Hagen. Das Jahrhunderthochwasser im Sommer 2021 hat im Volmetal in Hagen furchtbare Spuren hinterlassen. Jetzt geht es um den Schutz vor der Flut.
Als das Wasser wieder weg war, lag die Wiese im Garten voll mit all jenen Gegenständen, die Miriam und Matthias Adolphs mit ihren Helfern aus dem Keller hinaufgeschleppt hatten. Die Volme hatte das Grundstück und das Untergeschoss ihres Hauses Mitte Juli 2021 geflutet. So wie so viele Gebäude in der Straße In der Laake in Delstern.
Eineinhalb Jahre ist es jetzt her, dass der friedliche Fluss in Hagen über die Ufer getreten war und auch die Siedlung in Delstern geflutet hatte. Und als im Januar dieses Jahres der Pegel nach anhaltendem Niederschlag erneut bedrohlich gestiegen war, kamen die Erinnerungen an den Flut-Sommer bei Adolphs und ihren Nachbarn wieder hoch.
Die Grenzen des Machbaren
Jetzt sitzen sie alle in einem Anbau des Hauses und blicken in einen Garten, den der Fluss geflutet hatte, den man nun als solchen aber wieder bezeichnen kann. Thomas Köhler, Leiter des Umweltamtes und seine beiden Mitarbeiterinnen von der Unteren Wasserbehörde, die Teil des Amtes ist, sind gekommen. Köhler, Heike Thurn und Sarah Burscheid sprechen darüber, wie man Delstern künftig vor Hochwasser schützen will. Aber sie zeigen auch die Grenzen dessen auf, was machbar und was finanzierbar ist.
Eine Fläche gegenüber der Siedlung rückt in den Fokus. Ein Areal auf der anderen Seite der Volme, das in grauer Vorzeit mal eine Weide war. Dann aber wurde die Umgehungsstraße gebaut, die dafür sorgt, dass der Durchgangsverkehr auf der Bundesstraße 54 eben nicht mehr durch Delstern rollt. Erde wurde abgekippt, es entstand eine Art Wall, der Jahre später verhinderte, dass sich die Wassermassen an dieser Stelle auf beide Seiten verteilten. Auf die, auf der Adolphs und ihre Nachbarn leben.
Teile des Ufers weggerissen
Weil viele hier vieles verloren haben, weil sie wochenlang, monatelang gegen die Flutfolgen angekämpft und sich dabei auch allein gelassen fühlten, sind durchaus Emotionen mit im Spiel. „Was den Hochwasserschutz angeht, so haben viele den Eindruck, dass so viel noch nicht passiert ist“, sagt Matthias Adolphs. „Im Gegenteil: Das Wasser hat hier in Delstern weitere Teile des Ufers weggerissen. Es kommt näher. Wir haben bei jedem Hochwasser Schiss, dass Häuser, Gärten und Straßen wieder überschwemmt werden.“
Sorgen, die Köhler und seine Kolleginnen nachvollziehen können: „Die Welt nach Juli 2021 ist eine andere“, so der Umweltamtsleiter, „der Stellenwert, den seither der Hochwasserschutz erreicht, ist ein ganz anderer. Wir haben dafür mehr Personal, wir haben technisch aufgerüstet, wir haben aufgeräumt. Wir sind da weiter als manch andere Kommune am Oberlauf der Volme.“
Areal soll Überschwemmungsgebiet werden
Die Simulationen, die die Experten auf einem großen Monitor präsentieren, zeigen die Folgen, die Hochwasser unterschiedlicher Dimensionen in Delstern haben werden. „Im Flächennutzungsplan ist das gegenüberliegende Areal als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen“, sagt Sarah Burscheid. „Faktisch aber ist es das nicht.“ Dabei müsse man nun aufgrund des Klimawandels mit einer Zunahme von Starkregen rechnen. Wer darauf vorbereitet sei, für den seien die Folgen am geringsten.
Immerhin – Konkretes ist auch im Bereich In der Laake vorgesehen. Eine Stützmauer soll abgerissen, der Uferbereich so angepasst und abgeflacht werden, dass das Wasser zwar zu den Häusern hin mehr Platz hat, die Fließgeschwindigkeit und die Wucht aber abnehmen. „Wir geben dem Fluss mehr Platz, aber wir machen ihn nicht gefährlicher“, so Thomas Köhler. Er versprach: „Bevor wir loslegen, stellen wir hier die Ergebnisse einer Untersuchung durch ein Ingenieurbüro vor.“
Durchlässe im Erdwall
Auch das Gelände gegenüber soll wieder Überflutungsfläche werden. Auf Anregung der Nachbarschaft will die Umweltverwaltung prüfen, ob man sogar relativ kurzfristig schon Durchlässe in den Erdwall hin zum Fluss Baggern kann, damit das Wasser seinen Weg auf die niedriger liegende Fläche findet.
Allerdings geraten auch diese Maßnahmen irgendwann an Grenzen: „Wir gehen davon aus, dass wir Delstern bei einem zehn- und sogar noch bei einem 25-jährigen Hochwasser schützen können“, so Sarah Burscheid. „Aber ab einem 50-jährigen Hochwasser ist dieser Schutz nicht mehr gegeben.“
Anwohner in der Verantwortung
An der Stelle sind letztlich auch die Anwohner in eigener Verantwortung gefordert. Man wolle in einer bedrohten Ortslage den bestmöglichen Schutz bieten, man werde Gas geben. „Aber es ist sinnvoll, dass sich jeder auch mit einem möglichst guten Schutz des eigenen Haues befasst“, so Thomas Köhler.
Am Ende stehen sie da, wo die Volme rauscht. Sie gucken auf den Fluss. Sie sprechen über den Flutsommer und über Maßnahmen. Und sie hoffen, dass es bis zum nächsten Jahrhunderthochwasser mindestens 100 Jahre dauert.