon hysterisch anmutende Begeisterung in einigen Stuhlreihen bricht sich in kreischenden Klängen Bahn, die kein Maß mehr kennen wollen - aber sei es drum, Hagens frischer „Nussknacker“ ist tatsächlich ein echter Hingucker.
Originell und gekonnt
Die Compagnie zeigt einmal mehr, wozu sie fähig ist. In dieser Inszenierung steht nun nicht die verblüffende Akrobatik im Vordergrund, wie bei all den anderen modernen Stücken im Repertoire, sondern eher die klassische Ausbildung bis hin zum formvollendeten Spitzentanz. Tiana Lara Hogan als stets bezaubernd lächelnde Claramarie und Brendon Feeney als Mensch gewordener Nussknacker bilden ein betörend schönes Paar. Leszek Januszewski ist ein über jeden Zweifel erhaben-stattlicher Drosselmeier, während Hayle Macri eine Softeis-Figur der dehnungsfähigsten Sorte anbietet. Nicht zu vergessen natürlich auch die bestechend elegante Yoko Furihata als Baiser-Fee und Shinsaku Hashiguchi als ihr kongenialer Prinz.
Es gelingt Ricardo Fernando über die gesamte Strecke des Abends hinweg, eine ebenso hohe wie abwechslungsreiche Qualität in der Choreographie zu halten. Eine ganze Reihe origineller Regieeinfälle polstert das Geschehen zudem ausgesprochen kurzweilig ab. So beispielsweise, wenn Drosselmeier mit beiläufigem Fingerschnippen riesige Zuckerwatte-Pfeile vom Theaterhimmel hinab auf den Tanzboden sausen lässt, die dort dann kaum wieder aus dem Holz zu ziehen sind.
Die illustre Ausstattung von Petra Mollérus tut ein Übriges, den Augen immer neue, überbordende Seh-Angebote zu machen und somit den hervorragenden Gesamteindruck maßgeblich mit zu prägen. Dieser Hagener „Nussknacker“ ist ein rundum modernes Angebot klassischer Ballettkunst für praktisch alle Altersgruppen.
Die weiteren Vorstellungen: 26., 28. Oktober, 3., 11., 14., 17., 28. November, 7., 20., 25. Dezember sowie am 17. Januar. Die jeweiligen Uhrzeiten und Karten unter Tel. 02331 / 207-3207. www.theater.hagen.de