Hohenlimburg. Pfarrerin Tabea Esch aus Hohenlimburg musste ihren Bruder beerdigen – und tritt bald eine neue Arbeitsstelle an. Wie sie ihre Trauer bekämpft:
Für Pfarrerin Tabea Esch ist diese Zeit nicht nur deshalb emotional, weil der Abschied von ihrer Kirchengemeinde wegen einer neuen Arbeitsstelle immer näher rückt. So hat sie vor kurzem auch ihren Bruder beerdigt, der nach schwerer Krankheit verstorben war. Ein Interview über Abschied und Neuanfang – beruflich wie privat. Ein Interview über Abschied und Neuanfang – beruflich wie privat.
Wir befinden uns im November, da gedenken Kirchen den Verstorbenen. Vor kurzem ist ihr Bruder gestorben, zugleich treten Sie bald eine neue Arbeitsstelle in Volmarstein an. Das müssen sehr emotionale Tage für Sie sein...
Esch: Genau, Abschied und Neuanfang stehen nebeneinander und das ist gerade sehr aufwühlend. Normalerweise wäre ich damit beschäftigt, mich gut von den Gemeinden zu verabschieden und mich gleichzeitig auf die neue Stelle vorzubereiten. Doch über allem liegt, dass mein Bruder nicht mehr am Leben ist. Das ist hart.
Sie haben mehrere Jahre im Hospiz gearbeitet und als Pfarrerin zig Beerdigungen begleitet. Auch laden sie regelmäßig zum Trauercafé ins Gemeindehaus. Helfen ihnen Erfahrungen aus dieser Arbeit, die Trauer zu bewältigen?
Als Pfarrerin habe ich oft mit dem Tod zutun und bin mit schweren Schicksalsschlägen konfrontiert. Im Umgang damit, dass Menschen sterben müssen- auch viel zu früh - bin ich ganz gut aufgestellt, sodass es mich sehr berührt, aber nicht umwirft. Aber wenn es einen persönlich trifft, dann ist man geschockt. Dann brauche ich Menschen, die sich trauen, mich anzusprechen und zu fragen, wie es mir geht. Ich kenne mich gut aus in der Seelsorge, aber ich kann mich nicht alleine trösten.
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Sie haben die Urne ihres Bruders als Pfarrerin beigesetzt, das hatte er sich gewünscht. Woher haben Sie die Kraft dafür genommen?
Ich habe es für meine Eltern getan. Und ich habe es auch nur geschafft, weil ich in meine Rolle gegangen bin und versucht habe, in dem Moment nicht von Trauer überwältigt zu werden. Ich wusste auch, dass ich das schaffe und habe Gott um Kraft gebeten.
Bei einem Todesfall im Freundeskreis fehlen oft die Worte. Man ist unsicher, wie man Angehörige ansprechen soll. Wie lässt sich diese Sprachlosigkeit aufbrechen?
Ich kann nur empfehlen, die Hinterbliebenen anzusprechen. Einfach Anteil nehmen und sagen: „Ich denke an dich“. Viele haben mich nach dem Tod meines Bruders bei Facebook angeschrieben und meine Familie hat viel Post bekommen. Manche sagen auch: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“. Dann antworte ich: Sag genau das, statt nichts zu sagen. Das ist ehrlich. Ich finde es so wichtig, auch in schweren Situationen nicht sprachlos zu werden. Stattdessen sollte man weiter sprechen und dem Tod damit nicht so viel Macht zu geben.
Was hilft Ihnen aus der Trauer?
So schwer das ist, wir müssen weitergehen und dabei unsere Verstorbenen mitnehmen und Erinnerungen schaffen. Ich war zum Beispiel am Mittwoch in Dortmund im Stadion.
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..... zum Pokalspiel des BVB gegen Hoffenheim...
Genau. Die Dortmunder haben 1-0 gewonnen, Gott sei Dank! (lacht). Da habe ich einen Pullover meines verstorbenen Bruders angezogen. Darüber habe ich das Trikot angezogen und dann gesagt: Los geht’s.
Gibt es die eine Lösung, wie man Trauernde aufmuntern kann?
