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Die Geschichte der Schnettlers ist ausführlichst dokumentiert. Ob Urlaube, Familienfeiern, Bundeswehrzeit oder die lieben Kleinen – all das hat Friedhelm Schnettler auf Filmen festgehalten, das meiste davon auf Super 8. Sein Bruder Gerd kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, wenn er von diesen oft Jahrzehnte alten Zeitdokumenten spricht: „Wie wir damals aussahen – ich lach’ mich kaputt. Wir hatten keinen Arsch in der Hose.“
Von den fehlenden Hinterteilen der beiden Boeler können sich die Fernsehzuschauer am Montag, 2. April, um 23.45 Uhr überzeugen. Dann sind deren Super-8-Erinnerungen vom ersten Mallorca-Urlaub in der ARD-Dokumentation „Deutschland filmt: Die schönste Zeit des Jahres“ zu sehen. In Szene gesetzt von dem aus Hagen stammenden Regisseur Jens Pfeifer, der mit Klemens Becker einen weiteren Volmestädter für das Projekt gewinnen konnte.
„Löschen und neufilmen gab es nicht“
Fleischermeister Friedhelm war derjenige der Schnettler-Brüder, der meist zur Kamera griff. Und das schon verdammt früh: „Mit 17 habe ich angefangen und alles gefilmt, was mir vor die Linse kam.“ Zu Zeiten digitaler Speicherkarten klingen die Erinnerungen des 64-Jährigen beinahe ein wenig prähistorisch: „Das Filmen war wahnsinnig teuer, eine Kassette mit drei Minuten Aufnahmezeit kostete 15 Mark. Und wenn der Film voll war, war er voll. Löschen und neu filmen gab es nicht.“
Rund zehn Minuten lang ist der Streifen, der die blutjungen Brüder in den 60er-Jahren auf Mallorca zeigt. Friedhelm war 18, Gerd erst 15, als es sie auf die Baleareninsel verschlug. Drei Wochen Arenal für 1500 Mark, Vollpension inklusive, gebucht im Reisebüro Höfinghoff am Markt. „An den Ballermann war damals noch nicht zu denken“, erzählt Friedhelm Schnettler, „in fünf Minuten war man von Arenal aus in der freien Natur.“
Abriss der alten Goetheschule in fünf Minuten
Bruder Gerd kann gleich mehrere Anekdoten hinzufügen: „Aus jeder Kneipe drang ‘Delilah’ von Tom Jones. Und zu essen gab es häufig Fleisch von den Stieren aus der Arena.“ Kaum zu glauben, aber wahr: Schon damals, vor fast 50 Jahren, existierte es eine Flatrate für alkoholische Getränke. „Einmal bezahlen und so viel trinken, wie man will, hieß das damals“, erzählt Friedhelm Schnettler schmunzelnd. „Das Problem dabei: Die meisten Getränke waren nicht vorhanden und die Bedienung brauchte ewig.“
Die seinerzeit geradezu exotische Mallorca-Tour stellte aber eine Besonderheit im filmischen Schaffen Friedhelm Schnettlers dar. Ansonsten bannte er vornehmlich heimische Motive auf Zelluloid. Zu den rund hundert Filmen in seinem Schrank zählen Aufnahmen vom bäuerlich geprägten Helfe aus dem Jahr 1963, von der Hagener Straßenbahn 1976 oder vom Abriss der alten Goetheschule 1986. Dafür hatte sich der Boeler etwas Besonderes ausgedacht und die Kamera auf dem Stativ so eingestellt, dass sie nur jede Minute ein Bild schoss. Das Ergebnis: Im Zeitraffer kann der Betrachter den kompletten Abriss des Gebäudes in gerade einmal fünf Minuten verfolgen.
"Den Film kann ich mir heute noch nicht anschauen"
Ein ganz spezieller Streifen gelang auch Klaus, dem dritten Schnettler-Bruder im Bunde: Er kletterte 1983 bis auf die Spitze des eingerüsteten Boeler Kirchturms und ließ dabei die ganze Zeit die Kamera laufen. „Den Film kann ich mir heute noch nicht anschauen“, sagt der offenbar nicht ganz schwindelfreie Gerd.
Es waren Zeiten, in denen noch geschnippelt und geklebt wurde, um dem Film den letzten Schliff zu verpassen. Auch damit ist’s längst vorbei, heute nutzt Friedhelm Schnettler ein PC-Bearbeitungsprogramm; Schnitt, Ton oder Überblendungen sind ein Klacks. Und dennoch: Von der Filmvorführung im verdunkelten Raum, bei dem der Meister selbst am surrenden Projektor steht, geht noch immer ein gewisser Zauber aus. Und das gilt nicht nur für Hobby-Cineasten, weiß Friedhelm Schnettler: „Meine Frau sagt: Am liebsten guck’ ich die alten Super 8.“