Hohenlimburg/Hagen. Eine junge Russin spricht am Mittwoch bei der Friedensdemo in Hagen über den Krieg in der Ukraine.
Ob sie ihren Namen heute bei der Friedensdemo in Hagen sagen wird, das weiß sie noch nicht. Dass sie ihre Stimme erheben und eine Rede vor den versammelten Menschen halten will, da ist sich die 26-Jährige aber sicher. In dieser Geschichte nennen wir sie Dascha, und sie kommt aus Russland.
Mit einem europäischen Austauschprogramm ist sie nun in Hagen und dort über den Verein „East West East“ mit weiteren jungen Frauen aus Russland und Griechenland zusammen. Sie alle verfolgen dieser Tage, was in der Ukraine passiert – und wie ihre Hoffnung auf eine Zukunft in einem geeinten Europa schwere Risse bekommt.
Es sollte keine Kriege geben
„Wir sind aufgewachsen in der Vorstellung, Kriege unbedingt zu verhindern. Im 21. Jahrhundert sollte es es keine Kriege geben, nirgendwo.“ Seit vergangener Woche habe sich der Blick auf ihr weiteres Leben verändert. „Gibt es überhaupt eine Zukunft? Meine Freunde haben mich gefragt, ob ich nach meiner Zeit in Deutschland wieder zurück nach Russland kommen werde. Ich weiß nicht einmal, ob es Russland oder Deutschland in einem Jahr überhaupt noch geben wird.“
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Es sind die Gedanken eines jungen Menschen, der einen dritten Weltkrieg durchaus als reale Gefahr für sein eigenes Leben sieht. „Meine Freunde aus der Ukraine schreiben mir, dass sie sich vor Beschuss verstecken müssen – und ich sitze hier und trinke Kaffee.“ Auch deshalb will sie mit ihren Freundinnen am Mittwoch auf die Straße in Hagen gehen und ein Zeichen setzen. Gegen den Krieg und für den Frieden.
Krieg macht auch Russen betroffen
Was sie bei ihrer Rede auf der Friedensdemo sagen will, das will sie vorher noch nicht preisgeben. In jedem Fall aber unterstreicht Dascha, dass dieser Krieg auch Russinnen und Russen beschäftigt und betroffen macht.
„Ich verstehe alle Menschen, die nun die Ukraine unterstützen. Manche Leute machen die Russen für die Situation verantwortlich, aber auch wir leiden darunter.“ Es gebe junge Russen, denen wegen des Krieges nun der soziale Ausschluss etwa von Universitäten in Europa drohe.
Sanktionen treffen russische Bevölkerung
Dazu die wirtschaftlichen Sanktionen, die die russische Bevölkerung schwer treffen. Der Ausschluss vom europäischen Zahlungsverkehr. „Wie können wir trennen zwischen unseren Leuten und anderen Leuten?“, fragt Dascha, „wir sind doch alle Menschen.“ Blicke man auf die Geschichte der Welt, so hätten Krieg und Waffen nie zum Besseren geführt, sondern stets zum Schlimmsten.
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Wer ihr länger zuhört, der merkt, wie die junge Frau mit sich ringt. Sie fühle sich schuldig, dass es nichts gibt, was sie tun kann. Sie will ihre Meinung sagen, will Gesicht zeigen, ihren Namen nennen und offen aussprechen, was sie denkt. „Ich habe kein Recht, leise zu sein.“ Andererseits hat sie aber auch Angst um die Folgen, die ihr und ihrer Familie in Russland dafür drohen können.
Kein Vertrauen in Soziale Medien
Sie bekommt in diesen Tagen viele Nachrichten von ihren Freunden, Bekannten und der Familie. Ihr Smartphone hilft ihr, die Situation zu verstehen – und macht sie zugleich noch komplizierter. „Ich vertraue keinen Medien mehr aus keinem Land – ich vertraue nur noch den Videos und Bildern, die ich von meinen Freunden und von meiner Familie vor Ort bekomme.“ Soziale Medien nutzt die 26-Jährige nicht, um sich über den Krieg zu informieren. Zu viel Lügen, zu viele falsche Videos und Propaganda würden in diesen Tagen verbreitet. „Russen sagen, es sind ukrainische Bomben, und die Ukrainer sagen, es sind russische Bomben. Ich kann nicht sicher sein, was die Wahrheit ist.“ Sie wolle einfach nur, dass es bald aufhört, sagt Dascha.
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Die 26-Jährige absolviert zurzeit mit anderen Jugendlichen aus Russland und Griechenland einen Freiwilligendienst im Rahmen des europäischen Erasmus-Programms bei der Jugendorganisation „East West East“. Der Verein setzt sich für den Austausch von Jugendlichen in West- und Osteuropa ein. Zuletzt bauten Vereinsmitglieder das Landheim auf dem Areal der ehemaligen Jugendbildungsstätte Berchum um und eröffneten ein Übernachtungshaus – als Treffpunkt für Jugendgruppen aus ganz Europa.