Hagen-Mitte. . Jens Schilling bildet am Ricarda-Huch-Gymnasium Sportlehrer in Reanimation aus. Kollegium soll das Wissen in die Schülerschaft hineintragen.

Sie drücken auf den Brustkorb der Puppe, die auf dem Boden liegt. Erst zurückhaltend, fast zärtlich. Dann fester, mit Kraft. „Das war am Anfang schon ein komisches Gefühl“, sagt Norah Bolte, „aber irgendwie ist es ja wichtig, so etwas zu üben.“

Norah, zwölf Jahre alt, und ihre Klassenkameradin Carlotta Jellinghaus – die beiden Mädchen sind genau die, die Jens Schilling mit seinem Programm Laienreanimation am Ricarda-Huch-Gymnasium erreichen will. Junge Schüler, die ihr Wissen weitertragen. „40 Prozent der Menschen, die einen Herzkreislaut-Stillstand erleiden, wird in Deutschland von Laien geholfen“, sagt Schilling, der im Allgemeinen Krankenhaus arbeitet und sich seit Jahren ehrenamtlich für die Reanimation durch Laien stark macht, „in den nordischen Ländern liegt die Quote aber bei 60 bis 70 Prozent. Unser Ziel muss es zunächst sein, mehr als 50 Prozent zu erreichen.“

Bislang überschaubare Reaktion

Deshalb ist er im Schulausschuss vorstellig geworden und hat sein Programm „Laienreanimation kann jeder“ dort vorgestellt. Das Ricarda-Huch-Gymnasium ist bislang die einzige Schule, die sich daraufhin gemeldet hat. Das, so Schilling, sei schon ein bisschen enttäuschend.

Im Fokus stehen bei der Ausbildung in einem ersten Schritt die Sportlehrer. Das hat auch mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs zu tun. In dem Prozess ging es um einen Schüler, der während des Unterrichts zusammengebrochen war. Die Sportlehrerin hatte zwar den Rettungsdienst angerufen, allerdings keine Reanimationsmaßnahmen bei dem damals 18-Jährigen, der heute schwerbehindert ist, eingeleitet. Dafür wurde sie verurteilt.

Mediziner fordern Erste-Hilfe-Stunden an Schulen

Mit dem Projekt Laienreanimation kann jeder will Jens Schilling, selbst Anästhesiepfleger am Allgemeinen Krankenhaus, möglichst viele Laien dazu bewegen, sich mit den Themen Wiederbelebung und Erste Hilfe auseinanderzusetzen.

Sein Credo: Mit wenigen Handgriffen, etwas mehr Mut und Entschlossenheit sowie mehr Fortbildungen zum Thema wären viele Schicksale anders verlaufen.

Auch Notfallmediziner haben zuletzt die flächendeckende Einführung von Erste-Hilfe-Unterricht an Schulen gefordert. „Wir müssen da beginnen, wo man die Menschen noch prägen kann, nämlich in der Schule“, so Rolf Rossaint, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin.

Viele kompetente Helfer

Die Sportlehrer – so ist es das Ziel – sollen zu Multiplikatoren werden und ihr Wissen an Kollegen und Schüler weitergeben. „Ich bin nun schon seit einiger Zeit in Sachen Laienreanimation unterwegs“, sagt Jens Schillings, „aber ich kenne keine Gruppe, die so motiviert ist, wie Schüler. Eineinhalb Schulstunden pro Jahr sind ausreichend, um mit den Kindern zu üben.“

Dazu sind Schulleitung und Kollegium an der Ricarda bereit. Von einem „Spiral-Curriculum“ spricht Schulleiter Stefan Völker vor diesem Hintergrund: „Wer am Ende unsere Schule verlässt, wir ein kompetenter Helfer sein.“

Die Idee dahinter fasziniert auch den Hagener Oberbürgermeister, der zum Auftakt der Reihe an das Gymnasium gekommen ist: „180 Menschen sterben in Deutschland jeden Tag, weil sie nicht reanimiert werden“, so Erik O. Schulz, „mit gezielter Fortbildung ließe sich die Zahl halbieren. Die Förderung von Reanimation an Schulen ist im Koalitionsvertrag NRW verankert. Ich wundere mich, dass wir da noch nicht weiter sind.“

Immerhin: Ein Anfang ist in Hagen jetzt gemacht. Und selbst jenen, die noch nicht geschult werden, gibt Schilling mit auf den Weg: „Jeder kann helfen. Im Zweifel ist es besser, nicht alles richtig zu machen, als gar nichts zu tun.“