Hagen. „Hier auf dem Platz wird man akzeptiert wie man ist“. Ein Gespräch mit Bedürftigen am Arztmobil in Hagen zeigt, wie wichtig diese Arbeit ist:
Hans ist gestürzt, als er vom Frühstück aus Luthers Waschsalon kam, „ich war wackelig auf den Beinen, bin gestolpert“, sagt der 72-Jährige. Als er humpelnd am Bodelschwinghplatz, auf dem am Vormittag das Arztmobil der Diakonie steht, ankommt, ist er geschwächt, wirkt fertig.
Strümpfe ohne stramme Gummis
„Atmen Sie erstmal durch, dann schauen wir uns in Ruhe ihr Knie an“, sagt Krankenschwester Ulrike Schneider. Hans hat Wunden am Knie und geschwollene Beine. „Das sind Wasseransammlungen“, sagt Ulrike Schneider. Die Wunden werden gesäubert, desinfiziert, verbunden. „Kommen Sie morgen am besten wieder zu Luthers Waschsalon. Dort bekommen Sie aus der Kleiderkammer Strümpfe ohne stramme Gummis, okay.“ Hans nickt, lächelt die Krankenschwester dankbar an. „Ich kenne hier jeden, nicht vom Namen, aber vom Gesicht her. Ich komme hier oft hin, irgendwas tut immer weh“, sagt der 72-Jährige, der gesundheitlich arg angeschlagen ist.
Häufig falsche Lebensweise
Donnerstagvormittag in Hagen-Wehringhausen: Das Arztmobil, ein ausrangierter Rettungswagen, ist vorgefahren. Für etwa eine Stunde sind Dr. Günther Endt-Knauer, Krankenschwester Ulrike Schneider und Fahrer Horst Finck vor Ort, um Obdachlosen und bedürftigen Menschen zu helfen. „Viele, die herkommen, haben aufgrund ihrer falschen Lebensweise Magenprobleme. Viele klagen gerade jetzt in der nass-kalten Jahreszeit über Rückenprobleme, einige Drogenabhängige haben durch Spritzeninjektionen Abszesse an Armen und Beinen“, sagt Dr. Günther Endt-Knauer.
Der Allgemeinmediziner hat vor einigen Jahren seine Praxis in Altenhagen aufgegeben und engagiert sich seitdem ehrenamtlich bei der Diakonie.
Direkte und kostenlose Hilfe
Am Arztmobil wird nicht gefragt, wo Verletzungen herstammen oder warum der stark Hustende nicht endlich mit dem Rauchen aufhört – hier wird direkt und kostenlos geholfen.
Wie Andi. Der 49-Jährige erzählt, dass er sein Leben jetzt ganz gut im Griff hat, „ich nehme Ersatzdrogen, aber Hauptsache keine echten Drogen mehr wie früher“. Seine Netzhaut im rechten Auge ist kaputt, „hier bekomme ich Salbe und ab und zu Pflaster, wenn ich mich irgendwo verletzt habe“.
Sein Kumpel Musa ist ebenfalls froh, dass heute Donnerstag ist und er sich Tabletten gegen seine Magenschmerzen geben lassen kann. „Speiseröhre und Magen sind kaputt, früher hab’ ich Drogen genommen, aber davon bin ich weg. Aber ich rauche und trinke noch immer zu viel. Ich weiß, dass das nicht gut ist. Aber was soll ich machen?“, sagt Musa traurig.
Der 60-jährige Marokkaner lebt seit 1974 in Hagen, „ich gehöre zur Gastarbeiter-Generation. Das war früher hier eine schöne Zeit“, beteuert Musa, der seine Frau und seine zwei Kinder, die noch immer in Marokko leben, nur selten sieht. Musa tauscht sich mit dem Team am Arztmobil aus, „alle wissen hier, dass ich Musa heiße und was ich für Probleme habe. Ich komme oft hierher, ich fühl’ mich hier wohler als beim Arzt. Ärzte in einer Praxis sind meist strenger. Hier auf dem Platz wird man akzeptiert, so wie man ist.“
Schmerztabletten und Salben dringend benötigt
Das Arztmobil ist funktional ausgestattet – mit Liege, Blutdruckmessgerät, Medikamentenschränken, Verbandsmaterial. „Wir brauchen dringend neue Medikamente“, sagt Ilona Ladwig-Henning, die Luthers Waschsalon leitet und somit auch für das Arztmobil zuständig ist. „Wir benötigen Schmerztabletten wie Ibuprofen oder Paracetamol, außerdem Tabletten gegen Magenprobleme, Erkältungsmedikamente und Salben wie Panthenol oder Voltaren“, konkretisiert Ilona Ladwig-Henning.
Neuer Zahnarzt wird gesucht
Was ihr noch am Herzen liegt? „Wir suchen händeringend einen neuen Zahnarzt.“ Zum Hintergrund: In Luthers Waschsalon in der Körnerstraße 75 ist auch eine zahnmedizinische Ambulanz angegliedert. Ehrenamtliche Zahnärzte und Helferinnen kümmern sich montags und donnerstags von 9 bis 11 Uhr um die Patienten. Bislang haben sich zwei Zahnärzte im Wechsel um die zahnmedizinische Basisversorgung der Bedürftigen gekümmert. „Einer von ihnen wird in Kürze 84 und hat daher aus verständlichen Gründen die ehrenamtliche Arbeit eingestellt“, sagt die Leiterin von Luthers Waschsalon.
Und weiter: „Die Stelle ist nun unbesetzt und wir hoffen, dass sich eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt – zum Beispiel in Rente – schnellstmöglich findet, der bei uns in der zahnmedizinischen Ambulanz einsteigt.“
Wie man die Weihnachtsaktion zugunsten Luthers Waschsalon unterstützen kann:
Wer die diesjährige Benefiz-Aktion der Westfalenpost unterstützen möchte, hier die Infos zu unserem eingerichteten Spendenkonto: Empfänger: WP-Weihnachtsaktion,Verwendungszweck: Waschsalon, Spendenkonto: DE 71 450 500 010 100 180 000.
Wichtig: Spender, die eine Quittung erhalten möchten, müssen unbedingt ihre Adresse und das Stichwort „WP-Weihnachtsaktion“ auf dem Überweisungsträger vermerken.