Boele. Es ist das Ende einer Ära in Hagen. Nach 122 Jahren ist die Bäckerei Käsgen Geschichte. Damit steht ein historisches Gebäude in Boele zum Verkauf.

An der Hospitalstraße in Boele endet eine Ära. Dieter Käsgen, 62, Bäckermeister und Inhaber der gleichnamigen Bäckerei hört ende des Monats auf. Die beiden letzten verbliebenen Filialen am Boeler Markt und neben der Rewe-Filiale auf Emst sind verkauft. Das im Jahr 2010 zu einer Backstube umgebaute historische Stadtbad Boele steht ebenfalls zum Verkauf. Für Dieter Käsgen endet sein Lebenswerk. Und damit auch das des Vaters und des Großvaters und des Urgroßvaters. Das Unternehmen besteht seit 1900.

Historische Aufnahme aus dem alten Boeler Stadtbad. Generationen von Boelern haben hier das Schwimmen gelernt.
Historische Aufnahme aus dem alten Boeler Stadtbad. Generationen von Boelern haben hier das Schwimmen gelernt. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen

Einst sechs Filialen

Einst gab es in Hagen sechs Käsgen-Filialen. Die beiden genannten, die „Haupt-Bäckerei“ an der Hospitalstraße schräg gegenüber der Fleischerei Schnettler, an der Boeler Straße und in Boelerheide. Über die Jahre zog sich Käsgen an den genannten Standorten zurück. Es wurde immer schwieriger, Personal zu finden, sagt er. Und aus wirtschaftlicher Sicht, so kann man es vereinfacht ausdrücken, war das Unternehmen zu groß, um klein zu sein und zu klein, um groß zu sein.

Foto aus dem Jahr 2010: Bäckermeister Dieter Käsgen kurz vor dem Umbau des alten Hallenbades zu einer Backstube.
Foto aus dem Jahr 2010: Bäckermeister Dieter Käsgen kurz vor dem Umbau des alten Hallenbades zu einer Backstube. © Michael Kleinrensing Archiv

Borggräfe kauft Standorte

„Die beiden verbliebenen Filialen in Boele und auf Emst laufen hervorragend“, sagt Dieter Käsgen. Er hat sie an die Bäckerei Borggräfe verkauft, die mittlerweile zahlreiche Filialen in der Region betreibt.

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Aus der Phase, in der er darüber nachgedacht habe, dass alles, was er sich aufgebaut hat, endet, sei er mittlerweile raus, erklärt Dieter Käsgen. In Boele, das muss man wissen, ist der Name Käsgen ein Stück Urgestein, das so oft zitiert wird. Und obwohl die Bäckerei von ihrer Konzeption her zuletzt sicher noch eine der kleinsten auf dem Hagener Markt gewesen ist, so war die Marke auf lokaler Ebene doch immer groß. So wie Kamp. So wie Kamm. So wie Niemand. So wie Linnepe. Jene Bäckereien, die in Hagen noch von Hagener Familien inhabergeführt werden und mit denen die Menschen Persönliches verbinden.

Das einstige Stammhaus der Bäckerei Käsgen in der Hospitalstraße. Es ist mittlerweile verkauft. Hier wurde viele Jahre auch gebacken.
Das einstige Stammhaus der Bäckerei Käsgen in der Hospitalstraße. Es ist mittlerweile verkauft. Hier wurde viele Jahre auch gebacken. © WP | Michael Kleinrensing

Dieter Käsgen hat keinen Nachfolger. Sein Sohn ist 14 Jahre alt und so wie Dieter Käsgen die Lage deutet, waren die letzten Jahre nicht gerade ein Heißmacher für einen jungen Mann, der seinen Vater bei der Arbeit beobachtet. Das hat gar nichts mit Dieter Käsgen zu tun. Der Fall ist übertragbar auf alle anderen Bäckerfamilien auch.

Der Job ist knüppelhart

Der Job ist hart. Um 1 Uhr nachts steht Dieter Käsgen auf. Ab 1.30 Uhr steht er in der Backstube. Da bleibt er bis 12 Uhr mittags. Und das betrifft dann eigentlich nur den Part, in dem er selber backt und zaubert. Selbstständige wissen, welch bürokratischer Überbau noch folgt. Es ist ein Leben für die Arbeit, das muss man sich klar machen, wenn man heute Bäcker wird. Und viele schrecken längst davor zurück.

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Die Perspektive war in Dieter Käsgens Kopf eine andere, als er 2010 das alte aus dem Jahr 1925 stammende Boeler Stadtbad kaufte, in dem Generationen von Boelern das Schwimmen gelernt haben. Es ist ein Ort der Erinnerungen, der Verbundenheit und der Identifikation. Eine immer noch stehende Zeitreise.

Der Maschinenpark im alten Stadtbad Boele. Unter dem gefliesten Boden befindet sich das einstige Schwimmbecken des Bades.
Der Maschinenpark im alten Stadtbad Boele. Unter dem gefliesten Boden befindet sich das einstige Schwimmbecken des Bades. © WP | Michael Kleinrensing

Ein Einzigartiges Projekt

Käsgen wagte etwas Einzigartiges. In die alte Schwimmhalle baute er eine Backstube ohne an einer Ecke auch nur einmal den Denkmalschutz außer Acht zu lassen. Das große alte Mosaik in der Halle, das Relief im alten Eingangsbereich mit den 100 Jahre alten Fliesen und Scheiben. Wo einst Kinder und Nichtschwimmer planschten, stand nun der hölzerne Aufarbeitungstisch für Brote und Brötchen. An die Stelle der Herrenduschen kam der Knet­kessel, die Damenduschen wiederum hatten dem Sauerteig­bereiter Platz gemacht. Das kleine Sprungbrett nahe der Durchgangstür zum Foyer war den Etagenöfen gewichen, das eigentliche Schwimmbecken hatte Käsgen mit einer Betondecke zumauern lassen und darauf seine Kühlhäuser platziert.

Wie viel das alles gekostet hat, verrät der Bäckermeister nicht. Er berichtet, dass es immer schwieriger wurde, flexibles Personal zu finden. Dass aktuell die Preise für Mehl in den Himmel explodieren kann man wie den Teigtropfen deuten, der den Knetkessel zum Überlaufen brachte. Käsgen hört auf, zieht den Schlussstrich.

„Das Unternehmen hat mich in die Lage gebracht, dass ich aufhören kann“, sagt er. Er wolle sich nun der Freizeit widmen. Das alte Hallenbad steht hiermit zum Verkauf. Das Stammgebäude an der Hospitalstraße hat Käsgen bereits verkauft.