Hagen. Die Defizite bei der Stadtsauberkeit verärgern die Bürger schon seit Jahren. Jetzt will die Stadt ihre Bemühungen noch einmal forcieren.
Es gibt kein Thema, das den Menschen in Hagen ähnlich dauerhaft unter den Nägeln brennt, wie die mangelhafte Sauberkeit in ihrer Stadt. Wilde Abfallkippen, illegale Müllablagerung an Depotcontainern, beschmierte Bushaltestellenhäuschen, verdreckte Grünanlagen, Hundehaufen allerorten, Unratentsorgung in den Wäldern, Autoreifen am Wegesrand, vollgekotete Spielplätze, achtlos weggeworfene Kippen und Kaugummis – für viele Bürger ist die Grenze der Zumutbarkeit seit Jahren überschritten. Vor allem deshalb, weil sich trotz allen Aktionismus und der Wastewatcher-Offensiven am grundlegenden Gesamteindruck bis heute wenig bis gar nichts geändert hat. Vor diesem Hintergrund hat Oberbürgermeister Erik O. Schulz jetzt angekündigt, die Bemühungen der Stadt noch einmal erhöhen und dafür trotz leerer Kassen weitere Mittel in die Hand nehmen zu wollen.
Bereits vor fünf Jahren sprach das von der Stadtredaktion initiierte Bürgerbarometer bei diesem Themenkomplex eine überdeutliche Sprache: Lediglich 14 Prozent der Hagener sind zufrieden mit der Sauberkeit, 48 Prozent aber dezidiert unzufrieden oder sogar sehr unzufrieden und gerade einmal 38 Prozent ringen sich zu einem „schwach befriedigend“ durch. OB Schulz teilt angesichts seiner persönlichen Erfahrungen aus anderen Ruhrgebietsstädten sowie den Gesprächen mit seinen dortigen Amtskollegen allerdings keineswegs den Eindruck, dass die Stadtsauberkeitssituation in Hagen besonders problematisch sei: „Überall dort, wo es gemischte Bevölkerungsstrukturen gibt und nicht die schwäbische Kehrwoche dominiert, findet man in den Großstädten Hotspots, wo man nicht zufrieden ist.“ Allerdings dürfe dies kein Argument sein, sich zurückzulehnen. „Wir müssen da dranbleiben und auch die Unzufriedenheit benennen. Aber manchmal habe ich auch das Gefühl, dass es sich um ein sich verselbstständigendes Thema handelt. Für mich ist es dabei gar nicht die Frage, ob es ein subjektives oder objektives Gefühl ist, dass diese Stadt dreckig sei. Entscheidend ist doch, dass wir weiter besser werden wollen, ohne dass ich den Menschen gleich das Paradies versprechen möchte.“
Müllsünder immer dreister
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Die Verärgerung in der Bürgerschaft zum Zustand der Stadt ist dennoch weiterhin gewaltig. Die beinah täglichen Anrufe und E-Mails in der Stadtredaktion unterstreichen: Kaum ein weiteres Thema in der Stadt birgt so viel Wutpotenzial wie Stadtsauberkeit. Die Mehrzahl der Menschen, denen im Gegensatz zu den Resignierenden der Zustand ihrer Heimat überhaupt noch am Herzen liegt, regt sich zu Recht über die Verwahrlosung ganzer Straßenzüge auf. Denn die Rücksichts- und Hemmungslosigkeit, mit der manche Gestalten ihren Dreck entsorgen oder einfach nur fallen lassen, ist an Dreistigkeit kaum mehr zu überbieten. Dabei ist es auch müßig, die Debatte mit Blick auf Zuwanderung und kulturell unterschiedlich geprägte Betrachtungsweisen zu führen: Renovierungsmüll im Wald abzukippen, Sofagarnituren am Straßenrand abzustellen, Chipstüten einfach in die Rabatten zu stopfen, Gewerbemüll an Containerstandorten aufzutürmen oder Zigarettenkippen aufs Pflaster zu schnippen sind Phänomene, die sich keineswegs an nationaler Herkunft oder gesellschaftlicher Sozialisation festmachen lassen.
