Eckesey.

Wenn’s nach den Vorstellungen der Planungsverwaltung geht, dann bliebe die Alte Molkerei mit ihren Geschäften so erhalten. Allerdings kann die Stadt nicht bestimmen, was auf dem Grundstück an der Eckeseyer Straße 54-56 passieren soll. Denn Eigentümerin ist Ingeborg Erbe. Die Herdeckerin streitet sich seit 2008 mit der Stadt. Am liebsten hätte die Frau, die als private Investorin auftritt, den Gebäudekomplex bereits abreißen und einen Discounter bauen lassen.

Doch vor vier Jahren verweigerte ihr die Stadt eine entsprechende Bauvoranfrage: für einen SB-Markt mit 799 Quadratmetern Verkaufsfläche, einem Backshop und Stellplätzen. Eine ausgemachte Sache, der Betreiber stand parat. Die Stadt machte Erbe einen Strich durch die lukrativ erscheinende Rechnung. Der Bebauungsplan lasse großflächigen Einzelhandel nicht zu, widerspreche den Planungen und das Grundstück sei kein Nahversorgungsstandort. Darüber hinaus seien vergleichbare Betriebe in der Umgebung nicht vorhanden. Das Fazit der Stadt: Der Stadtteil Altenhagen sei, was den großflächigen Einzelhandel angehe, „nahezu überversorgt“. Das Verwaltungsgericht in Arnsberg stützte die Ansicht der Stadt.

Die Bagger könnten rollen

Allerdings war Ingeborg Erbe hartnäckig, zog eine Instanz weiter – vors Oberverwaltungsgericht Münster. Die Richter dort sahen die Sache anders als ihre Arnsberger Kollegen und gaben Erbe Recht: „Der Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig.“ Zudem hat die Justizbehörde der Stadt bescheinigt, dass der aktuelle Bebauungsplan in seiner jetzigen Form nicht zulässig sei.

Die Bagger könnten also rollen. Bis Mitte des Jahres wird der ehemalige Milchhof ohnehin leer sein. Alle noch verbliebenen Mieter – Weinhandel, Obst- und Gemüsehandel, Gastroausstatter – ziehen aus, respektive sind gekündigt. Ingeborg Erbe hat vorgesorgt. Seitens der Mieter hat sie bereits vorher Kritik erfahren, weil sie in die Milchhofgebäude nichts investiere. „Ich investiere nicht in Gebäude, die abgerissen werden sollen. Außerdem liegt der Mietpreis nur bei 4,20 Euro.“ Dafür könne man den Milchhof kaum rentabel unterhalten.

Keine Revision zugelassen

Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil gegen die Stadt festgehalten, dass sich ein Discounter an der Eckeseyer Straße in seiner „Eigenart“ in die nähere Umgebung einfüge. Immerhin befinden sich unmittelbarer Nachbarschaft zwei raumgreifende Baumärkte, das Umfeld ist charakterisiert durch einen Mix aus Wohnen und Gewerbe, industriegebietstypisch. „Dann darf sich da auch ein weiterer großflächiger Betrieb ansiedeln“, stimmt Rechtsanwalt Markus Johlen dem OVG zu. Johlen ist Anwalt in Köln, kennt sich bestens mit Discountern aus – er vertritt seit zwölf Jahren Aldi-Süd – und nun Ingeborg Erbe im Rechtsstreit mit der Stadt Hagen.

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Bis die Bagger allerdings rollen können, wird noch Zeit vergehen. Obwohl das OVG Münster keine Revision zugelassen hat, legt die Stadt ihrerseits rechtliche Schritte ein. Sie will bis vors Bundesverwaltungsgericht ziehen, Beschwerde dagegen einlegen, dass das Oberverwaltungsgericht in Münster keine Revision zugelassen hat. Juristische Kniffe, die zuallererst eine Wirkung haben: Das Bauvorhaben hinauszuzögern.

Weitere Discounter angesiedelt

Die Stadt könnte es gar ganz verhindern – und den Bebauungsplan ändern. Aber selbst dann wären wohl Erbes finanzielle Gewinner. „Auf die Stadt wird eine hohe Schadensersatzklage zukommen“, kündigt Ingeborg Erbe an. „Außerdem dürften wir jetzt so groß bauen, wie wir wollen, auch über 800 Quadratmeter.“

Der Streit um die alte Molkerei geht also in eine weitere Runde, wenn die Justizbehörde die Beschwerde der Kommune zulässt. „Wir können das Urteil nicht nachvollziehen“, begründet Planungsdezernent Thomas Grothe den Schritt. „Unserer Ansicht nach müsste berücksichtigt werden, welche Auswirkungen ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb vor allem auf die Innenstadt hat.“ Genau den Punkt sieht das OVG anders. „Aber ein Einzelhandelsbetrieb an der Stelle hat kein Einzugsgebiet, es gibt kein Wohnen drumherum“, schiebt Grothe, der einer etwaigen Schadensersatzklage gelassen entgegen sieht, nach. „Wir haben ein Einzelhandelskonzept, das andere Standorte favorisiert.“ Seit sich Ingeborg Erbe und die Stadt streiten, sind im weiteren Umfeld – Altenhagen und Boelerheide – weitere Discounter aus dem Boden geschossen. An der Zollstraße in Altenhagen – quasi um die Ecke der Molkerei – wird demnächst ein weiterer großflächiger Lebensmittelmarkt entstehen – „trotz der angeführten Überversorgung Altenhagens“, schüttelt Ingeborg Erbe den Kopf.