Hagen. Das Hochwasser hat das Geschäft Modellbau Pelzer in Hagen geflutet. Wie Edda und Willi Isbruch jetzt wieder Träume erfüllen wollen.

Es sind die kleinen Dinge, die jetzt noch zu tun sind. Die Scheiben einer Vitrine putzen. Die unzähligen Packungen in den Regalen noch mal zurechtrücken. Die Ladentheke, die ein Tischler dieser Tage liefert, aufstellen und bestücken. Es sind die kleinen Dinge vor einem großen Schritt: Am Freitag, 14. Oktober, eröffnet der Laden „Modellbau Pelzer“ in Hagen nach dem Hochwasser wieder – eines der letzten Fachgeschäfte seiner Art überhaupt.

Modelleisenbahnen sind Hobby und Leidenschaft. Bei Pelzer findet sich das gesamte Spektrum.
Modelleisenbahnen sind Hobby und Leidenschaft. Bei Pelzer findet sich das gesamte Spektrum. © WP | Michael Kleinrensing

Ein Geschäft, das Edda und Willi Isbruch aus Breckerfeld in Randlage der Innenstadt von Hagen an der Potthofstraße betreiben. Nein, sie betreiben es nicht – sie leben es, sie lieben es. Mit all dem Herzblut und mit all der Leidenschaft, die man als Einzelhändler in einer so wunderbaren Nische braucht, wenn man die Jahrzehnte und eine Jahrhundertflut obendrein überleben will.

Wo Träume Wirklichkeit werden

Ein Stück Hagener Vergangenheit: Das Zwieback-Brandt-Logo findet sich auf den Eisenbahn-Waggon-Modellen.
Ein Stück Hagener Vergangenheit: Das Zwieback-Brandt-Logo findet sich auf den Eisenbahn-Waggon-Modellen. © WP | Michael Kleinrensing

So wunderbar ist diese Nische, weil hier Träume Wirklichkeit werden. Träume von Kindern, die heute nur selten mit ihren Vätern, sondern meist mit ihren Großeltern kommen. Und Träume von Erwachsenen, die zumeist einer Kindheit entstammen, in denen Smartphones, Spielkonsolen und Computer noch keine derart große Rolle gespielt haben. Es sind Erwachsene (zumeist Männer), die sich diese Träume in ein digitales Zeitalter hinein bewahrt haben und die sie sich in dem Laden in Hagen immer wieder aufs Neue erfüllen.

Mit der Eröffnung an diesem Freitag geht auch ein Traum von Edda und Willi Isbruch in Erfüllung. Es ist ein Traum, der im Grunde direkt am Tag, nachdem das Hochwasser das Geschäft geflutet hatte, begann. „Morgens um 11 Uhr stand der erste Kunde in der Tür, hat auf das Chaos geblickt und zu uns gesagt: Gebt mir Arbeit. Ich möchte euch helfen. Lasst uns anfangen“, sagt Willi Isbruch, „das sind Momente, die man nicht vergisst.“

Aufgeben ist keine Option

Und so steht für das Ehepaar, das die 70 Jahre schon ein wenig überschritten hat, von Tag eins an fest: Aufgeben kommt nicht in Frage. „Wir wollten das Geschäft wieder aufbauen“, sagt Edda Isbruch, „es macht doch so viele Freude. Das ist unser Leben. Und so lange wir hier jeden Tag arbeiten, haben wir keine Zeit, uns mit Krankheiten und Wehwehchen zu beschäftigen.“

Ein vertrauter Anblick an der Potthofstraße – auch nach der Flut hat das Ladenlokal seine vertraute Außenoptik behalten.
Ein vertrauter Anblick an der Potthofstraße – auch nach der Flut hat das Ladenlokal seine vertraute Außenoptik behalten. © WP | Michael Kleinrensing

Auf den ersten Kunden folgen weitere. Viele weitere. Menschen, die schon seit Jahren zu „Modellbau Pelzer“ kommen und denen Edda und Willi Isbruch ans Herz gewachsen sind. Nicht, weil es hier ums Geschäft geht, darum etwas zu verkaufen und Geld zu verdienen. Sondern weil ein Modellbaugeschäft eben auch ein Treffpunkt ist. Ein Ort für den Austausch, einer, an dem Zeit manchmal keine Rolle spielt, an dem eine gute, ehrliche Beratung wichtiger ist als der schnell verdiente Euro. Hier kommen Menschen zusammen. Vor und eben auch nach einer Flut.

Der Dank an alle Helfer

„Ohne all die Unterstützung und die Hilfe hätten wir das niemals geschafft“, sagt Willi Isbruch mit Blick auf treue Kunden, Freunde und Familie. Dann schaut er sich in seinem Laden um. Dorthin, wo die Startpackung mit einem ICE von Märklin oben im Regal steht und vielleicht auf einen jungen Neueinsteiger wartet. Dorthin, wo die hochwertigen Lokomotiven hinter Glasfronten verschlossen stehen. Und dorthin, wo Häuser und Bastelmaterialien liegen, aus denen in Kellern oder Kinderzimmern neue Welten entstehen können.

Der Laden leer: Mit Trocknungsgeräten versuchten Edda und Willi Isbruch über Monate, die Feuchtigkeit aus den Wänden zu bekommen.
Der Laden leer: Mit Trocknungsgeräten versuchten Edda und Willi Isbruch über Monate, die Feuchtigkeit aus den Wänden zu bekommen. © WP | Michael Kleinrensing

Diese Erfahrungen, diese Flut – die hätten wir nicht gebraucht“, sagen die Isbruchs, die 2024 auf jeden Fall das 75-jähriges Jubiläum feiern wollen, und blicken mit Freuden auf einen Freitag, an dem es neben besonderen Angeboten eben auch ein Gläschen Sekt gibt, weil eine Wiedereröffnung nach 14 Monaten ein Grund zum Feiern ist.

Inflation bereitet Händler Sorgen

Und trotzdem bleibt da auch diese Sorge, weil sich Mühen und Investitionen in neue Wahren letztlich auch rechnen müssen. „Die Inflation macht uns Sorgen“, sagt Willi Isbruch, der genau weiß, dass der Modellbau ein Hobby ist, das durchaus seinen Preis haben mag. „Natürlich machen sich viele Menschen gerade Gedanken, wofür sie eigentlich noch Geld ausgeben können. Dazu müssen wir selbst auch steigenden Energiepreise verkraften.“ Und selbst die Sperrung der Rahmedetalbrücke auf der A 45 habe Auswirkungen. „Modellbau Pelzer“ ist eines der wenigen verbliebenen Geschäfte auf der Landkarte – erst recht, wenn man Richtung Süden blickt.

Also hoffen Edda und Willi Isbruch, dass die Kunden wiederkommen. Dass sie durch die geputzten Scheiben der Vitrinen blicken. Dass sie den Treffpunkt Modellbau-Laden beleben. Und dass sie sich hier, in diesem ebenso wunderbaren wie einzigartigem Geschäft in der Hagener Innenstadt, ihre Träume erfüllen.