Hagen. Der Wald in Hagen ist Millionen wert. Das hat ein Gutachten vor Jahren bescheinigt. Weil er so viele Funktionen hat, muss er erhalten werden.
Was ist er eigentlich wert, so ein Wald? Und wie genau kann man diesen Wert messen, wo doch so viele Dinge eine Rolle spielen: der Wert des Holzes, der Wert für das Klima, der Wert für die Gesundheit, der Wert für die Naherholung. Hier also der Versuch einer Annäherung. Einer, die damit beginnt, dass man erst richtig merkt, was einem Dinge wert sind, wenn sie nicht mehr da sind. Wenn sie fehlen. So wie in Hagen.
Ein Blick von oben hilft und erschüttert zugleich. Unser Luftbild-Fotograf Hans Blossey hat aus seinem Flugzeug erst vor wenigen Tagen diesen erschütternden Blick geworfen. Sein Auftrag: Guck doch mal, wie es um den Hagener Wald so steht. Antwort: schlecht. Sehr schlecht. Es fehlt so viel. Was vor Monaten noch grün war, ist nur noch braun. Die Fichtenbestände fehlen. Die Bäume sind tot oder gefällt. Oder beides.
Waldretter in Kooperation mit Wirtschaftsbetrieb Hagen
Könnte es also Bilder geben, die noch eindrücklicher bestätigen, wie wichtig es ist, diesen Wald, diesen Schatz für Hagen, zu retten? Waldretter heißt deshalb das Projekt, das unsere Zeitung in enger Kooperation mit dem Wirtschaftsbetrieb Hagen auf den Weg gebracht hat. Ein Pflanzfest am Samstag, 13. November, an einer Borkenkäfer-Fläche oberhalb der Staumauer der Hasper Talsperre mag angesichts der Dimensionen wirken wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist ein Anfang, der Mut machen soll, all jene zu unterstützen, die sich um den Hagener Wald verdient machen.
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Neben jenen, die derzeit beim Wirtschaftsbetrieb Hagen Dienst tun, gibt es einen Kümmerer, der über Jahre den Hagener Wald umsorgt hat. Horst Heicappell, ehemals Leiter des Forstamtes, zuletzt Fachbereichsleiter beim WBH, jetzt pensioniert, aber immer noch Mitglied im Bund der Forstleute. Er hat einst dafür gekämpft, dass der städtische Wald nicht – wie vom Mentor Stefan Bajohr, ausgerechnet einem Mitglied der Grünen, 2009 geplant – verhökert wird. Wenn einer wissen muss, was dieser Wald wert ist, dann doch wohl Heicappell.
7000 Hektar Wald in Hagen
Und siehe da: Es gibt den Versuch einer Berechnung. „Liegt schon ein paar Jahre zurück“, sagt Heicappell, „aber 2013 gab es eine Studie der Fachhochschule Höxter, die versucht hat, die Ökosystem-Dienstleistung des Waldes in Hagen zu bemessen.“ Die Rede ist von rund 7000 Hektar Fläche, die nicht nur den städtischen, sondern auch den privaten Wald einbezieht.
„Vieles ist damals mit eingeflossen“, sagt Heicappell, „beispielsweise auch der Erosionsschutz, den das Wurzelwerk an Hängen hat und dessen Bedeutung bei der Flutkatastrophe noch einmal deutlich geworden ist. Aber letztlich ging es um mehr, als so etwas umzurechnen und einen Wert zu bemessen. Es ging darum, Menschen dafür zu sensibilisieren, welch Kostbarkeit es da in unserer Stadt gibt.“
3,7 Millionen Euro pro Jahr
Ein konkretes Rechenexempel: die Gesundheitsfunktion des Hagener Waldes. Wert pro Jahr: 3,742 Millionen Euro. Basierend auf der Annahme, dass 30 Prozent der 188.000 Hagener den Wald tatsächlich nutzen. Und wer das tut, habe gesundheitliche Vorteile, müsse weniger oft zum Arzt. Einmal weniger – glauben die Experten um Dr. Norbert Asche. 56.400 Arztbesucher weniger mal 66,36 Euro, so die Durchschnittskosten, die die Kassenärztliche Vereinigung damals herausgab.
