Hagen. Das Pflegepersonal arbeitet an der Belastungsgrenze, Notaufnahmen können teilweise nicht angefahren werden. Im AKH ist es besonders angespannt:

Der Personalmangel in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) am Agaplesion Allgemeinen Krankenhaus Hagen (AKH) treibt Mitarbeiter an ihre Belastungsgrenze und sorgt für lange Wartezeiten für Patienten. „Seitdem die Fusion bekannt geworden ist, sind die Patientenzahlen deutlich gestiegen. Wir haben durch die Zusammenlegung mit dem Johannes-Hospital zwar zusätzliches Personal bekommen – allerdings haben viele Pflegekräfte aufgrund der Belastung ihre Stunden reduziert und zuletzt mehrere Ärzte das Krankenhaus verlassen“, erzählt ein Mitarbeiter.

Ein Spannungsfeld, in dem es sich offenbar nur schwierig arbeiten lässt: „Die Lage ist prekär“, schildert ein weiterer Mitarbeiter im Gespräch. „Wir sind noch nicht für ein solches Patientenaufkommen ausgelegt, weder personell noch räumlich. Hinzu kommt, dass einige Patienten, die nicht zwangsweise in die ZNA müssten, das System Notaufnahme ,verstopfen’.“

Neben dem AKH gibt es aber auch an den anderen Krankenhäusern (auch das Josefs-Hospital sowie das Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe verfügen über eine Notaufnahme) Probleme – auch dort hat das Patientenaufkommen durch den Wegfall in Boele zugenommen, und die Häuser geraten immer wieder an ihre Kapazitätsgrenzen. Das führt dazu, dass sie teilweise vom Rettungsdienst nicht mehr angefahren werden können – im Notfall aber müssen. Das AKH ist in dieser Situation in besonderem Maße betroffen, weil es in Hagen immer noch als zentralste und oft erste Anlaufstelle gilt.

Die Notaufnahme am AKH gilt in Hagen oft als zentralste und erste Anlaufstelle.
Die Notaufnahme am AKH gilt in Hagen oft als zentralste und erste Anlaufstelle. © WP | Michael Kleinrensing

Über Stunden kein Arzt erreichbar

Ein internes AKH-Dokument (liegt der Redaktion vor) zeigt, welche Auswirkungen die personelle Unterbesetzung im Alltag haben kann: Dort wird der Ablauf einer Patientenbehandlung nach einer Reanimation dokumentiert. Nach diversen Behandlungsschritten habe ein Internist den Patienten übernehmen sollen – „sich aufgrund der hohen Patientenanzahl aber nicht adäquat kümmern“ können, heißt es. Letztlich hätten Medikamente von Pflegekräften ohne Rücksprache verabreicht werden müssen, da der Arzt nicht erreichbar gewesen sei. Dieser Fall zeige beispielhaft „wie sehr mittlerweile die Patienten durch den Personalmangel, sowohl ärztlicherseits, als auch pflegerisch, akut gefährdet werden“, heißt es in dem Schreiben. Man könne „überlastungsbedingte Fehler“ nicht mehr ausschließen. Auch gesetzlich vorgeschriebene Pausen könnten nicht mehr eingehalten werden.

AKH will auf Honorarkräfte setzen

Das AKH selbst kann einen pflegerischen Personalmangel nicht bestätigen, „allerdings hatten wir in der letzten Zeit vermehrt mit Krankheitsfällen im ZNA-Team zu kämpfen. Im ärztlichen Dienst sehen wir uns im Moment gezwungen, auch mit Honorarkräften zu arbeiten“, sagt Sprecherin Sarah Leising. „Wir wissen, dass die Belastung in der ZNA für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immens ist. Die Probleme sind uns bekannt und werden unter enger Beteiligung der Betroffenen bearbeitet. Auch stehen wir im engen Austausch mit dem Gesundheitsamt und der Feuerwehr, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Die Sicherheit unserer Patienten ist ausdrücklich nicht gefährdet.“ Das ZNA-Team nutze das bewährte Manchester-Triage-System, mit dem es Krankheitsfälle je nach Schweregrad einschätze. Jeder Schweregrad sei an eine Wartezeit geknüpft. Dieses System greife auch bei erhöhtem Patientenaufkommen.

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Der AKH-Mitarbeiter kritisiert mit Blick auf das System: „Wenn Notfälle reinkommen, bindet das massiv Personal, das dann an anderen Stellen für die Behandlung von Patienten fehlt. Es kommt aufgrund der Wartezeiten auch immer wieder zu unschönen Diskussionen.“ Sogar zu tätlichen Angriffen auf das Pflegepersonal sei es schon gekommen. Die vorhandenen Kräfte täten natürlich weiterhin und jeden Tag ihr Bestes, um eine gute Versorgung sicherzustellen. „Wir möchten aber auch um Verständnis werben, wenn es mal nicht so schnell geht, wie man sich das wünscht. Ein gebrochener Arm hat im Zweifel keine Priorität.“

Im Grunde, das ist beiden Mitarbeitern wichtig, bezweifle man die Fusion und ihre Sinnhaftigkeit nicht – „wir befürworten sie ausdrücklich.“ Allerdings seien die aktuellen Rahmenbedingungen nicht mehr vertretbar.

