Hagen. Am zweiten Verhandlungstag in Hagen wurde ausführlich erörtert, wie der Kauf des ehemaligen Gymnasiums Garenfeld vonstatten ging.
Der Verkauf des ehemaligen Internats Garenfeld und die alles entscheidende Frage: Stammen die 915.000 Euro, die im Februar 2021 für den Erwerb des Schulgebäudes samt Grundstück gezahlt wurden, aus zahlreichen Straftaten, insbesondere Betrügereien im In- und Ausland?
Am zweiten Tag des Einziehungsverfahrens vor dem Landgericht Hagen fehlte überraschend der junge Mann (heute 23), der den Kaufpreis so locker auf den Tisch geblättert hatte. Das könnte für ihn noch Konsequenzen haben, kündigte der Vorsitzende Richter Andreas Behrens an.
Zwar konnte auch ohne den sogenannten „Einziehungsbeteiligten“ verhandelt werden, da dieser anwaltlich vertreten war. Die Wirtschaftsstrafkammer hatte aber ausdrücklich das persönliche Erscheinen des Immobilienkäufers angeordnet. Als Entschuldigung für sein Fernbleiben hatte der 23-Jährige über seinen Anwalt mitteilen lassen, er müsse seinen schwer erkrankten Vater (52) in Polen besuchen. Der Senior gilt für die Staatsanwaltschaft als eigentlicher Drahtzieher des Garenfelder Immobiliengeschäfts, er soll den Sohn als Käufer nur vorgeschoben haben.
Ärztliches Attest in polnischer Sprache
Dem Gericht wurde ein ärztliches Attest in polnischer Sprache vorgelegt. Darin wird bescheinigt, dass der 52-Jährige einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung erlitten habe und sich nicht mehr selbstständig bewegen könne. Allerdings ereignete sich dieser Vorfall bereits im Mai, also vor drei Monaten. Warum der Sohn während des laufenden Verfahrens jetzt dringend nach Polen reisen muss, um den Kranken zu besuchen, bleibt sein Geheimnis.
Als Zeuge erschien der Steuerberater (27), der für die Dr. Hille-Stiftung den Verkauf des ehemaligen Internats abwickelte: „Wir haben vier Jahre lang vergeblich nach einem neuen Käufer gesucht.“ Auch ein Makler wurde eingeschaltet, mehrere Interessenten meldeten sich, die in dem früheren Schulgebäude ein Altenheim oder ein Gesundheitszentrum errichten wollten. Doch die sprangen schnell wieder ab.
Schließlich wurde sogar ein Auktionshaus mit der Versteigerung der Immobilie und des Grundstücks beauftragt. Das wurde aber wieder zurückgezogen, so dass die Stiftung, die ohnehin kurz vor der Insolvenz stand, noch 50.000 Euro als Ablösegebühr an das Auktionshaus zahlen sollte.
Wie ein Wink des Himmels
In dieser schwierigen Situation kam der Anruf eines Garenfelder Landwirts wie ein Wink des Himmels: Er habe einen Freund, erklärte der Landwirt dem Steuerberater am Telefon, der sich für den Kauf der Immobilie interessiere.
Dann wurde der Hörer weitergereicht. Der Vater des späteren Käufers meldete sich, allerdings, wie sich erst im Nachhinein herausstellte, unter falschem Namen. In der Folgezeit habe er sich mehrmals mit dem Interessenten und dessen Sohn getroffen. Beide hätten große Pläne gehabt und wollten die alten Klassenräume zu Luxuswohnungen umbauen. Dafür hatten die Kaufinteressenten bereits eine Bauvoranfrage beim Bauamt gestellt: „Aber unter welchem Namen, weiß ich nicht“, zuckte der Steuerberater der Hille-Stiftung ahnungslos mit den Schultern.
Aber so viel weiß er: „Die geplanten 40 Wohneinheiten wären dort nicht genehmigt worden, weil zu viel Autoverkehr entstanden wäre. Das hat das Bauamt abgelehnt. Aber 15 bis 20 Wohnungen wären möglich gewesen.“ Er habe schon Zweifel gehabt, ob die beiden Kaufinteressenten liquide genug seien. Da habe er aber noch nicht gewusst, dass die beiden Männer aus einer Großfamilie unter falschem Namen agierten.
Zweifel wurden schnell zerstreut
Berechtigte Zweifel wurden schnell zerstreut: „Wir haben das Geld, kein Problem“, versicherten Vater und Sohn, gingen zu ihrer schwarzen Mercedes-Limousine mit Schweizer Kennzeichen und wedelten mit einem Kontoauszug der Postbank. Der wies ein stattliches Vermögen aus.
Am 19. Februar 2021 wurden zunächst 50.000 Euro zur Bezahlung des Auktionshauses an die Hille-Stiftung überwiesen. Am 19. Mai 2021 flossen 400.000 Euro, am 4. Juni weitere 450.000 Euro und am 8. Juni 2021 die restlichen 15.000 Euro. Damit war der Verkauf besiegelt.
Offizieller Käufer war der damals 21-jährige Sohn, sein rühriger Vater, der heute in Polen ans Krankenbett gefesselt ist, hatte zuvor noch angefragt, „ob man nicht nebenbei etwas in bar machen könnte, um Steuern zu sparen“, berichtet der ehrliche Steuerberater der Hille-Stiftung. „Aber das Thema war illegal und deshalb für mich schnell vom Tisch.“