Garenfeld. 2017 haben die letzten Schüler am Gymnasium Garenfeld ihr Abitur abgelegt. Dann wurde das Gebäude verschlossen. Wie sieht es dort heute aus?
Es ist bitterkalt im Gymnasium Garenfeld, und das durchdringende Piepen der Rauchmelder, das durch die Flure und Zimmer schwappt, verstärkt noch diesen Eindruck von Trostlosigkeit und Verlassenheit. In der Aula hat jemand eine leere Bierflasche auf einem vergessenen Tisch zurückgelassen. Auf der Fensterbank des Stifterzimmers, in dem Hermann Hille jahrzehntelang residiert hat, liegen hunderte toter Stubenfliegen. Das Gymnasium Garenfeld ist ein lost place, ein vergessener Ort. Aber das Lehrerkollegium der 80er-Jahre lächelt in der Mensa fröhlich von einem Plakat an der Wand.
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Lars-Nicklas Sondermann, Vorstand der „Dr. Hermann und Katharina Hille Stiftung“, die Trägerin des Gymnasiums war und der die 18.500 Quadratmeter große Immobilie nach wie vor gehört, hat die Eingangspforte für uns geöffnet und führt uns durch das Haus. Es ist so krass, diesen verlassenen Ort zu durchstreifen wie ein Jäger auf der Suche nach einer verlorenen Vergangenheit, die Wandarbeiten aus dem Religionsunterricht mit den Zitaten der Propheten Jesaja und Jeremias, die Visitenkarten im Direktorenzimmer des letzten Schulleiters Hans-Werner Schmitz, die Stundenpläne in den Rahmen neben den Türen. Eine untergegangene Welt.
Internatsbetrieb 2010 eingestellt
Noch vor zweieinhalb Jahren haben hier Stimmen durch die Flure gehallt, haben Schüler gelacht, gelernt und wohl auch geflirtet, sind Abiturprüfungen geschrieben worden. Oder liegen die Kreide und der Schwamm etwa zur Wiederbenutzung vor der Tafel, ist das Gymnasium nur in einen langen Schlaf versunken wie Dornröschens Schloss, werden gleich wieder Kinder und Lehrer hereinkommen und den Unterricht fortsetzen wie der Koch, der dem Jungen nach hundertjährigem Schlaf eine Ohrfeige gab, dass er schrie?
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Aber nein, wir befinden uns ja nicht in einem Märchen, die Geschichte des Gymnasiums Garenfeld ist endgültig passé. Sinkende Schülerzahlen und damit einhergehende finanzielle Schwierigkeiten hatten die Privatschule an den Abgrund gebracht. Der Internatsbetrieb war bereits 2010 eingestellt worden, im Schuljahr 2016/17 wurde die Schule nur noch von 121 Jungen und Mädchen besucht, schließlich zogen die Verantwortlichen die Notbremse und kündigten mit Ablauf des Schuljahres die Schließung an. 17 junge Leute waren im Juli 2017 die letzten Abiturienten nach 110 Jahren Schulgeschichte.
Investor ist abgesprungen
Seitdem steht das riesige Gebäude leer. Die Villa an der Einfahrt, in der bis zu ihrem Tode 2011 die würdige Katharina Hille lebte, ist von einem Dortmunder Chirurgen erworben worden, der sie renovieren und einzäunen will. In der Hausmeisterwohnung lebt eine ehemalige Küchenhilfe mit ihrem Lebensgefährten – die beste Gewähr gegen Vandalismus und Einbrecher. Was aber geschieht mit dem Haupthaus? Ein Investor, der 40 Wohnungen einrichten wollte, sei abgesprungen, weil die Stadt Hagen ihr Veto eingelegt habe, berichtet Lars-Nicklas Sondermann: „Immerhin funktionieren Strom, Heizung und Wasser tadellos.“
Bei der Stadt wiederum mag man sich nicht festlegen. Was im Rahmen des geltenden Baurechtes zulässig sei, könne nicht pauschal beantwortet werden, sondern müsse im Einzelfall geprüft werden, heißt es aus dem Rathaus. Eine Kita, eine Schule, Wohnungen oder Gewerbebetriebe seien zwar grundsätzlich möglich, aber nicht in jeder beliebigen Form und Größe.
Das verlassene Gymnasium Garenfeld
Verhaftet in der Vergangenheit
Ein großer Teil des Inventars wurde im März 2018 auf einem Trödelmarkt verkauft. Was geblieben ist, sind die Fotos, die von einer fröhlichen Zeit künden, die Lehrbücher und Akten, die keiner kaufen wollte, das alte Cembalo im Stifterzimmer, die toten Fliegen.
Anfänge der Schule reichen bis 1907 zurück
Seit den Anfängen der Schule im Jahr 1907 befand sich das frühere Landschulheim Höfinghoff stets im Familienbesitz. Ab 1928 war Dr. Hermann Hille Schulleiter und Eigentümer der Schule. Mit seinem Tod 1985 ging die Verantwortung und Trägerschaft auf seine Frau Katharina Hille über.
Noch zu Lebzeiten gründete Frau Hille im Jahr 2010 die Dr. Hermann und Katharina Hille Stiftung, in welche sie ihre finanziellen Mittel und die vorhandenen Immobilien einbrachte, um auch über ihren Tod hinaus den Fortbestand des Gymnasiums sicherzustellen.
Seit ihrem Tod 2011 sind ein Kuratorium sowie ein Vorstand verantwortlich. Würde die Stiftung aufgelöst, fiele ihr Vermögen an die SOS-Kinderdörfer.
Und der Blick fällt auf eine Urkunde aus den 60er-Jahren, die andeutet, dass die Schule vielleicht zu sehr in einer glorreichen Vergangenheit verhaftet war und zu spät modernisiert worden ist. Beim Bannerwettkampf, heißt es da, hat das Gymnasium Garenfeld den 30. Platz belegt.
Offenbar hat diese Urkunde bis zuletzt ihren Platz behauptet.