Hagen. Die kommunale Wohnungsgesellschaft in Hagen (HGW) nimmt Kurs auf die Klimaneutralität. Ein Ziel, von dem auch die Mietergeldbeutel profitieren.
Angesichts der aktuell davongaloppierenden Wohnnebenkosten justiert die Hagener Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (HGW), Besitzer von mehr als 800 Immobilien und somit 5000 Wohneinheiten in Hagen, ihren Investitionskompass nach: „Wir werden in den nächsten Jahren unseren Fokus auf die Themenfelder Klimaneutralität und Barrierefreiheit richten“, kündigt Geschäftsführer Alexander Krawczyk kontinuierliche Investitionen in Millionenhöhe an. „Denn: Wir werden immer älter und müssen klimastrategisch dringend was machen.“
Dabei blickt der HGW-Chef nicht bloß auf Paradeprojekte wie den geplanten, dreigeschossigen Neubau in der Bauernstraße, für den ein völlig heruntergewohnter Wohnblock mit kaum mehr nutzbaren 45-Quadratmeter-Zuschnitten aus den frühen 60er-Jahren weichen muss. Hier investiert das kommunal getragene Unternehmen in zwölf barrierefreie Einheiten vorzugsweise für Familien, bei denen in enger Abstimmung mit den Profis der Enervie-Gruppe eine Kombination aus Photovoltaik und Wärmepumpentechnik künftig die Geldbeutel der Mieter schonen soll. „Während andere zurzeit ihre Projekte angesichts der Baukostenexplosionen in Frage stellen oder sogar revidieren, halten wir daran fest und setzen auch um.“
Mark-E-Profis an der Seite
Neben diesem Einzelprojekt blickt Krawczyk jedoch vorzugsweise auf seine Bestandsimmobilien. Hier soll begleitet durch Mark-E systematisch ermittelt werden, welche Dachflächen sich tatsächlich für Photovoltaik eignen und nach einer entsprechenden Datenanalyse mit Wärmepumpentechnik intelligent kombinieren lassen.
Lösungen für kritische Fälle
Die explodierenden Energiepreise – nicht nur beim Gas – treiben vielen Mietern die Sorgenfalten auf die Stirn. Zumal sich bereits abzeichnet, dass neben den fossilen Brennstoffen zu Beginn des nächsten Jahres viele Versorger auch an der Strompreisschraube drehen werden.
Da heute schon absehbar ist, dass manche Haushalte diese Kosten nicht mehr tragen können, hat beispielsweise die Stadt Lüdenscheid einen Runden Tisch formiert. Dort sitzen die örtlichen Stadtwerke mit der Verbraucherberatung, der Caritas, der Arbeitsagentur sowie dem kommunalen Sozialamt zusammen, um für sich abzeichnende, besonders kritische Fälle eine abgestimmte Lösung zu finden.
In Hagen gibt es nach Angaben des Rathauses ebenfalls einen Austausch zwischen dem Fachbereich Jugend und Soziales sowie der Enervie-Gruppe, um bei fälligen Zahlungen, die von Kunden nicht mehr geleistet werden können, über veränderte Abschläge oder Ratenzahlungsrhythmen zu sprechen. Zudem gibt es einen Austausch mit den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände sowie der Verbraucherzentrale, um hier ein gemeinsames, koordiniertes Handeln abzustimmen.
Die HGW verspricht sich für ihre Mieter von dieser Offensive Nebenkosteneinsparungen von 30 Prozent und mehr.
Begleitet wird dieser Investitionskurs von einer Architektin, die zugleich zertifizierte Energieberaterin ist. Diese Expertin nimmt in den nächsten Monaten nicht bloß sämtliche Immobilien der Wohnungsgesellschaft unter ihre fachliche Lupe, sondern schlägt auch für jedes Gebäude einen maßgeschneiderten Sanierungsplan einschließlich potenzieller Fördermöglichkeiten vor. Wobei ihr Wirken ebenfalls durch Fördergelder subventioniert wird.
Eigener Experte im Haus
Parallel bildet die HGW einen Haustechniker zum Klima- und Nachhaltigkeitsmanager weiter, der das Projekt „Dekarbonisierung“ in den nächsten Jahren fachkundig begleiten soll. Dabei geht es vorzugsweise um die Themen Heizung, Strom und Wasserverbrauch, aber auch die Digitalisierung der Messtechnik (Gebäudekonnektivität) oder beispielsweise Balkon-Kraftwerke durch Solar-Panels vor den Brüstungen.
Aktuell kalkuliert die Wohnungsbranche, dass es im Schnitt bis zu 100.000 Euro verschlingt, Wohnungseinheiten umfassend nachzurüsten, um sie tatsächlich klimaneutral zu gestalten. Im Falle der HGW wäre dies ein Betrag von einer halbe Milliarde Euro, der investiert werden müsste, ohne zugleich die sonst notwendigen Instandhaltungsarbeiten an den Objekten zu vernachlässigen.
Start 2023 in Eilpe
Angesichts dieses Betrages setzt Krawczyk den HGW-Schwerpunkt zunächst auf Immobilien, die bereits dem sogenannten NT-ready-Standard (Niedertemperatur) entsprechen. Erfüllt ein Gebäude dieses Mindestlevel (durchgedämmt vom Dach über die Fassade bis zum Keller), kann es mit erneuerbarer Wärme beheizt werden. Somit wird der Weg zur Klimaneutralität deutlich kürzer und um ein Vielfaches kostengünstiger. Die städtische Wohnungsgesellschaft hat dafür bereits ein Quartier mit 100 Wohneinheiten in Eilpe im Blick. „Wir konzipieren das gerade und würden gerne im Jahr 2023 damit starten“, bläst Krawczyk zum Aufbruch in Richtung Klimaneutralität.
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