Hagen. Die aktuelle SIHK-Konjunkturumfrage zeigt, mit welcher Haltung die Unternehmen in Hagen und Umgebung in die Zukunft blicken.

Trotz der weiterhin kompliziert-komplexen Rahmenbedingungen, die in der heimischen Region durch die Flutfolgen, das Rahmedetalbrücken-Dilemma sowie den zunehmenden Fachkräftemangel noch verschärft werden – die Unternehmen unter dem Dach der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) blicken angesichts des weiterhin starken industriellen Rückgrats wieder etwas hoffnungsvoller in die Zukunft: „Wir sehen ein zartes Pflänzchen des Optimismus – der konjunkturelle Himmel klart sich langsam auf“, fasst Kammerpräsident Ralf Stoffels die jüngsten Umfrage-Daten zusammen, die 437 Betriebe aus Hagen sowie dem EN- und dem MK-Kreis lieferten.

A45-Brückenbau im LNG-Terminal-Tempo

Besonders im Fokus der SIHK stehen in diesem Jahr zwei Infrastruktur-Themen: der künftige Hochwasserschutz und der Neubau der Rahmedetalbrücke. Gerade beim A45-Thema macht Christoph Brünger, Geschäftsbereichsleiter „Interessen bündeln“ deutlich, dass in den Augen der Kammer der Zeitpunkt gekommen sei, einen sondergesetzlichen Weg zu diskutieren: „Wir brauchen ein Beschleunigungsgesetz A45 nach dem Vorbild der LNG-Terminal.“


In den Betrieben gehe kontinuierlich das Vertrauen verloren, dass der Staat künftig tatsächlich schneller und wirksamer handeln könne. Während der Bundeskanzler in Berlin gerne den Begriff vom „Deutschland-Tempo“ präge, fehle für die Rahmedetalbrücke nach mehr als einem Jahr Vollsperrung weiterhin ein Termin für die Sprengung der alten Brücke und ein verlässliches Fertigstellungsdatum. „Wer hätte gedacht, dass wir uns einmal mehr ‚Italien-Tempo‘ statt ‚Deutschland-Tempo‘ wünschen würden“, sagt Brünger mit Blick auf den Brückenneubau in Genua.


„Aber auch der zukünftige Hochwasserschutz bleibt eine maßgebliche regionale Hausaufgabe. Der Wirtschaft fehlt die Transparenz, wie der zukünftige Hochwasserschutz entlang der Flüsse von der Quelle bis zur Mündung über Stadt- und Kreisgrenzen hinweg koordiniert wird“, mahnt Brünger eine deutlich bessere Koordination an. Zudem solle geprüft werden, ob es nicht sinnvoller ist, die Verantwortung des regional koordinierten Hochwasserschutzes zum Beispiel auf den Ruhrverband zu übertragen, statt in der Verantwortlichkeit der jeweiligen Städte zu verharren.

„Die für diesen Winter befürchteten drastischen Energiemangellagen sind nicht eingetreten, Corona hat uns keine weiteren Einschränkungen beschert und die Inflation hat ihren Höhepunkt offenbar überschritten“, skizziert Stoffels die Zahlen im Vergleich zum vergangenen Herbst. Dennoch blieben Themen wie Energie- und Rohstoffpreise, Fach- und Arbeitskräftemangel, die marode Infrastruktur sowie Bildungsmängel weiterhin ganz oben im Fokus der Wirtschaft.

Geschäftsklimaindex steigt

Dass die Betriebe inzwischen wieder hoffnungsvoller auf die Zukunft blicken, lässt sich vor allem am steil nach oben zeigenden Geschäftsklimaindex ablesen. Weil es noch immer mehr Pessimisten als Optimisten gibt, ist zwar die Vor-Corona-Stimmungslage noch längst nicht wieder erreicht, doch die Tendenz stimmt zumindest wieder. So beschreibt immerhin ein Viertel der Unternehmen die aktuelle Geschäftslage als gut, während nur noch 13 Prozent sie als schlecht einschätzen. Entsprechend haben sich auch die Prognosen für die künftige Geschäftsentwicklung ein wenig aufgehellt. „Aber nur zwölf Prozent, die mit einer echten Verbesserung der Lage rechnen, sind nicht der Wert, den wir uns wünschen“, macht Stoffels zugleich deutlich, dass immerhin ein Viertel der Befragten ankündigt, das Investitionsbudget aufstocken zu wollen.

SIHK-Präsident Ralf Stoffels hat klare Vorstellungen, wie die Rahmenbedingungen für die heimische Wirtschaft verbessert werden könnte.
SIHK-Präsident Ralf Stoffels hat klare Vorstellungen, wie die Rahmenbedingungen für die heimische Wirtschaft verbessert werden könnte. © WP | Michael Kleinrensing

Die größten Risiken sieht die weiterhin unter Lieferkettenproblemen leidende Wirtschaft vor allem durch die anhaltend hohen Energie- und Rohstoffpreise sowie den zunehmenden Fachkräftemangel: „Das ist ein Riesenthema und wächst sich zunehmend zu einem Arbeitskräftemangel aus“, muss SIHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Geruschkat ausgerechnet in einer Stadt warnend den Finger erheben, die seit Jahren stabil unter zweistelligen Arbeitslosenraten leidet und somit vom allgemeinen Trend längst abgekoppelt scheint. Dabei verschärft sich das Problem im Höchsttempo bei der Industrie. „Baugewerbe und Logistik haben hier die größten Sorgen“, erläutert Geruschkat.

Forderungen der Wirtschaft

Während zurzeit bereits 30.000 Arbeitskräfte im Kammerbezirk gesucht werden, sollen es im Jahr 2035, so die aktuellen Prognosen, bereits 102.000 Frauen und Männer aller Qualifikationen sein, die händeringend gesucht werden. Vor diesem Hintergrund untermauert die SIHK ihre Forderung nach Erleichterungen bei der Einstellung von ausländischen Fach- und Arbeitskräften, nach erheblichen Investitionen im Bildungsbereich, um vor allem die Abschlussquote zu erhöhen sowie nach besserer Ausstattung der Berufskollegs. Denn die Idee, Ältere länger im Job zu behalten, stoße irgendwann an Grenzen. Dass weiterhin 18 Prozent der an der Umfrage beteiligten Industriebetriebe davon ausgehen, ihre Stellenpläne perspektivisch zu reduzieren, „ist kein wirklich gutes Signal“, so Stoffels.

Angesichts der anhaltend hohen Energiepreise kündigen inzwischen fast zwei Drittel der Betriebe an, in ihre Energieeffizienz investieren zu wollen. „Früher war dieser Wert deutlich niedriger“, ordnet Stoffels die Zahl ein. Allerdings dürfe man den Mittelstand auch nicht überfordern: „Energie muss bezahlbar bleiben“, fordert er zugleich eine bürokratische Entschlackung bei den Preisbremse- und EEG-Umlage-Themen.