Hagen. Sanitäter der Feuerwehr Hagen geraten bei Einsätzen an Grenzen. Als er angegriffen wird, bekommt es Peter Thiele mit der Angst zu tun.
Er ist besonnen. Ausgeglichen. Einer, der Situationen gut einordnen kann. Einer, der die richtigen Worte findet, auch wenn es einmal hektisch wird. Vermutlich hat die Feuerwehr Hagen Peter Thiele deshalb zu ihrem Sprecher gemacht. Er kommuniziert mit Medien. Mit Internetportalen, mit dem Radion, mit Fernsehsendern, mit Zeitung.
Es gab aber jenen Tag, da war Thiele, der Sprecher, sprachlos. Er, der so gern kommuniziert, kam mit Kommunikation keinen Schritt mehr weiter. Es drohte ihm, diesem friedliebenden Menschen, ein brutaler Angriff. Er drohte durch einen aufgebrachten Mob verletzt zu werden. Schwer verletzt sogar. „Mit Reden kamen wir nicht mehr weiter“, sagt Thiele heute, noch Jahre nach diesem Einsatz, „ich hatte Angst. Diese Situation werde ich nicht vergessen.“
Ungewöhnlicher Einsatzort
Notruf an Silvester: Thiele und sein Kollege wurden mit ihrem Rettungswagen zu einem Einsatz gerufen. Ein Einsatz an einem Krankenhaus, nur wenige Meter von der Wache Mitte entfernt, am Marienhospital in der Hagener Innenstadt - durchaus ungewöhnlich.
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„Als wir eingetroffen waren, haben wir gesehen, dass einer unserer Kollegen verletzt in der Zufahrt lag“, sagt Thiele. „Ein Feuerwerkskörper lag vor seinen Füßen.“ Thiele und seine Kollegen steigen aus. Doch bevor sie sich versehen, sind sie von fünf bis sechs Männern umgeben. Düstere Gestalten, kräftig gebaut.
Feuerwehrleute umringt von dunklen Gestalten
„Wir waren ja eigentlich ausgerückt, um unseren verletzten Kollegen zu versorgen“, sagt Peter Thiele, „auf einmal haben wir Rücken an Rücken gestanden, waren umringt. Es kam zu einer Rangelei, wir wurden geschubst. Wir konnten ja nicht wissen, ob einer der Männer vielleicht sogar eine Waffe bei sich hatte. Das war eine extrem angespannte Situation. Eine, die man kein zweites Mal erleben möchte.“
Dieser Übergriff, er ereignete sich in einer Zeit, bevor die Vorfälle in der Alleestraße in Hagen bundesweit für Schlagzeilen sorgten. „Dass unsere Autos mit Raketen beschossen werden - das ist ja leider schon Normalität“, sagt Thiele, „das ist allerdings kein Hagener Phänomen. So traurig das ist: In anderen Städten geschieht das ganz genau so. In Köln und Düsseldorf gibt es sogenannte No-Go-Areas, in die sich Einsatzkräfte gar nicht mehr hineintrauen. Davon sind wir hier zum Glück noch weit entfernt.“
Über die Ängste gesprochen
Im Nachhinein - sagt Thiele - habe man die Situation analysiert. „Da haben wir auch über die Ängste gesprochen“, so Peter Thiele, der von sich sagt, dass er danach nicht mit Angst zu Einsätzen gefahren sei. „Angst hemmt. Respekt vor bestimmten Situationen ist für Feuerwehrleute und Rettungssanitäter hingegen wichtig.“
Auch gerichtlich hat die Bedrohung durch die Einsatzkräfte ein Nachspiel. „Die Polizeiwache Mitte befand sich damals noch direkt um die Ecke in der Prentzelstraße“, so Thiele, „es ist gelungen, diejenigen, die uns angehen wollten, zu schnappen.“ Monate später werden die Täter vor Gericht angeklagt. Auch, weil sie durch einen Feuerwerkskörper einen Feuerwehrmann verletzt hatten. Nötigung und Körperverletzung, lautete der Vorwurf. „Die sind allerdings mit einer Geldstrafe und Sozialstunden davon gekommen“, ist Peter Thiele angesichts des Urteils noch heute ernüchtert. „Einer von ihnen hat mich sogar auf dem Parkplatz vor dem Gericht noch bedroht.“
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Immer noch im 24-Stunden-Dienst
Thiele, der Feuerwehrsprecher, fährt auch heute mit zu Einsätzen. „Zwei- bis dreimal im Monat mache ich einen 24-Stunden-Dienst“, sagt er. „Als Führungskraft zähle ich oft zu den Ersten, die an einer Einsatzstelle eintreffen. Wenn wir zu einem Feuer kommen, geht es darum, die Signale richtig zu deuten. Man blickt rational auf die Dinge. Auf solche Situationen ist man gut vorbereitet.“
Auf überraschende Angriffe, auf Bedrohungen, die Angst machen, nicht.