Hohenlimburg. Acht Monate hat die geflüchtete Ukrainerin Iryna in der WP über das Ankommen geschrieben. Nun endet das Projekt, und sie blickt nach vorn.
Das Ende dieses Jahres bedeutet für Iryna Hornieva einen Neuanfang. Im März kam die Journalistin mit ihren beiden Kindern Dmytro und Daryna nach Hohenlimburg. Über das „Ankommen“ im neuen Land schreibt sie seit Ende April jede Woche eine Kolumne für die Samstagsausgabe dieser Zeitung.
Das Kennenlernen dieses neuen Landes weicht nun langsam neuen Fragen, und so endet mit dieser letzten Ausgabe des Jahres auch der gemeinsame Weg dieser Zeitung mit der Geflüchteten Iryna Hornieva. Wir geben ihr das Schlusswort.
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Zur Flucht gezwungen
Krieg. Mit diesem furchtbaren Wort begann für mich und meine Kinder ein völlig neuer Abschnitt, das Leben in Deutschland. Für viele Ukrainer teilte der Einmarsch russischer Truppen das Leben in eine „Vorher“- und „Nachher“-Periode. Vor dem Krieg waren wir zu Hause, kannten jeden Winkel bis ins kleinste Detail und fühlten uns frei.
Und nach dem 24. März wurden Millionen von Ukrainern zu Umsiedlern. Sie waren gezwungen, ihren Platz unter der Sonne neu zu suchen, zu lernen, nach neuen Regeln zu leben und von vorne zu beginnen. Weil der Zufall es so wollte, lebe ich jetzt in Hagen und baue hier meine Zukunft und die Zukunft meiner Kinder auf. Während meines fast einjährigen Aufenthalts in einem neuen Land habe ich viele Menschen kennengelernt, viel Neues gelernt und fühle mich hier nicht mehr so hilflos wie am Anfang.
Dankbar für Unterstützung
Ich kann nicht umhin zu erwähnen, dass mir die Arbeit in der Redaktion der WESTFALENPOST sehr geholfen hat, mich an die neue Realität anzupassen. Schritt für Schritt erkundete ich einen für mich neuen Ort und versuchte, nützliche, angenehme und manchmal nicht so gute Erfahrungen mit den Lesern zu teilen. Doch nun neigt sich dieses spannende Projekt dem Ende zu.
Immer häufiger kann ich – wie viele Ukrainer – durch Deutschland reisen, ohne auf die Hilfe von Anwohnern angewiesen zu sein. Und das halte ich für ein sehr gutes Zeichen.
Eigenständiges Leben
Wieso? Weil von nun an, und das hoffe ich sehr, sind wir selbstständig genug, um nur noch ab und zu um Rat zu fragen zu müssen. Deutschland und die Menschen, die hier leben, haben uns viel gegeben. So können wir nun selbst in einen neuen Lebensabschnitt starten.
Deutschland, das Land, das den Ukrainern seine Türen öffnete, gab uns Frieden und die Möglichkeit, nicht darüber nachzudenken zu müssen, wie man sich in einem Luftschutzbunker verstecken und bei Raketenangriffen überleben kann.
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Finanzielle Hilfe
Dank des funktionierenden Sozialsystems in Deutschland haben wir (zumindest die meisten von uns) die Sprache auf einem für die Verständigung ausreichenden Niveau gelernt. Wir haben eine Wohnung und sogar eine Grundversorgung. Natürlich liegt noch viel Arbeit, Mühe und Geduld vor uns, aber an dieser Stelle möchte ich mich verneigen und für all dies danken.
Villa für Geflüchtete
Das möchte ich auch im Namen vieler anderer Ukrainer tun, die in Deutschland gelandet sind. Es ist unmöglich, alle zu nennen, die uns in Hagen auf dem Weg zu einer gewissen Unabhängigkeit in Deutschland unterstützt haben. Besondere Worte des Dankes möchte ich jedoch an Dr. Hans-Toni Junius richten, der die ukrainischer Frauen und ihre Kinder in seiner eigenen Villa in Hohenlimburg untergebracht hat.
Wir möchten uns auch bei allen bedanken, die unsere Flucht durch die Bereitstellung von Bussen überhaupt erst möglich gemacht haben, und bei denen, die während der anstrengendsten „Reise“ von unserer Heimat zu einem neuen Ort auf der Landkarte an unserer Seite waren.
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Zahlreiche Helfer
Unzählige Dankesworte an alle, die geholfen haben, Lebensmittel und Kleidung zu bringen, sich um unsere täglichen Bedürfnisse gekümmert und uns bei den ersten Schritten mit dem Papierkram geholfen haben.
Ich kann nicht umhin, die Organisation der Erholung für Ukrainer und das kostenlose Schwimmen in Hohenlimburg zu erwähnen. Im Namen von mir und allen ukrainischen Kindern danke ich Ihnen auch für die Plätze in Schulen und Kindergärten.
Krieg geht weiter
Ich persönlich möchte mich nochmals bei den Kollegen, bei allen Mitarbeitern der Stadtredaktion Hagen, für ihre Unterstützung, ihr Verständnis und ihre Geduld bedanken. Und vor allem für die Möglichkeit, sich als würdiger Mensch zu fühlen, der auch in einem fremden Land arbeiten und Geld verdienen kann und nicht nur von staatlicher Hilfe lebt.
Jeder Ukrainer kann und wird hier in Deutschland zu einem respektierten Menschen werden, weil wir unter Freunden sind, die uns mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Neue Wohnung in Hagen
Meine Kinder und ich sind gerade dabei, in eine neue Wohnung in Hagen zu ziehen. Dank der Menschen in Deutschland und der staatlichen Unterstützung werden wir ein gemütliches Zuhause mit Licht und Wärme haben. Im Moment brauchen wir Möbel und Kleinigkeiten, die zum Leben notwendig sind, aber ich denke eher darüber nach, warme Sachen, Powerbanks und vielleicht sogar Generatoren zu kaufen und in die Ukraine zu schicken. Denn das Schlimmste für uns ist, dass in unserem Land immer noch ein grausamer Krieg tobt.
Zumindest in naher Zukunft will ich weiter in Deutschland leben und arbeiten. In Düsseldorf wartet im neuen Jahr ein neuer Job auf mich. Ich gebe Keramik-Kurse im Hetjens-Museum.
Verwandte leben in Ukraine
Bis Kriegsausbruch arbeitete Iryna Hornieva als Journalistin in der Ukraine, zuletzt für die „Kremenchutska gazeta“.
Mit ihren Kindern flüchtete die 34-Jährige über einen Hilfstransport nach Hagen und kam in einer Villa der Firma Waelzholz in Hohenlimburg unter, die für Geflüchtete hergerichtet worden war.
Ihre Verwandten leben weiter in der ukrainischen Stadt Krementschuk unter den Folgen des Krieges. Es gibt Stromausfälle und manchmal fällt die Heizung aus.