Hagen. Wenn man gründlich sucht, findet man einige Straßenschilder mit Namen von stadtbildprägenden Frauen in Hagen. Aber im Vergleich zu den männlichen Straßennamen sind es trotz allem immer noch recht wenige. Muss man also eine Frauenquote für Straßenbezeichnungen fordern?

In Hagen sind Frauen recht einsam unter Männern – nur am Kuhlerkamp herrscht ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Da wechseln sich Dorothee, Hedwig, Margarete und Klara mit Tobias, Michael, Otto und Thomas ab. Aber unter den über tausend weiteren blauen Schildern, die den Namenszug einer Straße tragen, überwiegen die Männer.

Historiker Dietmar Freiesleben aus dem Historischen Centrum versucht zu beschwichtigen: „Die meisten Straßenbezeichnungen in Hagen lassen sich auf Flurbezeichnungen oder andere geografische Bezeichnungen zurückführen.“ Alles, was „Am“ oder „Im“ mit sich schleppt, deutet darauf hin: Am Großen Feld oder Im Hördenbruch. Dann gibt’s die Viertel, in denen, wie etwa rund um die Fachhochschule, Blumensorten oder Vogelarten die Adressen markieren: Astern, Dahlien, Flieder und Rosen werden dort auf die Straßenschilder verteilt.

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Aber es gibt sie, die stadtbildprägenden Frauen, und wo sie auftauchen, erzählen sie ein Stück Hagener Historie. Für Hagen ganz bedeutend war Theresa Floren. Sie erblickte am 13. Dezember 1928 das Licht der Welt – und machte allein dadurch Hagen zur Großstadt. Klein-Theresa war die 100.000. Einwohnerin. „Sie ist vor ein paar Jahren verstorben“, weiß Freiesleben. Gelebt hat sie viele, viele Jahre in Süddeutschland. Die Theresenstraße zweigt in Helfe von der Pappelstraße ab.

Viele Schätze an den Straßenrändern

Es schlummern noch mehr feminine Schätze an den Straßenrändern. An der Elfriedenhöhe lässt sich ablesen, dass der Bankier Osthaus vier Töchter hatte und einzig Elfriede die Diphterieerkrankung überlebte. Osthaus baute ein Haus und benannte es nach ihr. Später wurde daraus die Straßenbezeichnung am Stadtgarten.

Unterhalb der Lange Straße in Wehringhausen zieht sich die Minervastraße hin. Sie ist offiziell seit 1870 so verzeichnet. Die Römer haben Minerva als Göttin des Handwerks und der Gewerbetreibenden verehrt. „1840 wurde an der Stelle ein Stollen in den Berg getrieben, um Alaun abzubauen“, zitiert Freiesleben aus seinen Unterlagen. Bereits zehn Jahre später war der Betrieb stillgelegt, der Stollen indes nicht. „Er wurde später als Bierkeller benutzt.“

Märchenviertel als weibliche Hochburg

Für ihre Zeitgenossen blieb sie die „Märckerin“. Dabei hieß Louise Catharina Märcker die längste Zeit ihres Lebens mit Nachnamen Harkort (1718-1795). Sie, die Arzttochter aus Hattingen, hatte in die Industriellenfamilie Harkort eingeheiratet. Ihr Mann starb früh, ließ sie mit fünf Kindern und einem Handelshaus zurück. Sie leitete die Geschäfte und das einst schmucke Gut Harkorten. Am Quambusch heißt eine Straße nach der tatkräftigen Unternehmerin.

Ob man – oder frau – das Märchenviertel als weibliche Hochburg in Hagen gelten lässt? Der Historiker grinst und rattert die Figuren runter, nach denen am Baukloh in Westerbauer Straßen benannt sind: Schneewittchen, Dornröschen, Rapunzel. Nett machen sie sich allemal in Weiß auf Blau.

Straße für die Großmutter

Wie klingend auch immer, für die Luisenstraße gibt es eine nüchterne Erklärung. Der Architekt Karl-Heinrich Post baute sich die Straße in Eilpe – quasi selbst – und widmete sie seiner Großmutter.

Die Römer sorgten gewissermaßen dafür, dass die Konkordiastraße neben dem Theater ihren Namen trägt. Concordia war die Göttin der Eintracht. „Viele gesellige Vereine wählten sie als Namensbestandteil“, erklärt Dietmar Freiesleben. „1861 baute man an der Ecke das Gesellschaftshaus Concordia, 1870 bekam die Straße ihren Namen.“

Frauen aus Hagen ehren

Andere wie Elsa-Brandström-Weg, Louise-Schröder- und Käthe-Kollwitz-Straße sind von überregionaler Bedeutung und nach Wohltäterin, Politikerin und Künstlerin benannt. Starke Frauen. Die Sievekingstraße zeugt davon, dass Amalie Sieveking im 19. Jahrhundert die Kranken- und Altenpflege reformierte. Sie gilt als Begründerin der heutigen Evangelischen Frauenhilfe. Stark war auch Gertrud Bäumer. Die Freiheitskämpferin wurde 1873 in Hohenlimburg geboren wurde und bis zum dritten Lebensjahr dort wohnte. Sie hat eine eigene Straße im Ort.

Muss man eine Frauenquote für Straßenbezeichnungen fordern? Insgesamt gibt es rund 1430 Straßen im Stadtgebiet, wie viele zahlenmäßig auf die Geschlechter entfallen, lässt sich nicht per Knopfdruck ermitteln. „Es ist richtig und wichtig“, meint Anna Vierhaus, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, grundsätzlich „Frauen aus Hagen entsprechend zu ehren.“ Das Industriemuseum in Münster fragt derzeit in den nordrhein-westfälischen Kommunen rum, welche herausragenden weiblichen Persönlichkeiten es in der Stadt gab oder gibt. Ein Blick ins Hagener Straßenverzeichnis reicht bei weitem nicht.