Breckerfeld. Es ist ein Wunder, dass im Ortskern von Breckerfeld noch niemand schwer verletzt wurde. Seit 50 Jahren kämpft die Politik für eine Ortsumgehung.
Die, die hinten stehen, noch ein Stückchen vor, bitte. Damit sie zu erkennen sind. Dann scheint dieses Bild perfekt: Es zeigt im Hintergrund den Fraktionsvorsitzenden der CDU im Düsseldorfer Landtag. Es zeigt den Bürgermeister von Breckerfeld. Es zeigt seinen Vorgänger, der nun Mitglied im Kreistag ist. Und es zeigt eine Abordnung der örtlichen CDU. Was dem Bild an der Frankfurter Straße in Breckerfeld noch fehlt, ist ein Lastwagen. Lange warten muss man da nicht. Es donnert, es dröhnt, und dann scheppert der Sattelzug vorbei.
Er scheint wie auf Bestellung an der Delegation vorbeizurauschen. Zentimeter sind es nur, die Axel Zacharias, den Vorsitzenden der CDU-Ratsfraktion, als Letzten in der Reihe auf dem schmalen Bürgersteig vom Auflieger trennen. Aber bestellen musste den 40-Tonner niemand. Erst recht nicht an einem Tag wie diesem. Die Autobahn 45 ist in Richtung Frankfurt nach einem Lastwagen-Unfall schon seit dem frühen Morgen gesperrt. Und seit es der Stadt Lüdenscheid gelungen ist, für das Volmetal ein Lkw-Fahrverbot anzuordnen, haben sich die Verkehrsprobleme auf den Ausweichrouten potenziert.
Lkw sparen auf Landstraße die Maut
Die L 528, eine Route, auf der Lkw-Fahrer, die in Meinerzhagen wegen der gesperrten Rahmedetalbrücke die A 45 verlassen, ohne dafür Mautgebühren zu zahlen, führt mitten durch den Ortskern. Am Hotel Böving ist es so eng, dass zwei Lastwagen nicht aneinander vorbei passen. Die Bürgersteige wiederum sind so schmal, dass nicht einmal für einen breiteren Regenschirm Platz bleibt - geschweige denn für einen Kinderwagen oder einen Rollator. Und weil die Strecke obendrein mächtig Gefälle aufweist, kommt es einem Wunder gleich, dass hier noch kein schlimmer Unfall passiert ist.
„Wir wollen nicht warten, dass etwas passiert, damit etwas passiert“, sagt Zacharias. Er und seine Fraktion sind daher fest entschlossen, den nächsten Anlauf zu nehmen, um den 50-jährigen Stillstand in Sachen Ortsumgehung zu durchbrechen. Deshalb haben sie mit Thorsten Schick (CDU) einen Mann eingeladen, von dem sie sich versprechen, dass er als Vorsitzender der größten Landtagsfraktion, die schließlich auch mit Hendrik Wüst den Ministerpräsidenten stellt, auch einen gewissen Einfluss auf das grün geführte Verkehrsministerium hat.
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Planungen sollen fortgeführt werden
Immerhin: „Wir haben im Koalitionsvertrag fest vereinbart, dass Projekte, die sich in Planung befinden, auch fortgeführt werden“, sagt Schick, der „froh“ ist, sich selbst noch einmal ein Bild von der Situation vor Ort gemacht zu haben. „Ich war zuletzt 2018 hier. Und seither hat sich die Situation noch einmal erheblich verschärft. Und der Lkw-Verkehr wird ja perspektivisch in den nächsten Jahren auf diesem Niveau bleiben oder sogar ein noch höheres erreichen.“ Er habe Verständnis für die Sorgen der Anwohner, er teile die Argumente der Politik vor Ort, und er nehme sie mit nach Düsseldorf, so der Iserlohner, dem das Chaos rund um die Rahmedetalbrücke auch aus dem eigenen Wahlkreis durchaus geläufig ist.
Im Grund scheinen sich hier an der Frankfurter Straße in Breckerfeld, wo das Gruppenbild mit donnerndem Lkw-Verkehr entsteht, die Verkehrsprobleme eines Autolandes zu kumulieren. Das Brückenchaos von der Sauerlandlinie spielt eine Rolle, der marode Zustand der Fahrbahn ist spür-, hör- und sichtbar. Die Auslastung des Landesbetriebs Straßen NRW, der es nicht einmal schafft, die tiefsten Schlaglöcher nach dem Winter wieder zuzuschütten. Die Infrastruktur (ein Blick auf einen völlig ramponierten Kreisverkehr reicht da aus) leidet ebenso wie - noch viel schlimmer - die Menschen, die hier wohnen. Dazu gesellen sich fehlende Verkehrsplaner, fehlendes Geld und steigende Kosten.
Ortsumgehung mit langer Geschichte
Dabei hat dieses Problem in Breckerfeld eine Geschichte. Eine lange Geschichte. Rainer Giesel, über Jahrzehnte hinweg Vorgänger von Zacharias und immer noch Mitglied im Rat, blickt auf die frühen 70er-Jahre zurück: „Vor 50 Jahren haben wir hier in Breckerfeld schon über eine Ortsumgehung gesprochen und uns dafür starkgemacht.“ Ohne Ergebnis.
Immer wieder sind Pläne entstanden, immer wieder haben Regierungen gewechselt, immer wieder sind Pläne in Schubladen verschwunden und es ging von vorne los. Ein sogenanntes Linienbestimmungsverfahren war immerhin 2006 abgeschlossen worden. 2018 gab es noch einmal eine fast einstimmige Resolution des Rates, gegen die nur der heute fraktionslose Einzelkämpfer Wolfgang Duchscherer gestimmt hat. Immerhin wanderte die Umgehung in der Prioritätenliste des Landes daraufhin nach oben. Verbunden mit dem Versprechen der Landesregierung, dass nun die Planungen aufgenommen würden.
Rahemdetalbrücke: Prioritäten verschoben
Daraus aber wurde nichts. Die Rahmedetalbrücke musste erst gesperrt und dann gesprengt werden. Die Prioritäten im Land hatten sich erneut verschoben.
9500 Fahrzeuge donnern - auch Dank der Brückensperrung - nun pro Tag durch den engen Ortskern von Breckerfeld. Das ist keine offizielle Zahl, sondern die, die die Smiley-Tafeln ausgespuckt haben, die die Verkehrsteilnehmer animieren sollten, sich zumindest an die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde zu halten. 546 davon sind zwischen 6,90 und 13,30 Metern lang - also größtenteils Siebeneinhalbtonner. 196 dieser Fahrzeuge sind länger als 13,30 Meter - also vor allem große Lkw, 40-Tonner.
Einer davon rauscht vorbei, als sich die Gruppe zum Foto aufstellt. Wie auf Bestellung. Aber bestellen musste den Sattelschlepper niemand.