Das ist total individuell, jeder braucht etwas anderes. Ein gutes Wort ist ein Anfang. Aber wichtig finde ich auch, Fragen zu stellen wie „Was brauchst du?“ und „Was hilft dir?“ oder „Was hat dir bei ähnlichen Situationen früher geholfen?“. So können Betroffene selber anzapfen, wo sie Kräfte in sich haben. Von diesen Kräften gibt es manchmal mehr als man denkt.
Glauben Sie, dass gläubige Menschen einen Vorteil haben? Man hat ja „den lieben Gott“ und eine Hoffnung für die Zeit nach dem Tod...
Das glaube ich schon. Ehrlich gesagt wäre ich verzweifelt, wenn ich meinen Glauben nicht hätte. Zu wissen, das es ein Leben nach dem Tod gibt, egal wie das aussehen mag, das ist für mich ein riesiger Trost.
Woraus schöpfen sie Kraft für ihren beruflichen Neuanfang bei der Stiftung Volmarstein? Vielleicht aus dem Sieg des BVB gegen Hoffenheim?
Naja, am Samstag gegen Bayern München bin ich auch im Stadion, da wäre ein Sieg noch wichtiger (lacht). Nein, ich freue mich, eine neue Aufgabe zu übernehmen. Wenn man die Gelegenheit hat, sich weiterzuentwickeln und in einem neuen Arbeitsfeld neu zu beobachten, dann kann man dafür dankbar sein. Ich freue mich auch, neue Menschen kennenzulernen. Das finde ich total spannend.
Als Seelsorgerin hatten sie in den vergangenen Jahren viel zu tun. Man denke nur an die Pandemie, die Flut, den Ukraine-Krieg und die Inflation. Haben sie gemerkt, dass diese vielen Krisen die Menschen belasten?
Auf jeden Fall. Corona, die Jahrhundertflut und der Ukraine-Krieg war und ist für die Menschen sehr präsent. Da stellt sich oft die Frage, wie man mit diesen Krisen umgeht und wie man miteinander Kontakt hält und sich durch den Glauben stärken lässt. Wir hatten ein Jahr nach der Flut einen Gedenkgottesdienst. Daran nahmen auch Menschen teil, die nicht regelmäßige Kirchgänger sind, aber dachten, eine Kirche könne gerade der richtige Ort für ihre Gedanken sein. Bei diesem Gottesdienst haben Menschen von ihren Erlebnissen erzählen können. Es war sehr berührend, wie präsent die Flut war und wie gut es tat, sich in diesem Rahmen und im Kirchraum darüber auszutauschen.
Sie haben es angesprochen: Die Flut hat auch Menschen getroffen, die nicht gläubig sind. Wie können sie diese Menschen stärken?
Wenn mir jemand sagt, er glaube nicht an Gott, dann respektiere ich das. Aber wenn ich als Christin einem Menschen begegne, ihm zuhöre und einfach da bin, dann bringe ich ganz viel mit von dem, was der Glaube ausmacht. Dazu gehört auch, konkret Hilfe vor Ort zu leisten. Dann nur zu sagen, Gott wird schon alles richten, ist Quatsch. Wenn wir zum Beispiel losgezogen sind, um Menschen, die von der Flut betroffen waren, zu helfen, dann haben wir nicht nur Halt bei Gemeindemitgliedern gemacht. Wir haben an den Türen geklingelt, gefragt und unterstützt.
Ende des Jahres endet hier ihr Dienst als Pfarrerin. Was geben Sie ihren Gemeinden in Hohenlimburg und Berchum zum Abschied mit?
Diese Kirche wird nie aufhören zu existieren. Wenn ich gehe, wird die Landeskirche wieder neu auf die Pfarrstelle schauen und mit meinem Weggang kommt ein Prozess in Gang, der notwendig ist. wie können wir enger in der Region und mit anderen Professionen zusammenarbeiten? Wie können wir das, was wir verkünden, besser zu den Menschen bringen und wie das Ehrenamt noch mehr würdigen? Ohne all die Ehrenamtlichen würde es nicht gehen. Ich glaube, da kann viel Neues und Gutes entstehen. Wenn sich die Dinge ändern, liegt darin immer auch eine Chance.