Hagen. Ein Kunst-Banause im Museum Hagen: Kann das gutgehen? Ein etwas anderer Rundgang durch die Ausstellung von Edward Bekkerman aus New York.
Also ehrlich: Bin ja eher der Typ Banause. Habe Bilder an der Wand. Einige haben die Kinder mal gemalt. Eines stammt aus der Deko-Abteilung eines Möbelhauses und hängt vermutlich in 1000 anderen Schlafzimmern. Und dann gibt es noch die vergrößerten Schwarz-Weiß-Fotos, die vor Jahren mal in einem Urlaub entstanden sind. Ist das Kunst, oder kann das weg?
Einfach so weg – das würde Ärger mit der Chefin daheim geben. Finde ja auch ganz hübsch, was in den eigenen vier Wänden so ausgestellt wird. Was nicht heißen muss, dass es nicht mal wieder Zeit für eine kritische Überprüfung ist. Aber im Grunde bleibt „hübsch“ das Kriterium, das ich anlege, wenn ich ein Museum betrete.
Wums, das erste Werk
„In die Liste eintragen, dann in den Fahrstuhl, auf die Drei drücken“, erklärt die nette Dame am Eingang. Die Etagen rauschen an den Glastüren vorbei. Die Flügeltür öffnet sich. Ein paar Schritte. Wums. Das erste Werk. Ein Bekkerman in Hagen.
Osthaus-Museum Hagen, ein wahrer Kunsttempel mit viel Geschichte. Kunsttempel ist ernst gemeint. Dieses Museum, in dem einst Sylvester Stallone ausstellte, ist ein Haus, in dem es immer wieder gelingt, trotz kleinen Budgets Beeindruckendes an die Wände und in die hellen Räume zu bringen.
Ein Gefühl der Überwältigung
Tayfun Belgin wirkt hier – ein Museumsleiter, kein Banause. Einer, der Kunst versteht. Einer, der Ahnung von dem hat, was er seit Jahren in Hagen auf die Beine stellt.
Stehe da, gucke auf die Wände, gucke auf die Werke. Und spüre, wie sich ein Gefühl der Überwältigung ausbreitet. Mache das, weil Tayfun Belgin vorgeschlagen hat, doch erst einmal die Bilder wirken zu lassen, bevor wir dann darüber sprechen. Und so konzentriere ich mich, wende das Kriterium an, das auch daheim im Wohnzimmer gilt. Was schön ist, darf an die Wand. Würde ich also für einen Bekkerman ein paar Nägel in die Wand hauen?
Der Blick aus dem Garten
Antwort: Ja. Wenn ich denn nur den Platz hätte. So eine Wohnzimmerwand ist ja kein Museumssaal. Und erst da können die Bilder von Edward Bekkerman so richtig wirken. Daheim müsste ich mich also weit hinten in den Garten stellen, um zumindest die großformatigen, die beeindruckendsten unter den 32 Werken des Mannes aus New York wirken zu lassen. Dass die wirken, dass sie mit all ihren Formen und mit all dieser Farbenpracht selbst Banausen in sich hineinziehen, steht schnell fest.
Habe mich natürlich vorab über Bekkerman informiert. Von dynamischer Figuration, expressiver Abstraktion, von Themen der Spiritualität, von ursprünglichen, universellen Wahrheiten und Symbolen ist da in der Einladung die Rede. Bin ehrlich: Habe befürchtet, es handele sich um Worthülsen. Die Hülsen aber füllen sich mit jedem Werk, das in mein Auge fällt, ein Stückchen mehr.
Der Künstler Bekkerman, ein netter Kerl
Er ist ein zeitgenössischer Schamane, dessen mystische Abstraktionen eine kraftvolle, rohe, kosmische Energie, die Lebenskraft des Universums, nutzbar machen – heißt es weiter. Mag er auch ein Schamane sein. Im Grund ist er vor allem ein netter Kerl, ein lockerer Typ in Lederjacke, einer, der in seiner Freizeit gerne auf Zielscheiben schießt, die er dann zum Bestandteil einer Serie mit dem Namen „Victory“ macht und der es mag, über seine Kunst zu sprechen.
Um mal bei Victory zu bleiben: „Wenn du das Bulls-Eye triffst – das ist doch ein tolles Gefühl“, sagt Bekkerman. „Und jedem gelingt doch in seiner Profession immer wieder ein solcher Treffer.“ Ihm also auf der Leinwand, auf die er Farben nicht nur aufzutragen scheint, sondern auf denen er auch intensiv mit Schichten und Formen arbeitet.
Zielscheiben integriert
Blickt man um die Zielscheiben, die in diverse Bilder integriert sind, entdeckt man Engel oder Liebespaare, während Bekkerman darüber philosophiert, dass der Alltag doch immer weiter geht. „Man muss die Werke wirken lassen“, sagt er, „man muss ein wenig Zeit mit ihnen verbringen. Dann entfalten sie ihr Leben.“
„Labyrinths of Love“ ist die Ausstellung überschrieben, die nun im Osthaus-Museum ihr Leben entfalten darf. „Eine Ehre“, wie Bekkerman betont. „Dieses Museum ist für Hagen ein ganz besonderer Ort. Es gibt hier so viele tolle Ausstellungen. Und eine davon zeigt nun meine Bilder.“
Magische Blicke
Und dann ist da noch Belgin, der Experte, der die Kunst des New Yorkers lobt und preist. „Mich begeistern vor allem die Portraits“, sagt er. „Die Augen auf den Bildern blicken einen auf eine magische Art an. Sie habe etwas Entdeckendes.“
Schließlich fällt der Blick auf ein Bild, das Belgin an die Schule des Künstlers Raffael erinnert. Was – auch das gehört dazu – selbst den Gelobten überrascht. Bekkerman lacht, Belgin lacht, der Banause lacht. Und geht mit dem festen Vorsatz aus dem Museum wiederzukehren. Und am Abend daheim die Werke an den Wänden noch einmal kritisch zu prüfen.