Lüdenscheid. Das Spitzengespräch zur A45-Brücke löst in der Region Ernüchterung aus und wirft neue Fragen auf. Zudem machen die Brückenpfeiler Sorgen.
Eigentlich sollte das alles ja schon gar nicht mehr stehen. Aber die Pfeiler der Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid ragen noch immer in die Höhe und tragen das Stück Straße, das Nord und Süd der Republik verbindet. Seit einem Monat sollte das marode und deswegen gesperrte Bauwerk der Autobahn 45 schon gesprengt sein. Der 18. Dezember als spätester Termin, den das Bundesverkehrsministerium mit seinem Chef Volker Wissing (FDP) in Aussicht gestellt hatte, ließ sich nicht halten. Wie ist nun also der Stand? Schlecht, wenn es nach den Teilnehmern des Spitzengesprächs am Dienstag geht.
Vertrauen für eigenständige Öffentlichkeitsarbeit offenbar entzogen
Unter der Brücke laufen die Arbeiten am Fallbett, das für die Sprengung notwendig ist. Ein Bagger schaufelt Erde von einem der Pfeiler weg. Den steilen und seitlich abfallenden nördlichen Hang krabbelt eine vierbeinige Maschine hinauf, um die Fundamente für einen Fangzaun vorzubereiten. Am südlichen Ende der Brücke steht der Zaun schon. Dort seien alle Arbeiten „zu etwa 70 Prozent abgeschlossen“, wie es auf Nachfrage heißt.
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Wobei das eine Geschichte für sich ist. Die Nachfrage dieser Redaktion zum Stand der Dinge richtete sich – wie in der Vergangenheit auch – an die zuständige Autobahn GmbH Westfalen, mit der Bitte um Antwort binnen 24 Stunden. Ein zumutbarer Zeitraum. Doch offenbar hat man der Behörde das Vertrauen für eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit entzogen. Nach Tagen ohne Antwort und mehrfachen Nachfragen, lautet die Replik von der Autobahn GmbH: „Bitte nehmen Sie Kontakt zum Bundesverkehrsministerium auf“. Anruf dort fünf Tage nach Absenden der Fragen. Antwort: „Schicken Sie doch die Mail bitte noch einmal, ja?“
Spitzengespräch löst in der Region Ernüchterung aus
Derzeit zeichnet sich ein Bild ab, das den Verantwortlichen nicht recht sein kann. Das jüngste Spitzengespräch löste in der Region erneut Ernüchterung aus. „Das hat uns keine Sorgen genommen, sondern eher neue geschürt“, sagt ein Teilnehmer dieser Zeitung. Nach wie vor sei kein Sprengtermin in Sicht. Dass der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums in der Runde keinen einzigen Wortbeitrag beigesteuert habe, sei mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen worden.
Tatsächlich könnten technische Probleme die Sprengung weiter verzögern. 140.000 Tonnen Material müssen unter der Brücke bewegt werden, um das Gelände auszugleichen und ein Fallbett herzustellen. Teile dieser Arbeiten sind schon erledigt. Doch die Pfeiler der alten Brücke sind hohl und dem Druck von außen nicht gewachsen. „Das fällt denen nach einem Jahr auf. Das ist unfassbar“, sagt ein Teilnehmer des Gesprächs.
SIHK: Sorge wächst, weil es noch immer keinen Sprengtermin gibt
Folge: Die Pfeiler müssen bis zur neuen Geländeoberkante mit Beton aufgefüllt werden. Dieses Verfahren sei bereits an anderer Stelle angewandt worden. Dass die Pfeiler hohl sind, sei bekannt gewesen. Allerdings habe sich bei den vorbereitenden Arbeiten herausgestellt, dass die Ausführung der Pfeiler in einigen Bereichen nicht mit den Plänen übereinstimmten. Die ursprünglichen Planungen zur Erstellung des Fallbettes und zur Sprengung der Brücke seien daraufhin angepasst worden.
Nun wächst die Sorge, dass der Beginn des Frühjahrs und der Vegetationsperiode einen Strich durch die Terminplanungen ziehen könnten. „Dass noch immer kein Termin zur Sprengung genannt wurde, bereitet der SIHK große Sorgen, da ab einem bestimmten Zeitpunkt ja doch ein Einfluss auf den Neubau zu erwarten ist“, sagte Ralf Geruschkat, Geschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer, dieser Zeitung.
Der Last nicht gewachsen: Umleitungsstrecke in Altena ab jetzt teilweise gesperrt
Gleichzeitig gehen jetzt schon die Umleitungsstrecken in die Knie. Die B236-Brücke in Altena wird ab heute für den Schwerlastverkehr über 3,5 Tonnen gesperrt. Sie kann die Last der Lkw nicht mehr tragen. Angaben der Bahn zufolge, die die Brücke unterquert, sei ein Neubau frühestens im Jahr 2026 möglich. Die CDU-Politiker Paul Ziemiak (Bundestag) und Thorsten Schick (Landtag) forderten NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) in einem gemeinsamen Schreiben auf, alle Alternativen zu prüfen, „um eine Ertüchtigung der Brücke kurzfristig zu ermöglichen“.
Das ist die A45-Talbrücke Rahmede
Geruschkat warnt vor einem „Flächenbrand“ in der gesamten regionalen Infrastruktur als Folge der A-45-Sperrung mit immer mehr Baustellen und Sperrungen in Südwestfalen. Er forderte ein „Management und eine Koordination aller heutigen und zukünftigen Baustellen in der gesamten Region, damit das Netz nicht zusammenbricht“. Die Installierung eines Infrastrukturbeauftragten für Südwestfalen sei dringend erforderlich.
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Auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) kritisiert den Ist-Stand scharf. „Allein die Tatsache, das Bauvorhaben mit den größten Auswirkungen für Südwestfalen in den nächsten zehn Jahren als ,Fall unwesentlicher Bedeutung’ zu deklarieren, ist ein Witz“, sagt Klaus Brunsmeier, stellvertretender Bundesvorstand des Umweltverbandes.
Noch nicht alle Unterlagen beim Fernstraßenbundesamt
Die Autobahn GmbH will den „Fall unwesentlicher Bedeutung“ beim Baurecht geltend machen, da es sich um einen Ersatzneubau handele. Dadurch könne auf ein zeitraubendes Planfeststellungsverfahren und eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden. Aber: „Noch immer liegt keine Genehmigung seitens des Fernstraßenbundesamtes vor, noch immer sind nicht alle Unterlagen dort eingereicht – nach mehr als einem Jahr“, sagt Brunsmeier.
Immerhin: Die Autobahn GmbH hat den Antrag auf ein vereinfachtes Verfahren beim Fernstraßenbundesamt im Dezember gestellt. Die Belange von Mensch und Natur seien aber bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden, sagt Brunsmeier. Fachlich sei das „nicht in Ordnung“. Der BUND habe dazu „eine Stellungnahme des Beirates bei der Unteren Naturschutzbehörde beim Märkischen Kreis hinterlegt. Wenn die Autobahn GmbH überhaupt eine Chance auf eine Genehmigung haben will, ist sie gut beraten, der Stellungnahme des Naturschutzbeirates Folge zu leisten.“ Eine Klage gegen das Projekt schließt der BUND aber weiter aus.