Hagen. Fast 50 Punkte umfasst das Profil für den neuen Hagener OB. Erstellt hat sie der Unternehmerrat. Auch die Persönlichkeit spielt eine große Rolle.

Diese Erwartungshaltung klingt durchaus ambitioniert: Gefragt sind visionäres, strategisches Denken, Management-Fähigkeiten, Wirtschafts- und Stadtplanungskenntnisse sowie Führungskompetenz gepaart mit Teamfähigkeit, Kommunikations- und Kritikfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und eine klare Haltung.

So klingen zumindest die Ansprüche aus der heimischen Wirtschaft, wenn es um das Anforderungsprofil des künftigen Hagener Oberbürgermeisters oder auch einer Oberbürgermeisterin geht. Als weniger relevant werden in diesem Kreis die kommunalpolitische Erfahrung, juristische Expertise, Kenntnisse im Sozialwesen, regionale Verbundenheit oder auch emotionale Gelassenheit angesehen. Reine Verwaltungs- und Politik-Karrieristen fallen hier eher durchs Raster.

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Das zeigt zumindest der jüngste Vorstoß des Hagener Unternehmerrates, der aktuell immerhin 87 lokale Wirtschaftsführer unter seinem Dach vereint und sich immer wieder – zum Leidwesen von Politik und Rathaus – mit Initiativen und dezidierten Forderungen in die kommunalen Belange einmischt. „Es ist doch nur allzu natürlich, dass wir uns Gedanken über die Kompetenzen und Qualifikationen machen, die ein geeigneter Kandidat oder eine Kandidatin für den Posten des Stadtoberhaupts mitbringen müsste“, betrachtet Initiator Winfried Bahn es als ein selbstverständliches Ansinnen, dass führende, unabhängige Arbeitgeber der Stadt hinsichtlich des OB-Anforderungsprofils ihre Ideen formulieren.

Nach intensiven Diskussionen haben die Mitglieder des Hagener Unternehmerrates ein Idealprofil für einen Oberbürgermeister-Kandidaten oder eine -Kandidatin zusammengestellt.
Nach intensiven Diskussionen haben die Mitglieder des Hagener Unternehmerrates ein Idealprofil für einen Oberbürgermeister-Kandidaten oder eine -Kandidatin zusammengestellt. © Hagener Unternehmerrat | Martin Weiske

Kandidaten noch im Nebel

Immerhin tat sich zu Jahresbeginn urplötzlich ein Personal-Vakuum auf, als Oberbürgermeister Erik O. Schulz erklärte, dass er im Herbst 2025 nach dann elf Amtsjahren kein weiteres Mal für den Verwaltungschef-Sessel antreten werde. Viele waren davon ausgegangen, dass der 58-Jährige noch einmal kandidieren werde und nach den Erfahrungen der Vorjahre erneut unschlagbar sei. Doch nun kommt es ganz anders: Seitdem ist in Reihen der Ratsfraktionen plötzlich die operative Hektik ausgebrochen, mit welchen geeigneten Bewerbern sich diese entstehende Lücke wohl zukunftsweisend schließen ließe. Rund um den Jahreswechsel dürfte sich hier der politische Nebel lichten und ein Kandidatenfeld sich formieren.

Um die Profilerwartungen zu schärfen, hatte der Unternehmerrat unter seinen Mitgliedern 280 Kriterien eingesammelt und zu 49 Kompetenzen – sogenannten Hard-Skills (fachliche Stärken) und Soft-Skills (soziale Stärken) – gebündelt. In großer Runde mit 45 Teilnehmern wurden diese Punkte dann gewichtet, sodass sich letztlich ein klares Profil herauskristallisierte. „Dabei fiel ins Auge, dass kommunalpolitische Erfahrungen und regionale Verbundenheit als eher untergeordnet betrachtet wurden“, fasst Bahn das Ergebnis zusammen, „dafür zählen Management- und Führungskompetenz, visionäres Strategiedenken, Konfliktmanagement, aber auch Transparenz.“ Nur so lasse sich jene Prozessdynamik erzeugen und fokussierte Zielerreichung vorantreiben, die Hagen so dringend benötige.

„Der OB muss nicht auf jedem Fest auftauchen, sondern den Laden führen.“ Um die Stadt aus der Krise zu führen, brauche es wirtschaftliche Entwicklung, die wiederum Arbeitsplätze sichere, gute Jobs schaffe, die Kaufkraft erhöhe und somit das gesamtstädtische Niveau verbessere. „Wir brauchen eine stärkere Wir-Kultur und müssen das Herz der Stadt viel deutlicher herausarbeiten“, skizziert Bahn die Erwartungshaltung des Unternehmerrates: „Schließlich geben die Menschen auch gerne was zurück, wenn sie in erfolgreichen Unternehmen arbeiten“, identifizieren die Hagener Wirtschaftsführer eher eine erstarrte Haltung in der Stadtverwaltung.

Potenziale mutiger nutzen

Dazu gehört für Bahn ein gesunder Mut, mit innovativen Ideen auch mal daneben zu greifen: „Fehler machen alle, aber man muss auch Fehler zulassen dürfen“, plädiert er für mehr Freiräume innerhalb der sehr hierarchischen Stadtverwaltung. Das Potenzial der einzelnen Mitarbeiter werde zu wenig genutzt.

Stattdessen sei das Handeln des Rathauses in einer rechtsschutzversicherten Gesellschaft geprägt von einer permanenten, lähmenden Angst, sich angreifbar zu machen. „Je höher die Komplexität der Themen, desto weniger Entscheidungsbereitschaft gibt es“, so die Beobachtungen des Unternehmerrates. Und: Bei der Bearbeitung der Arbeitsfelder würden stets die Problemlagen in den Vordergrund geschoben, statt zunächst einmal die Ziele und Lösungen zu diskutieren.

„Natürlich handelt es sich bei unserem Ranking um ein Idealprofil, ein erstrebenswertes Ziel, das in der Regel nicht erreicht wird“, würden sich Bahn und der Unternehmerrat auch schon über einen Annäherungswert freuen. „Aber bei jeder Mitarbeitersuche wird ja auch so vorgegangen – nur beim OB nicht.“

Als Orientierungshilfe will das Wirtschaftsbündnis sein Anforderungsprofil in den nächsten Tagen als Gedankenstütze den einzelnen Ratsfraktionen zukommen lassen. „Denn in Anbetracht der immensen Aufgaben in Hagen kommt der Qualifikation des Oberbürgermeisters oder der Oberbürgermeisterin eine besonders große Bedeutung zu.“