Hagen-Mitte. Ein Hagener Reporter über den Besuch von Stallone in der Provinz, das verpuffte Rocky-Image und den Stolz darüber, was „Sly“ über Hagen sagt.
Muss ich mich schämen? Vielleicht ein bisschen. Dafür, dass ich ihn reduziert habe. Auf Rocky und Rambo, auf Action und Muskeln. Auf die Film-Mythen, von denen er sich auf der Bühne des Osthaus-Museum mit jedem Satz weiter entfernt. Hier sitzt nicht Rocky, der Champ, der Einstecker. Hier sitzt ein eloquenter Amerikaner gesetzteren Alters, der recht demütig erklärt: „Für mich ist das hier auch ein bisschen eine neue Welt.“ Der Besuch von Sylvester Stallone gestern im Osthaus-Museum durch die Augen eines verlegenen Einfaltspinsels.
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Die Stimme tief und sonor, der Körper immer noch trainiert
Ich hatte noch gedacht, ich müsste mich schicker machen, wenn ein Mensch, der bis in den hintersten Winkel der Welt bekannt ist, kommt. Er selbst nahm es „casual“, ganz normal. Schwarze Jeans, schwarzes Longsleeve, schwarze Strickjacke. „Good Morning“, brummte es aus ihm, mit einer Stimme so kratzig und sonor wie manch einer von uns nach einer Party klingt. Das graue Haar zurückgekämmt, die Haut gebräunt, der Körper weiterhin sehr trainiert, ein grauer Oberlippen- und Kinnbart, eine silberne Uhr rechts tragend.
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„Furcht und Angst bringen dich in der Malerei nach vorne“
Er sieht, wie es aus den hinteren Reihen murmelte, gut aus für Mitte 70 und er wirkt im positiven Sinne sehr vereinnahmend, wenn er über seine Kunst spricht. „Malen ist die purste Art aller Künste. Und es ist nicht wie beim Film, wo 500 Menschen für das Endprodukt verantwortlich sind. Hier ist es ein Mann, der den Ruhm, den Spott oder die Kritik aushalten muss. Furcht und Angst bringen dich in der Malerei nach vorne. Sie pushen dich auf das nächste Level. Scheitern bleibt dabei für mich aber die beste Art zu lernen“, sagt er auf der Bühne.
„Plötzlich erfährst du, wie die Leute finden, was du machst“
Moment. Das Klingt ja doch wie Rocky. „Du und ich – und auch sonst keiner – kann so hart zuschlagen wie das Leben. Aber der Punkt ist nicht der, wie hart einer zuschlagen kann. Es zählt bloß, wie viele Schläge er einstecken kann und ob er trotzdem weitermacht. Wie viel man einstecken kann und trotzdem weitermacht. Nur so gewinnt man!“ Gewollte oder ungewollte Parallele? Seine Malerei, das macht er noch mal sehr deutlich, begann vor der Schauspielerei. In der Kunst erfand er Rocky, nicht umgekehrt. Kampf, Niederlage, Aufstehen, verrinnende Lebenszeit und Widersprüche ziehen sich trotzdem durch viele seiner Werke, die nun im Osthaus-Museum hängen. „Es ist schon ein komisches Gefühl“, sagt „Sly“, „es ist wie für jemanden, der Texte schreibt. Plötzlich erfährst du, wie die Leute finden, was du so machst. Ich habe sehr viel Respekt davor.“
Das Osthaus-Museum als bedeutender Ort für die Kunst
Vor dem Ort übrigens auch. Hagen in Westfalen. Grau-grüne Arbeiterstadt ohne Weltglanz. Viele der 80 (inter)nationalen Reporter mit Kunstverstand stellen beim Rundgang durch die Ausstellung diese eine Frage: „Warum Hagen?“ Ich habe keinen Kunstverstand. Aber ich habe verstanden. Dass unser Museum das erste zeitgenössische der Welt war. Dass Karl-Ernst Osthaus hier die unerwartete Kunst groß werden ließ und sie ins Leben der Menschen zurückführen wollte. Stallones Galerist Mathias Rastorfer greift genau diesen Punkt gestern auf. „Das sehe ich an diesem Ort auch in Stallones Fall so“. Der Weltstar neben ihm nickt bejahend. „It’s an important place.“ Und so bin ich zwischen all den Kunstbeschlagenen, den Kennern, den Chef-Deutern meiner Zunft in diesem Moment so glücklich wie Stallone es ist, in Hagen zu sein. Meine Stadt so groß und für ihn nach all dem Weltruhm die Wertschätzung, nach der er Jahrzehnte gesucht hat.
Fernsehbilder aus Hagen auf allen Kanälen
Rund um das Museum gibt Stallone sich nahbar, steigt aus der schwarzen Mercedes E-Klasse und gibt Autogramme für rund 100 wartende Fans am Mittag. Am Donnerstag hatten bereits Fans am Düsseldorfer Flughafen auf ihn gewartet. In Hagen blieb der ganz große Ansturm corona- und sicherheitsbedingt aus. Im nicht weit vom Museum entfernten Hotel fühlt er sich wohl. Gleich mehrere lokale und überregionale Security-Dienste schützten ihn.
Mit der Wertschätzung in Hagen sehr zufrieden
Am Abend nach der offiziellen Ausstellungseröffnung vor geladenen Gästen und Sponsoren geht es in ein Edel-Restaurant im Hagener Innenstadtbereich und dann zurück ins Hotel. Da flackerten auf allen Fernsehkanälen schon die Bilder aus Hagen. Stallone in der Provinz. „Ich will nicht nur als Celebrity-Maler wahrgenommen werden. Ich war Maler bevor ich Schauspieler war und bin es immer noch. Viele Prominente probieren Dinge und gehen damit in die Öffentlichkeit. Man muss das Richtige für sich finden. Elvis hätte auch keine Opern singen wollen. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Weg und damit, dass das hier wertgeschätzt wird.“ Nicht in New York, Paris oder sonstwo. In Hagen. In unserem Hagen. Die Ausstellung läuft vom Samstag, 4. Dezember, bis zum 20. Februar.