Hagen. Früher gab es mal 241 öffentliche Telefone in ganz Hagen. Viele stehen bis heute noch. Jetzt kündigt die Telekom Maßnahmen an:
Irgendwann wird man alltagsblind. Zumindest nimmt man viele Dinge, weil sie zum Stadtbild irgendwie einfach dazugehören, nicht mehr aktiv war. Wer aber einmal ganz bewusst bei einem Stadtbummel darauf achtet, wird sie kaum übersehen können: Telefonzellen, die letzten verbliebenen. Die meist silbern gehaltenen kleinen Säulen sind Erinnerungen an eine andere Zeit.
Eine Zeit, in der es noch keine Handys gab, in der man Telefonnummern von Familienangehörigen oder Freunden noch auswendig kannte. Und eine Zeit noch weit davor, als diese Dinger noch „Fernsprechkiosk“ hießen (1881 wurde die erste in Berlin am Potsdamer Platz aufgestellt).
Sie führen ein Schattendasein. Keiner kümmert sich, keiner bemerkt sie, sie funktionieren nicht mehr. Sie sind halt einfach da, weil sie es immer waren. „Das Zeitalter der Telefonzellen in Deutschland ist bereits seit Januar 2023 beendet – damit auch in Hagen. Von den ehemals über 160.000 öffentlichen Telefonen in Deutschland wurden in den letzten Jahren bereits über 90 Prozent abgebaut, weil sie niemand mehr nutzte. Verblieben sind bis heute noch rund 12.000 öffentliche Telefone, welche nun ebenfalls alle abgeschaltet wurden“, sagt George-Stephen McKinney, Sprecher der Deutschen Telekom. Abgebaut werden sollen die restlichen bald auch.
Reihenfolge für Abbau noch offen
Wir begeben uns also auf die Suche nach den letzten Telefonzellen der Stadt. Dabei stellt man schnell fest: Lange suchen muss man nicht. Allein fünf befinden sich rund um das Stadtfenster und die Haltestelle Stadtmitte in der Innenstadt. Die Kabel sind herausgerissen, die magentafarbenen Telefonhörer fehlen teilweise, vor einer Telefonzelle hat ein Obdachloser offenbar sein Lager aufgeschlagen. Auch außerhalb der Innenstadt sind noch diverse „Fernsprechkioske“, wie sie einst hießen, zu finden. Die meisten nicht mehr als betretbarer Glaskasten, sondern als schlichte Telefonsäule. Auch sie sollen abgebaut werden.
+++ Lesen Sie auch: Wie ein Metzger am Ende der Welt in Hagen ums Überleben kämpft +++
„Wann welcher Standort (auch in Hagen) abgebaut wird, werden wir den betroffenen Kommunen rechtzeitig vorab mitteilen. Aussagen zur Reihenfolge beim Abbau und ein genaues Datum sind aufgrund der Menge an Standorten und des hohen Koordinierungsaufwands – wie zum Beispiel auch durch Abhängigkeiten der Gewerke, wie der Stromabschaltung durch den regionalen Stromnetzbetreiber oder je nach Lage eine durchzuführende Baustellensicherungen – aktuell nicht möglich“, sagt George-Stephen McKinney. Er ergänzt: „Die betroffenen Städte und Kommunen werden jedoch rund vier Wochen vor dem physischen Rückbau der öffentlichen Telefone entsprechend informiert.“
Einst 241 öffentliche Telefone in Hagen
Individuelle Zahlen, wie viele öffentliche Telefone sich noch in einzelnen Städten befinden, kann das Unternehmen hingegen nicht aufschlüsseln. Früher waren es in Hagen einmal (Stand 2009) 241 öffentlich zugängliche Telefon-Einrichtungen.
Als Gründe für den Abbau nennt das Unternehmen allem voran den Mobilfunk – fast jeder hat heute die Möglichkeit, seine „persönliche Telefonzelle“ dabei zu haben. Die Nutzung der öffentlichen Telefonie ging somit gegen Null. Das Geschäft: unwirtschaftlich. Im Schnitt habe ein öffentliches Telefon bei der Telekom nur noch wenige Euro Umsatz pro Monat erzielt.
+++ Lesen Sie auch: Spektakulär – Kieferknochen eines Kindes vor Blätterhöhle gefunden +++
Das habe in keinem Verhältnis zu den Unterhaltskosten (z.B. Standmiete, Reinigung, Schäden beseitigen), die den Umsatz um ein Vielfaches überstiegen. „So wurde an rund einem Drittel der öffentlichen Telefone, also 3.800 Standorten, in den letzten Monaten vor der Deaktivierung kein einziges Gespräch geführt“, blickt der Unternehmenssprecher auf die Städteregion. Bereits 2016 hatte das Unternehmen das Netz in Hagen stark ausgedünnt und 17 Standorte aufgelöst.
Die Auflösung bringe auch Positives mit sich, wie das Unternehmen mitteilt: Durch die Rückbaumaßnahmen würde eine erhebliche Menge Energie eingespart. Im Schnitt verbrauche ein öffentliches Telefon zwischen 500 und 1.250 Kilowattstunden im Jahr – je nach Ausstattung. „Mit der Abschaltung der ungenutzten Technik lassen sich so zwischen sechs und 15 Millionen Kilowattstunden jährlich einsparen. Das entspricht dem Stromverbrauch von mehreren Tausend Wohnungen“, so die Telekom.
Abbau soll Anfang 2025 abgeschlossen sein
Der Abbau der Telefonstellen selbst soll schrittweise erfolgen und voraussichtlich Anfang 2025 abgeschlossen sein. „Was den Status in Hagen betrifft sind derzeit noch keine belastbaren Angaben möglich“, so der Sprecher. In einem ersten Schritt wurde am 21. November 2022 zunächst die Münzzahlung an den Fernsprechern bundesweit deaktiviert. Seit Ende Januar 2023 wurde dann auch die Zahlungsfunktion mittels Telefonkarten und somit der gesamte Telekommunikationsdienst an den öffentlichen Telefonen eingestellt.
Und so fristen sie ihr Schattendasein. In Hagen wie in vielen anderen Städten auch. Bis sie dann weg sind. Die letzten Telefonzellen der Stadt. Erinnerungen an eine andere Zeit.