„Am Ende darf man auch nicht vergessen, dass es nicht nur die Stadt ist, die für die Stadtsauberkeit Verantwortung trägt, sondern auch jeder einzelne“, erinnert der aktuelle Verwaltungschef ähnlich wie sein Amtsvorgänger Jörg Dehm daran, dass es die Bürger selbst sind, die das äußere Erscheinungsbild prägen: „Es sind nicht die die Mitarbeiter der Stadt, die über Nacht ausrücken und den Dreck auf den Straßen verteilen“, führte Dehm seinerzeit in jeder Stadtsauberkeitsdebatte an und appellierte somit an die Menschen, sich an die eigene Nase zu fassen. Und OB Schulz weiß aus seinen sommerlichen Marktplatzgesprächen von dem Irrglauben zu berichten, dass manche Hausbesitzer noch heute davon ausgehen, den Bürgersteig vor der eigenen Haustür nicht selbst reinigen zu müssen.
OB Schulz sieht Hotspot-Probleme
„Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht verwehren, dass dieses Thema auch ein wenig überhitzt betrachtet wird“, versucht der Verwaltungschef die Aufgeregtheiten ein wenig zu relativieren. „Ich glaube nicht, dass diese Stadt im Dreck versinkt. Es gibt sicherlich Hotspots, aber wir müssen nicht in der gesamten Stadt die Reinigungsalgorithmen ändern. Natürlich müssen wir was tun, und natürlich muss das auch mit Geld und Personal verbunden sein. Aber ebenso brauchen wir eine mitwirkende Öffentlichkeit und auch die Hausbesitzer, die sich verantwortlich fühlen.“
OB Schulz hatte die Stadtsauberkeitsthematik im Sommer 2016 zur Chefsache erklärt und das Projekt der Wastewatcher an den Start gebracht. Diese Teams aus Mitarbeitern des Hagener Entsorgungsbetriebes (HEB) und der städtischen Umweltbehörde beseitigen nicht bloß den Unrat an den Dreck-Hotspots, sondern versuchen auch, Täter auf frischer Tat zu ertappen und Verursacher – wenn denn ermittelbar – zu bestrafen. Ein Projekt mit noch reichlich Erfolgsspielraum, wie auch die permanent aus den Reihen der Politik vorgetragene Unzufriedenheit zeigt. So gibt es durchaus grundsätzliche Zweifel, ob es überhaupt Sinn macht, dass die Stadtsauberkeitsthematik in Hagen auf so viele Zuständigkeitsschultern verteilt wird: Dies sorgt, so die Alltagserfahrung, nicht etwa für ein ansehnlicheres Straßenbild, sondern eher für ein breiteres Ausredenspektrum, sich bei der Stadt und ihren Tochterunternehmen für Unzuständig zu erklären.
Komplexe Zusammenhänge
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Seit über einem Jahr liegt daher die Forderung der längst entnervten Politik auf dem Tisch, das Thema Stadtsauberkeit auf neue Füße zu stellen. Konkret: Im Oktober 2021 beauftragte der Haupt- und Finanzausschuss die Verwaltung, unter Beteiligung aller entsprechenden Partner, Unternehmen der Stadt sowie städtischer Dienststellen ein Konzept zu erarbeiten, in dem die Optionen zur Verbesserung der Stadtsauberkeit dargestellt werden. Das Ergebnis lässt bis heute – 13 Monate später – auf sich warten. Eine entsprechende Vorlage des Umweltdezernenten Sebastian Arlt wurde zuletzt vom Verwaltungsvorstand einkassiert, weil – so ist aus der Runde zu hören – die dort formulierte Bestandsaufnahme zu ehrlich gewesen sei.
Schulz verweist an dieser Stelle auf die Komplexität der Aufgabe: „Am Ende ist die Beschreibung eines Zustandes immer einfacher als die Entwicklung von greifenden Maßnahmen. Denn wenn ich Geld von Bürgern in die Hand nehme, sei es über Steuern oder Gebühren, dann müssen wir uns sehr genau überlegen, welche Schritte tatsächlich helfen und am wirksamsten sind – also eine Effizienzbetrachtung. Unsere jetzt erarbeitete Vorlage wird ein Bündel aus eigenen Aktivitäten sein: Das bedeutet unter anderem, das Wastewatcher-Projekt weiter zu intensivieren und ganz konkret auch mit mehr Personal auszustatten. Dazu gehören natürlich auch noch einmal organisatorische Maßnahmen, also auch die Frage wer wo reinigt und wo künftig die Schnittstellen liegen.“ Über die konkreten Details will die Verwaltung in diesen Tagen informieren, so dass die Politik noch in der Dezember-Sitzung des Rates eine abschließende Entscheidung treffen könnte.