„Insgesamt“, so sagt Horst Heicappell, „ist in der Studie von 20 Millionen Euro Ökosystemdienstleistungen pro Jahr die Rede. Der Wert dürfte bis heute weiter gestiegen sein. Immer, wenn im Rahmen der Konsolidierung über einen Verkauf des städtischen Waldes diskutiert wurde, war das ein wichtiges Argument.“
Pflanzen für Enkel und Urenkel
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Bis sich hingegen der Holzwert monetär entfalten kann, vergehen Jahrzehnte, wenn nicht gar mehr als ein Jahrhundert. „Waldbesitzer, die heute Pflanzen, werden die Erträge niemals selbst einstreichen“, sagt Horst Heicappell, „sie pflanzen nicht mal für die eigenen Kinder, sondern für ihre Enkel und Urenkel.“ Eine Aussage, die die Ausmaße der Katastrophe für das Generationenprojekt Waldwirtschaft erst deutlich macht. 80 bis weit über 100 Jahre Arbeit – alles umsonst. Alles weggefressen von einem Käfer. Das Holz ist so gut wie nichts mehr wert.
Was bleibt? Neuen Wald aufbauen, pflanzen, die Kräfte der Natur nutzen, weitermachen. In den kommunalen und privaten Wäldern. „Die Entscheidungen, die man jetzt treffen muss, sind aber nicht leicht“, sagt Horst Heicappell. „Zu 100 Prozent kann niemand voraussagen, welche Bäume sich künftig als besonders klimaresistent erweisen werden.“ Dazu kämen Probleme in den Baumschulen, die nun gefordert seien, in kurzer Zeit eine Vielzahl an Setzlingen zur Verfügung zu stellen. Das sei kaum zu leisten.
Wald ist keine Selbstverständlichkeit
Mitmachen und Waldretter werden
Um die vom Borkenkäfer zerstörten Flächen wieder zu bewalden, braucht es nach Schätzung des Regionalforstamtes Wald und Holz etwa 100 Millionen neue Bäume. Mit der Aktion „Waldretter“ will die WP einen Beitrag leisten, um dieses Ziel zu erreichen. Die WP beteiligt sich auch finanziell an der Aktion. Für jeden neuen Leser pflanzen wir einen Baum in der Region. Der Verlag hat zugesagt, mindestens 1500 Bäume zu spenden.Wir laden alle ein, sich an der Wiederaufforstung von Südwestfalen zu beteiligen und selbst Waldretter zu werden. Das geht auf diverse Art und Weise:Eine Baumspende ist ab einem Betrag von 5 Euro möglich. Dafür wird die Fläche gerodet und hergerichtet, ein Setzling gepflanzt und gepflegt. Ab einem Betrag von 50 Euro, also ab 10 Baumspenden, wird auf Wunsch eine Spendenquittung ausgestellt. Hier geht’s zur Spende: wp.de/waldretterBaumpate werden: Da die Wiederaufforstung eine Generationenaufgabe ist, kann man auch Baumpate werden. Für monatlich 10 Euro wird der Spender Pate einer 50 Quadratmeter großen Waldfläche, um für eine kontinuierliche Wiederaufforstung zu sorgen. Wer 19 Euro monatlich spenden möchte, wird Pate von 100 Quadratmetern Mischwald. Details: waldlokal.com/waldretter-projektPartner des Waldretter-Projektes in Hagen ist der städtische Wirtschaftsbetrieb.
Und bei all diesen Problemlagen ist auch Heicappell immer einer derjenigen, die auf die Ökosystem-Dienstleistung hinweisen. Unbeirrbar. „Wald scheint für uns eine Selbstverständlichkeit. Aber das ist er nicht. Er hat einen Wert. Und das muss man immer wieder klar machen. Den Hagener Bürgern, aber vor allem auch der Politik.“