Hagen. Ein Lebenswerk hat die Flut im Juli in Hagen weggespült. Willi und Edda Isbruch geben nicht auf. Modellbau Pelzer soll im ersten Quartal öffnen.

Dass er überhaupt noch lebt – vielleicht ist das nur diesem Telefonat zu verdanken. Und dem Geistesblitz eines Feuerwehrmannes aus Hagen am anderen Ende der Leitung. So in etwa muss das Gespräch verlaufen sein: „Wo sind sie?“ – „Unten im Keller. Das Wasser steigt. Wann kommen Sie denn?“ – „Gar nicht. Nichts wie raus. Sofort raus. Verlassen Sie das Lager. Verlassen Sie das Haus. Sie können sowieso nichts mehr ändern.“

Wasser und Strom sind keine gute Kombination. Und von diesem Telefonat an sollte es nicht mehr lange dauern, bis die Kellerwand brach und weitere Wassermassen in Sekundenschnelle den Pegel steigen ließen.

Da aber war Willi Isbruch zu Hause in Breckerfeld. Er hatte den großen Raum, in dem so wertvolle Eisenbahn-Schätze von der Flut mitgerissen und unter Schlamm begraben waren, verlassen. Die Schätze – weg. Die Waren – nicht mehr zu gebrauchen. Der Laden und die Einrichtung – ein Fall für die Entsorgung. Seine Lebenswerk – zerstört. Von jetzt auf gleich. Weg. Alles weg.

Pelzer in Hagen feiert in zwei Jahren Jubiläum

Und trotzdem werden Edda und Willi Isbruch nach der Jahrhundertflut vom Juli nicht aufgeben. Im ersten Quartal 2022 will das Ehepaar im besten Rentenalter – beide 72 Jahre alt – den Laden Modellbau Pelzer, einen der letzten seiner Art, wieder öffnen.

Die ersten Regale im hinteren Bereich des Ladens räumt Edda Isbruch ein. Modellbau Pelzer will im ersten Quartal 2022 in Hagen wieder öffnen.
Die ersten Regale im hinteren Bereich des Ladens räumt Edda Isbruch ein. Modellbau Pelzer will im ersten Quartal 2022 in Hagen wieder öffnen. © WP | Michael Kleinrensing

„Wir geben nicht auf. Die Arbeit, sie macht uns einfach noch Spaß“, sagt Willi Isbruch. „In zwei Jahren will ich das 75-jährige Bestehen des Geschäfts feiern. Irgendwann will ich hier einen vernünftigen Abschluss. Aber nicht so einen...“

Modellbau Pelzer, Potthofstraße, direkt an der Volme. Treffpunkt für Fans einer Sparte, die angesichts der zunehmenden Digitalisierung in Kinderzimmern über Nachwuchsmangel klagen mag. Isbruchs verkaufen vor allem Modelleisenbahnen – Einsteigerpakete, hochwertigere Exemplare, Sammlerstücke – Kindheitsträume vergangener Tage in Miniatur. Qualität, keinen Ramsch.

Nach der Flut: ein fürchterlicher Anblick

Wenn Willi Isbruch das Fenster im hinteren Verkaufsraum einen Spalt öffnet, hört er, wie der Fluss Volme so friedlich vor sich dahinplätschert. Jener Fluss, der sich zu einem reißenden Strom entwickelt und seinen Keller komplett und den Laden im vorderen Bereich bis zu einer Höhe von gut einem halben Meter geflutet hat. „Das war ein fürchterlicher Anblick“, sagt Edda Isbruch, die darauf verweist, dass der Laden bereits durch Corona und die Sperrung der Marktbrücke gebeutelt sei. „Stammkunden aus der Region hat das abgeschreckt.“

Die Volme fließt direkt hinter dem Geschäft Modelllbau Pelzer in Hagen. Als der Fluss über die Marktbrücke tritt, werden Straßen überschwemmt.
Die Volme fließt direkt hinter dem Geschäft Modelllbau Pelzer in Hagen. Als der Fluss über die Marktbrücke tritt, werden Straßen überschwemmt. © Michael Kleinrensing

Dann kam der 14. Juli. Die Erinnerungen an diesen Tag haben sie festgehalten. Im Kopf. Und in Videos und Fotos, die sie auf dem Smartphone allzeit mit sich tragen. Sie zeigen, wie die Volme sich erst an der Baustelle der Marktbrücke staut, schließlich über die Ufer tritt. „Um kurz nach 16 Uhr ist das Wasser durch den Boden im Keller hochgedrückt“, sagt Willi Isbruch. „Da habe ich begonnen, die Waren und seltene Modelle, die wir dort aufbewahren, in die oberen Regale zu räumen.“ Dass er sich diese Arbeit hätte sparen können, wird klar, als die Wand später bricht...

Mit Eimer und Stirnlampe im Schlamm

Das Aufräumen startet am Tag nach der Katastrophe. „Mit Dreckschüppen, mit Eimern und mit einer Stirnlampe auf dem Kopf“, erzählt Willi Isbruch. „Wir hatten ja keinen Strom, geschweige denn Telefon oder Internet.“

Die Wände bei Modellbau Pelzer sind fast trocken. Bald sollen die Handwerker kommen. Das Geschäft will im ersten Quartal 2022 öffnen.
Die Wände bei Modellbau Pelzer sind fast trocken. Bald sollen die Handwerker kommen. Das Geschäft will im ersten Quartal 2022 öffnen. © Michael Kleinrensing

Es ist die Welle der Hilfsbereitschaft, die nach der Flutwelle das Ehepaar berührt und ermutigt. Die Nachbarn aus der Shisha-Bar („nette Jungs“) erkundigen sich nach dem Rechten. Die eigenen Kinder helfen mit. Aber eben auch Kunden, die einfach vorbeikommen und anpacken. „Das war eine ganz tolle Erfahrung“, sagt Edda Isbruch. „Da haben Menschen in der Ladentür gestanden und gesagt: Gebt mir Arbeit. Andere haben Frikadellen und Kartoffelsalat gebracht.“

Pelzer will im ersten Quartal 2022 wieder öffnen

Es sind Momente, die das Ehepaar bestärken. Und so geht es weiter. Stück für Stück. „Die Heizung funktioniert wieder im vorderen Bereich. Seit vier Wochen haben wir Infrarottrockner“, sagt Willi Isbruch, der hofft, dass die Wände bald nicht mehr feucht sind. „Dann kommen die Handwerker. Und dann wollen wir wieder öffnen.“ Im ersten Quartal 2022.

Was bleibt, sind die Erinnerungen. Im Kopf und auf dem Smartphone. Und das Glück, mit dem Leben davongekommen zu sein.