Hagen. Die Stadt Hagen will die Zahl der Menschen, die an einem Herzstillstand sterben, senken. Diese Konzepte verfolgt die Verwaltung.

Es gibt einen Fall, der gut geendet ist. Weil Hilfe schnell vor Ort war. Weil Profis wussten, was zu tun war und schnell handelten. Es ist ein Fall, den Millionen von Menschen live am Fernseher mitverfolgt hatten. Es ist der Fall des dänischen Fußball-Nationalspielers Christian Eriksen, der am 12. Juni 2021 beim EM-Spiel gegen Finnland plötzlich einen Herzstillstand erlitt, zusammenbrach und auf dem Feld wiederbelebt wurde.

Vielleicht ist es auch diesem aufsehenerregenden Fall geschuldet, dass das Thema Wiederbelebung gleich in verschiedener Form in Hagen noch einmal Fahrt aufgenommen hat. Diesem Fall, aber auch der Hartnäckigkeit des Dahlers Jens Schilling, der in der Anästhesieabteilung des Allgemeinen Krankenhauses arbeitet und mit seinem Projekt „Laienreanimation kann jeder“ schon seit Jahren dafür sorgt, dass immer mehr Menschen in Hagen und Umgebung im Stande sind, mit einer Herzdruckmassage und einer Frühdefibrillation einen Menschen wiederzubeleben.

Alarmierung per Smartphone

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Dabei sind es zwei Stränge, die die Stadt verfolgt. Zum einen eine Ersthelferalarmierung per Smartphone, die dafür sorgt, dass professionelle Helfer über eine App schnell zu einem möglichen Notfall in der Nähe gelotst werden. Zum anderen sich quasi selbst erklärende Defibrillatoren, die auch Laien in die Lage versetzen, mit Hilfe von dosierten Stromstößen ein Herz wieder zum Schlagen zu animieren.

Während Schilling nach einer Auftaktveranstaltung zur App, zu der die Stadt ihn eingeladen hatte, dieses Projekt auf gutem Weg sieht, hegt er zumindest Zweifel daran, inwieweit alle durch die Stadt angeschafften Defibrillatoren auch tatsächlich einsatzfähig sind. „Das Konzept überzeugt mich nicht“, merkt Schilling kritisch an. „Es sind im Wesentlichen städtische Mitarbeiter, die geschult worden sind. Was aber ist mit Lehrern oder Übungsleitern der Hagener Sportvereine, die die Defibrillatoren nutzen müssen, wenn ein Hausmeister nicht mehr greifbar ist? Aus der Erfahrung wissen wir, dass Menschen, die nicht geschult sind, Hemmungen haben, einen Defibrillator einzusetzen.“ Auch wenn das absolut problemlos möglich sei.

Bisher keine Schulungen für Trainer

Die wissen offenbar zum Teil gar nicht, dass die Geräte hängen: „In der Turnhalle Emst habe ich den Defibrillator nur zufällig im Hausmeisterraum entdeckt“, sagt Uwe Wehner von der HSG ECD Hagen. „ich selbst habe einen Schlüssel zu diesem Raum. Aber viele andere eben nicht. Auch von einer Schulung, wie man ein solches Gerät nutzt, habe ich noch nichts gehört.“

An Puppen kann man üben, wie man einen Defibrillator richtig einsetzt.
An Puppen kann man üben, wie man einen Defibrillator richtig einsetzt. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Ähnlich ist die Situation in der Hasper Rundturnhalle. „Von der Stadt hat uns niemand informiert. Aber ich weiß, dass dort ein Defibrillator hängt“, sagt Fatih Kurukafa vom Boxsportclub Haspe, „irgendjemand müsste uns ja auch schulen.“ Immerhin: Kurukafa, der bei einer Krankenkasse arbeitet, ist ausgebildeter Ersthelfer und durchaus mit den Geräten vertraut. Viele andere, die im Verein Verantwortung tragen und Einheiten leiten, aber nicht.

Kostenlose Schulungen

„Dabei werden Schulungen in Kooperation mit der Deutschen Herzstiftung zum Beispiel für die Fußballvereine aktuell kostenlos angeboten.“ Für Schilling ist das ein wichtiger Baustein, der dazu führen kann, dass mehr Menschen einen plötzlichen Herztod überleben. „Derzeit haben wir außerklinisch eine schwache Überlebensquote, die nur bei zehn bis elf Prozent liegt.“ Dabei verweist er auf ungefähr 80.000 Fälle bundesweit, bei denen es im Zusammenhang mit Sport zu einem Herzstillstand kommen – so wie bei Christian Eriksen.

Im Grundsatz begrüßt Schilling die Anschaffung der Geräte, fasst aber auch zusammen: „Ich bin der Überzeugung, dass es mehr Unterstützung braucht.“

Stadt schafft 126 Defibrillatoren an

Immerhin: Für Schulgebäude und Sportstätten hat die Stadt Hagen zuletzt 126 Defibrillatoren gekauft. Finanziert wurde das über das Förderprogramm „Gute Schule“. „Derzeit“, so erklärt Michael Kaub, Sprecher der Stadt Hagen, „wird die Unterweisung der Objektbetreuer organisiert.“ Hinzu kommen noch einmal fünf Defibrillatoren, die schon seit Jahren in Verwaltungsdienstgebäuden hängen – im Rathaus an der Volme, im Rathaus I, im Rathaus II, im Gebäude an der Böhmerstraße sowie im Rathaus Hohenlimburg. Zurzeit seien für Verwaltungsgebäude keine weiteren Anschaffungen geplant.

Was die App betrifft, so habe es eine „Kick-off“-Veranstaltung mit den Vereinen „Mobile Retter“ und „Region der Lebensretter“ Ende November gegeben. Mit welcher App schließlich in Hagen gearbeitet werde, sei – so die Verwaltung – noch nicht geklärt. Dass eine Einführung sinnvoll ist, steht für Kaub außer Frage: „Es geht darum, das therapiefreie Intervall möglichst kurz zu halten. Bei einem Herzstillstand ist jede Sekunde kostbar.“

Mobile Retter erst in zwei Jahren

Trotzdem wird es noch rund zwei Jahre dauern, bis das System an den Start gehen kann: „Es ist zunächst eine kostenintensive Integration der Software in das Einsatzleitsystem der Leitstelle notwendig“, so Kaub, „weil aber dieses System in zwei Jahren erneuert wird, erfolgt die Einführung mit Inbetriebnahme des neuen Leitsystems der Feuerwehr Hagen.“ Zuvor sollen alle Interessierten geschult werden, die über eine medizinischen Fachausbildung verfügen.