Hamm/Hagen. Der bekannte Luftbildfotograf Hans Blossey nimmt die Redakteurin mit für einen Rundflug über Hagen. Außergewöhnliche Blicke auf die eigene Stadt:

„Die Seeburger Straße bis unten zum Parkplatz durchfahren, dann über die Restaurant-Terrasse und mich anbimmeln. Stehe wahrscheinlich mit meinem Flieger D-KAFM an der Tanke.“

Mit dieser ungewöhnlichen Nachricht startet für mich der Nachmittag, an dem ich in Hamm mit dem kleinen Motorsegler abheben werde, um über Hagen zu fliegen – gemeinsam mit dem Luftbildfotografen Hans Blossey, den sicherlich viele Leser aufgrund seiner spektakulären Luftaufnahmen von diversen Städten kennen dürften. Auch viele Besucher des Restaurants neben dem Flugplatz kennen den Mann mit dem unverwechselbaren Schnauzbart und seiner Fliegermütze. „Hänschen“, sagen sie liebevoll mit einem Zwinkern. Und, dass er vorsichtig fliegen soll.

+++ Die Fotos zum Text: Hagen aus der Luft – spektakuläre Blicke auf die Stadt +++

„Das hat meine Mutter auch immer gesagt – flieg nicht zu hoch; und nicht zu weit“, sagt Hans Blossey und lacht. Er hat den Motorsegler, eine „Dimona H36“ mit 16 Metern Spannweite, schon für den Flug vorbereitet. „Ich habe sie damals einem Pastor aus Bamberg abgekauft und fliege schon seit 35 Jahren mit ihr“, sagt Blossey. Der Flieger steht schon auf dem Platz, aufgetankt, abflugbereit. 720 Kilogramm schwer, inklusive Passagiere und Sprit, ist seine Dimona. Zwei Sitzplätze gibt es im kleinen Cockpit, eine kleine Ablage für Gepäck, wo ein Köfferchen mit Kameras verstaut ist, die der 71-Jährige braucht, um seine Aufnahmen aus dem Seitenfenster des Fliegers zu machen. Eine 360-Grad-Kamera ist vorne am linken Flügel festgeschraubt. Sie filmt den Flug mit.

Den Motorsegler „Dimona H36“ hat Hans Blossey vor vielen Jahren einem Pastor abgekauft.
Den Motorsegler „Dimona H36“ hat Hans Blossey vor vielen Jahren einem Pastor abgekauft. © WP | Laura Handke

Blossey hatte damals, als WAZ-Hauptfotograf, über zehn Jahre lang etliche Prominente oder Persönlichkeiten wie Heidi Klum oder den Dalai Lama vor der Linse. Seit vielen, vielen Jahren aber ist es die Luftbildfotografie, die ihn fesselt und begeistert. Jeder Flug ist anders. Die Motive sind immer anders, je nach Lichteinfall, Wetter, Jahreszeit…

Foto-Termin endet im Flugzeug

Die Leidenschaft fürs Fliegen, die hat Hans Blossey vor etlichen Jahren zufällig bei einem Redaktionstermin entdeckt (übrigens genau wie die Liebe zu seiner Frau). Damals fotografierte er noch für die schreibende Zunft im lokalen Bereich. „Eigentlich war es ein unspektakulärer Termin – ich sollte das Seniorenfliegen fotografisch begleiten“, erinnert er sich. Kurz später saß er selbst für Flugstunden im Flieger und machte für 6500 D-Mark seinen Flugschein. 1981 war das. Es folgte der Segler-Flugschein, er flog später auch Wettbewerbe, „mehr oder minder erfolgreich – ich stand nie auf dem Treppchen“, sagt er und lacht.

Heute gibt es eine „Sky-Map-App“, damals flog man noch ohne „Navi“ nur mit Schnapskompass und Karten. Einmal habe er nach Paris fliegen wollen, landete aber irgendwo in Belgien neben einem Wasserschloss, erzählt er vor dem Start. Er hatte kein Telefon, musste die Rückholer anrufen, die des Nachts im Örtchen eintrafen, in dem Hans Blossey sich längst mit den Dorfbewohnern angefreundet und ausreichend Rotwein auf die spektakuläre Landung getrunken hatte, sodass er die ganze Rückfahrt über schlief.

Im Cockpit ist Platz für zwei Personen. Vorne ist ein Tablet angebracht, das auch als Navi dient.
Im Cockpit ist Platz für zwei Personen. Vorne ist ein Tablet angebracht, das auch als Navi dient. © WP | Laura Handke

Zurück auf die Startbahn, auf der wir mit dem 80-PS-starken Flieger abheben werden. „Am schwierigsten ist das Einparken und Rangieren vor der Tankstelle, nicht etwa Start und Landung“, sagt Blossey schmunzelnd und schaltet den Motor an. Er lenkt den Flieger, der es auf maximal 3000 Meter Höhe schafft, mit zwei Pedalen im Fußraum. Auch im Fußraum der Reporterin gibt es die Pedalen und eine Art „Joystick“ zum Lenken. „Das Wichtigste ist: Man muss aufpassen, dass man nicht ohne Freigabe in die Kontrollzonen – beispielsweise die des Dortmunder Flughafens fliegt. Man muss den Himmel immer im Blick haben und darf nie leichtsinnig werden. Echte Fehler werden nicht verziehen“, erklärt Blossey die zahlreichen farbigen Linien auf dem kleinen Tablet, auf dem auch andere Flugzeuge zu sehen sind.