Rettungsdienst soll Probleme melden

Der Redaktion liegt zudem ein interner Dokumentationsbogen vor, mit dem Mitarbeiter des Rettungsdienstes von nun an Probleme melden sollen.

Dort heißt es: „Seit einigen Wochen bekommen wir immer häufiger gemeldet, dass die Zustände beim Abgeben von PatientInnen in den Hagener Krankenhäusern sehr problematisch sind. Teilweise kommt es zu langen Wartezeiten oder regen Diskussionen am Telefon oder vor Ort. Uns ist durchaus bewusst, dass es so nicht weitergehen kann und wir sind im stetigen Austausch mit den Krankenhäusern.“ Peter Thiele, Sprecher der Feuerwehr bestätigt, dass es zuletzt Probleme mit Blick auf die Aufnahmekapazitäten gegeben habe und die Lage angespannt sei. Er betont: „Krankenhäuser haben einen Versorgungsauftrag. Bedeutet: Eine Erstversorgung muss in jedem Fall sichergestellt werden.“

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Hinzu kommt: Nur weil die Krankenhäuser bei Vollauslastung nicht mehr in jedem Fall vom Rettungsdienst angefahren werden, heißt das nicht, dass keine Patienten mehr eigenständig das Haus aufsuchen.

Umzug geschah unter Zeitdruck

„Durch den Zusammenschluss der somatischen Fachabteilungen des St.-Johannes-Hospitals sowie der Unfallchirurgie und Orthopädie des St.-Josefs-Hospitals am Standort Grünstraße ist die Zentrale Notaufnahme (ZNA) des AKH einer außerordentlichen Mehrbelastung ausgesetzt, die leider mit längeren Wartezeiten für unsere Patientinnen und Patienten einhergeht“, bestätigt Sarah Leising. Die ZNA würde leider häufig von Personen beansprucht, deren Krankheitsbild kein medizinischer Notfall sei. „Hier handelt es sich z. B. um Zeckenbisse, leichtes Fieber oder abgebrochene Fingernägel.“

Der Umzug der Abteilungen sei unter einem enormen Zeitdruck geschehen, da das St.-Johannes-Hospital über den 31. März hinaus nicht mehr betriebsbereit zu halten war. Dennoch seien im Vorfeld zahlreiche Vorbereitungsmaßnahmen ergriffen worden. Hierzu zähle z.B. eine räumliche Erweiterung der ZNA, um die Behandlungskapazitäten zu erhöhen. „Derzeit arbeiten wir zudem an einer deutlichen Vergrößerung unserer Liegendanfahrt, damit mehrere Patienten gleichzeitig liegend aufgenommen werden können. Es liegt allerdings auf der Hand, dass bereits abgeschlossene Umbaumaßnahmen ideal wären.“ Dafür sei man auf die beantragten Fördermittel angewiesen.

Wichtig ist dem Haus: „Wir stehen hinter allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer ZNA, die momentan am größten Druckpunkt der gesamten Krankenhausversorgung alles geben.“

Auch am Mops ist Belastung gestiegen

Astrid Nonn, Sprecherin des Ev. Krankenhauses Hagen-Haspe bestätigt ebenfalls, dass die Anzahl der Patienten gestiegen sei – und damit „auch die Wartezeit der ,leichten’ Fälle“. Mehrere Male hätte man in den letzten Wochen dem Rettungsdienst melden müssen, dass das Haus „voll“ sei. „Grund sind neben den gestiegenen Patientenzahlen durch die Fusion z.B. auch eine höhere Belegung im Gesamthaus sowie Selbsteinweiser, die nicht zum Hausarzt gehen wollten oder konnten. Eine Notfall- und Erstversorgung war und ist zu jeder Zeit gewährleistet.“

In den vergangenen beiden Jahren habe man die Notfallversorgung optimiert: Die Intensivstation sei vergrößert worden, ein zweites Herzkatheterlabor sowie ein zweiter Elektrophysiologischer Messplatz wurden angeschafft. „Beide Einheiten liegen direkt neben der Notaufnahme. Notfälle können bei Bedarf direkt in diese Einheiten transportiert werden. So wird die Notaufnahme entlastet.“ Eine Arbeitsgruppe beschäftige sich aktuell mit der Optimierung der Abläufe.

Die Katholischen Kliniken haben auf eine Anfrage der Redaktion vor zwei Tagen bislang nicht geantwortet.

Die Intensivstation am Mops wurde vergrößert
Die Intensivstation am Mops wurde vergrößert © WP | Michael Kleinrensing