Hagen. Anfang des Monats eröffnete die erste Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Innenstadt von Hagen. Warum Mitgefühl zum Beruf gehört.
Schöne weiße Wände, ein breiter, heller Flur und ein leichter Duft nach frisch gestrichenen Wänden: Die neue Kinder- und Jugendpsychiatrie- und -psychotherapie (KJPP) Praxis um Ärztin Dr. med. Martina Hartisch hat seit Anfang des Monats in der Schürmannstraße 4 geöffnet – und ist damit die einzige Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in der Hagener Innenstadt.
„Es gibt keinen einzigen Kinder- und Jugendpsychiater im Zentrum, obwohl die Stadt Hagen so groß ist. Ich habe Kollegen in Hohenlimburg, Herdecke und Witten, aber nicht in der Stadtmitte“, erklärt Dr. Hartisch den Bedarf, der in der Hagener Innenstadt unweigerlich besteht.
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Erfreulicher Start
Über ein Jahrzehnt arbeitete Dr. Martina Hartisch in der KJPP Lüdenscheid, war seit 2012 dort auch als leitende Oberärztin aktiv. „Dann habe ich entschieden, mich niederzulassen.“ Dafür habe sie sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung um den Standort Hagen bewerben müssen, so Dr. Hartisch. Der Standort wurde ihr im April 2023 bewilligt. Seit dem 01. Juni ist die Praxis nun geöffnet und bereit Patienten zu empfangen. „Ich habe mich darauf gefreut, dass es jetzt endlich los geht“, lächelt Dr. Hartisch.
„Wir behandeln Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 18, maximal bis 21 Jahre, mit allen Störungsbildern, die es gibt“, fasst Dr. Hartisch die Arbeit kurz und knapp zusammen. Also jegliche Art von Entwicklungsstörungen, Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen und Psychosen sind unter anderem Krankheitsbilder, mit denen sich die Ärztin beschäftigt.
Auf die Fachrichtung sei sie damals durch einen Kollegen aufmerksam geworden: „Es hat mich an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen begeistert, dass man die Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder verbessern kann. Dann geht man auch mit einem guten Gefühl nach Hause“, erinnert sie sich.
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Viel Vertrauen
Um Kinder und Jugendliche behandeln zu können, versuche sie immer ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen, erklärt sie. „Am Anfang mache ich die Gespräche auch immer mit der Familie oder den Bezugspersonen der Kinder zusammen, damit sie sich sicher fühlen.“ Und dann versuchen sie das Problem zu verstehen und eine Lösung dafür zu entwickeln. „Wie kann man die Kinder unterstützen und die Beziehung für die Kinder stabilisieren?“, sind unter anderem Fragen, die Dr. Hartisch zu beantworten versucht. Dafür müsse sie auch auf das Umfeld der Patienten achten und es beurteilen, erklärt sie, also die Schule, Hobbys und Freizeit und natürlich auch die Bezugspersonen. „Einige der Kinder leben oft nicht mehr Zuhause und haben wenig Kontakt zu ihren Familien und nicht immer sind die Eltern die Bezugspersonen der Kinder.“
Dr. Hartisch ist auch besonders in der Traumatherapie und Tiefenpsychologie ausgebildet. „Ich richte mich nach dem Patienten“, beschreibt sie ihre Behandlungsweisen, „danach, worauf sich die Patienten einlassen können.“ Bei jüngeren Kindern versuche sie auch oft durch Spiele, die Szenen zu verstehen, die sie beschäftigen, erklärt sie die Ansammlung an Spielzeug, die in den Behandlungsräumen zu finden sind.
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Mitfühlen gehört zum Beruf
„Ich fühle natürlich mit. Das ist ein wesentlicher Teil der Arbeit“, lässt sie das Schicksal ihrer Patienten nicht kalt. Doch dafür sei sie auch da: „Dass wir gemeinsam die Grenzen der Veränderung akzeptieren und die schlechten Dinge und Schicksale gemeinsam aushalten.“ Und sie freut sich die Patienten mit ihrer Arbeit behandeln und neue Perspektiven schaffen zu können. „Das tut gut. Ich bin auch froh über jede Familie, die sich traut, zu uns zu kommen. Der Gang zum Kinderpsychiater ist ja leider oft noch schambehaftet.“
Doch auch Dr. Hartisch ist die Nähre zu ihren anderen Kollegen wichtig: „Der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen und weiteren Helfersystemen hat für mich einen besonderen Stellenwert, um gemeinsame Lösungsstrategien zu entwickeln, braucht man ein gutes Netzwerk. Der kollegiale Austausch dient auch der Qualitätssicherung.“
Alleine in der Innenstadt
„Ich denke, dass der Bedarf hier sehr groß sein wird“, schätzt die Ärztin, „es gibt nicht so viele von uns. Wir sind eine eher kleine Ärztegruppe.“ Und dass der Bedarf hoch ist, zeigt sich auch: Direkt am ersten Tag haben sie schon Patienten besucht. „Wir haben hier auch jeden Tag Neuvorstellungen und das, ohne groß Werbung gemacht zu haben.“
Der Feinschliff
Die wichtigsten Sachen sind bereits in der Praxis, jetzt fehle nur noch der „Feinschliff“, freut sich Dr. Hartisch. Die Rezeption sei bereits gut besetzt. „Das war mir ganz wichtig, dass das Team mich unterstützen kann“, so die Ärztin. Für das multiprofessionelle Behandlungsteam, das sie anstrebt und das sich aus Heilpädagogen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Psychologen zusammensetzt, suche sie gerade noch Mitarbeiter, die sie in der Diagnostik und Behandlung unterstützen können.
In Zukunft möchte Dr. Hartisch ihre Praxis auch nutzen, um angehende Fachärzte und Kinder- und Jugendpsychotherapeuten auszubilden, worin sie auch durch ihre langjährige Klinikarbeit viel Erfahrung mitbringe, wie sie erklärt. „Jetzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit den Kinderärzten und weiteren Kollegen“, hat sie Spaß an ihrem Job.
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