Auf einer Karte sind alle Kontrollzonen und Einflugrouten markiert, die es zu beachten gilt.
Auf einer Karte sind alle Kontrollzonen und Einflugrouten markiert, die es zu beachten gilt. © Hans Blossey

15 Minuten Flugzeit bis Hagen

Wir starten von der Startbahn 06 um 16.47 Uhr. Die Startzeit schreibt Hans Blossey, der gebürtig aus Essen stammt, aber seit vielen Jahren mit seiner Frau in Hamm (zehn Minuten vom Flugplatz entfernt) lebt, sich mit einem Kuli auf die Hand – er muss sie später ins Flugbuch eintragen. Er geht auf 5000 Stunden Flugzeit als „Pilot in Command“ zu. Er darf bis zu 150 Meter tief über offenem Gelände fliegen, 300 Meter über den Städten. Er fliegt normalerweise ein bis zweimal pro Woche auf Fototouren los. „Wir verbrauchen beim Fotoflug 7 Liter pro Stunde und könnten ohne Probleme bis zu fünf Stunden oder mehr durchfliegen“, erklärt der Luftbildfotograf.

Der Flieger steigt etwas ruckelig in der Thermik hoch auf 1700 Fuß. Es eröffnet sich ein Blick bis weit ins Sauerland. Flugzeit von Hamm nach Hagen: etwa 15 Minuten, die – Vorsicht: Wortspiel – umgehen wie im Flug.

Besondere Ausblicke über die Stadt

Der erste Foto-Stopp ist am Steinbruch Donnerkuhle. Es geht darum, zu zeigen, wie nah der Steinbruch bereits an das Wohngebiet rückt – es könnte bald noch näher sein. Blossey fotografiert aus dem geöffneten Seitenfenster. Es geht in steilen Kurven mit Dimona um den Steinbruch, bis das perfekte Bild im Kasten ist. Auf einem Flug entstehen bis zu 5000 Bilder, die alle später gesichtet und sortiert werden müssen.

Teile der Stadt sind eingetaucht in das warme Nachmittagssonnenlicht, andere liegen schon im Schatten. Für den Flugnachmittag haben wir uns viele Stationen vorgenommen, über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Zum Beispiel das Freibad Henkhausen, oder die alte Schraubenfabrik, die umgebaut werden soll; die Neubaugebiete in Emst/Eppenhausen am Marktplatz und an der Gehre; den Berliner Platz; die Hochbrücke in Altenhagen; die Beachclub-Baustelle am Hengsteysee; die Fußgängerzone oder die Prioreier Straße hoch Richtung Breckerfeld sowie einige Hagener Schulen, Turnhallen oder Windrad-Baustellen.

Auch über die Beachclub-Baustelle ist der Luftbildfotograf geflogen.
Auch über die Beachclub-Baustelle ist der Luftbildfotograf geflogen. © Hans Blossey

Hagen aus der Luft ist etwas anderes. Man könnte 100 Mal am Haus vorbeigelaufen sein und es aus der Luft so schnell doch nicht erkennen. Die Aussicht – der Wahnsinn. Aber man kann auch viel leichter die Orientierung verlieren (darin bin ich ohnehin nicht so gut), wenn man es gewohnt ist, für eine Fahrt mit dem Auto von Mitte bis Haspe gut 20 Minuten zu brauchen. Mit dem Flieger sind es nicht einmal fünf. Orientieren kann man sich am besten an bekannten Marken. Das klappt bei der Co-Pilotin ganz gut, bei Hans Blossey besser. Er kennt sich aus, hat alle Punkte vorher auf Luftkarten markiert, die er mit dabei hat.

Flieger muss zurück in die Garage

Gut zwei Stunden ziehen wir unsere Kreise über Hagen, bevor alle Motive geknipst sind und es zurück Richtung Hamm geht – samt Schwenker über das BVB-Stadion. Am Horizont ist die Landebahn zu sehen. „Die Landung ist schwieriger und anspruchsvoller als der Start“, sagt Blossey. „Man muss den Flieger auf einer geraden Bahn halten.“ Von der Landung merkt man nichts, so sanft kommt Dimona auf den Boden. Applaus von der Reporterin, wie im richtigen Flugzeug.

Der Signal Iduna Park aus der Luft.
Der Signal Iduna Park aus der Luft. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Beim Aussteigen ist mir schwummerig. Mein Magen hat den Flug überraschend gut verkraftet. Die Ohren fühlen sich von den Kopfhörern etwas taub an. Aber ich habe ein Grinsen im Gesicht. Der Flug über Hagen – ein tolles Erlebnis. Etwas Außergewöhnliches. So außergewöhnlich wie der Mann, der seine Dimona wöchentlich über das Ruhrgebiet und die Welt steuert.

Übrigens: Nach dem Fliegen endet der Besuch nicht einfach so. Der Flieger muss zurück in die Garage. Dazu klappen wir – kein Scherz – die Flügel ein und schieben ihn rückwärts durch das Tor in eine kleine Lücke zwischen anderen Fliegern. Um 19.55 Uhr ist der Termin vorbei. Und für beide Reporter startet, wenn auch anders, die Nacharbeit.

„Hallo Laura, war ein schöner Flug. 1424 Bilder von Hagen. Mal schauen, was die Auswahl zeigt.