Hagen-Haspe. . Das niederländische Straßentheater Gajes gastierte im Ennepepark in Haspe und entführte sein Publikum in eine Baugrube.
Die Produktion polarisierte. Von „herrlich ironisch“ und „gekonnt futuristisch inszeniert“ bis hin zu „langweilig“ und „enttäuschend“ war am Mittwoch vom Publikum alles zu hören. Wobei die Bewertung „sehr speziell“ vielleicht den Nagen am besten auf den Kopf traf.
Menschenmengen im Ennepepark in Haspe, Traumwetter und etliche Stationen, an denen etwas passierte: Schon bevor um 21 Uhr das niederländische Straßentheater Gajes den Startschuss für seine neue Produktion „Agora Phobia“ (Platzangst) abfeuerte, gab’s auf der Wiese schon viel zu sehen.
Hier stimmten Musiker ihre Instrumente, dort machte eine Putzkolonne Pause und weiter hinten wurde geschraubt und gehämmert. „Wo stehen wir denn richtig?“, „Von welcher Stelle aus kann man am besten sehen?“, so die häufig gestellten Fragen der Muschelsalat-Besucher. Die Antwort war einfach. Man stand überall richtig, wenn auch überall im Weg. Und genau das war gewollt.
Futuristische Großobjekte
Die schrillen Niederländer mischten die Zuschauer auf, verscheuchten sie, animierten sie, sich zu bewegen. Denn mit ihren teils futuristischen Großobjekten fuhren die Akteure mitten ins Publikum hinein, schließlich musste es ja weiter gehen auf der Baustelle bzw. in der Baugrube.
Bauarbeiter mit Helmen und Schutzwesten, Förderbänder, mobile Bauzäune - das Thema „Neubaupläne“ wurde symbolstark umgesetzt. Harte Amboss-Schläge, dumpfe Bässe - die Szenerie präsentierte sich mit Absicht wenig kuschelig. Eher als augenzwinkernde Parodie auf die Großkopferten, die ein multifunktionales Gebäude top-deluxe bauen wollen. „Frau Bürgermeister“, ein abgedrehter Architekt und ein blasierter Baustellenleiter treffen aufeinander - und alle Klischees von Profilneurotikern werden bedient.
Schwere Kost
„Schweres Gerät - schwere Kost“, resümierte eine Zuschauergruppe, als die einstündige „Platzangst“ zu Ende war, „Mal was ganz anderes“ lobte hingegen Marc, seit Jahren Muschelsalat-Stammgast.
Roswitha Riemers Urteil: „Eigentlich bin ich immer begeistert - aber heute? Einfach nur enttäuschend.“ Ihre Schwester Ingrid Ludwigschowski ergänzte „Im letzten Jahr, als ,Die Pyromantiker’ hier ihr Barockfeuerwerk abfackelten, kam ich aus dem Klatschen nicht mehr heraus. Aber das heute war nichts.“
Knackpunkt: 2008 gastierte das Theater Gajes mit der märchenhaften Produktion „Alice im Wunderland“, 2009 mit einer beeindruckenden „Don Quixote“-Aufführung beim Muschelsalat. Dieses Mal ging’s schlichtweg weniger romantisch-poetisch zu.
Neun Statisten
Schönes am Rande: Dem Aufruf des Kulturbüros, sich als Statist zu melden, waren mehr Freiwillige als nötig gefolgt. Neun Muschelsalat-Fans gingen der Theatertruppe ab mittags zur Hand und studierten ihre kleinen Rollen ein. Einer von ihnen: Jan-Hendrik Wupper. „Vor den Ferien hab’ ich an einer Theater-Projektwoche teilgenommen, und da dachte ich mir, ,Ich mach’ hier auch mal mit’“, erzählte der 17-jährige. Sein Fazit als Statist? „Das war cool - trotz der Affenhitze.“