Hagen. Nach der Flutwelle kommt die Welle der Hilfsbereitschaft: Auf dem Bauernhof Halverscheid in Hagen helfen bis zu 70 Menschen.

Dieses Wortspiel beschreibt, wie sie ihre Lage mittlerweile sehen. „Wir haben doch noch Schwein gehabt“, sagt Dirk Halverscheid. Schwein gehabt, auch im wahrsten Sinne. Die Schweine haben Schwein gehabt, sie haben überlebt. Die Schweine, die Kühe, die meisten Hühner, die Kaninchen. „Anderswo in Deutschland hat es doch ganze Orte weggespült. Menschen sind gestorben.“

Schwein gehabt – denn es kommt auch einem Wunder gleich, dass das Bauernhaus in Hagen, dass der Stall, dass das Einfamilienhaus, in dem Friedhelm Halverscheid lebt, noch stehen.

1,30 hoch steht das Wasser im Wohnzimmer

Die Volme ist über den Hof zwischen Priorei und Dahl geschossen. Der Hof war vor zwei Wochen quasi Bestandteil der Volme. Der Fluss hat sich seinen Weg durch das rund 500 Jahre alte Bauernhaus gesucht. 1,30 Meter hoch stand das Wasser im Wohnzimmer. Einzig die Fußgängerbrücke, die das eigentlich so beschaulich anmutende Gehöft mit der Bundesstraße 54 verbindet, über die die Kunden an den Verkaufstagen herüber kommen, über die die Kinder den Schulbus und Dirk Halverscheid seinen Arbeitsplatz bei der Firma Schmelzer erreichen, hat es weggespült – inklusive des Mittelpfeilers, der das Bauwerk einst getragen hat.

Am Mittwoch, 14. Juli, fährt Dirk Halverscheid ab dem frühen Morgen Einsätze mit der Freiwilligen Feuerwehr in Dahl. Keller leer pumpen, Wasser um Häuser leiten, ein Krankenhaus retten. Als er am frühen Nachmittag von der Klinik Ambrock in Richtung Priorei fährt, wird ihm klar: Jetzt wird es für das Tal und sein Gehöft eng. Er ackert auf dem eigenen Hof weiter, stellt sich mit seiner Frau und den Kindern gegen die Fluten. Gegen 17 Uhr müssen Halverscheids den Kampf gegen das Wasser final aufgegeben. „Es hatte einfach keinen Sinn mehr“, sagt Sarah Halverscheid, „das Wasser drückte mit einer enormen Geschwindigkeit von allen Seiten. Wir haben uns selbst in Sicherheit gebracht.“

Eine Welle der Hilfsbereitschaft

Sie haben kapituliert – aber nur für den Augenblick. Schon am Abend kehrt Dirk Halverscheid noch einmal zurück, wirft 30 Strohballen in den Stall, die sich so voll Wasser saugen, sodass sie nicht weggeschwemmt werden können. Die Schweine klettern hinauf und überleben. Die Rinder stehen bis zum Bauch im Wasser.

Die nächste Welle bricht einen Tag später über den Hof hinein. Es ist eine Welle, die eine wahre Wucht entfaltet – aber nun im positiven Sinne. Als Sarah in ihrem Whats-App-Status hinterlegt, dass die Familie Unterstützung gut gebrauchen könne, bricht eine Welle der Hilfsbereitschaft über den Bauernhof im Volmetal herein. „Das war unglaublich“, sagt Sarah Halverscheid, „hier waren teilweise 60 bis 70 Menschen auf unserem Hof und haben einfach mit angepackt. Diese Hilfsbereitschaft – das ist der Wahnsinn. Bis heute melden sich Leute bei uns.“

Unglaublicher Zusammenhalt bleibt haften

Befreundete Landwirte schaffen den Schlamm aus dem Wasser. Menschen, die Sarah und Dirk Halverscheid noch nie gesehen haben, räumen die durchnässten Möbel nach draußen. Auf dem Hof startet das große Aufräumen. „Dieser Zusammenhalt war einfach unglaublich“, sagt Sarah Halverscheid, „wenn von dieser Katastrophe etwas Positives bleibt, dann ist es dieser unglaubliche Zusammenhalt.“

Der Zusammenhalt bleibt, aber auch Sorgen bleiben. „Natürlich denken wir auch darüber nach, was denn ist, wenn wir alles wieder aufgebaut haben und das Wasser dann wieder kommt“, sagt Sarah Halverscheid über das Gehöft, das sich direkt an die Volme schmiegt. „Aber so einen Hof kann man ja nicht einfach versetzen. Wir denken aber schon jetzt sehr intensiv darüber nach, wie wir den Hof für künftige Generationen sicherer machen können.“

Sorge vor kontaminiertem Boden

Sonderkonto bei Stadt

Die Stadt Hagen hat ein spezielles Sonderkonto mit der IBAN DE66 4505 0001 1000 2890 68 - Stadt Hagen (Spendenkonto Hochwasserhilfe) für Geldspenden zur Hilfe der Betroffenen eingerichtet.

Wie hoch der Schaden letztlich ist, können Halverscheids auch zwei Wochen nach der Hochwasserkatastrophe noch nicht abschätzen. „Wir wissen noch gar nicht, was aus unserer Ernte wird“, sagt Dirk Halverscheid. Der Müll, der Schlamm und das Geröll sind von Feldern und Wiesen, aber es bleibt die Sorge, dass das Wasser kontaminiert war. „Es hat ja ganze Öltanks weggespült. Im ganzen Volmetal hat es doch nach Diesel gestunken. Welchen Schaden die Umwelt langfristig genommen hat, ist noch nicht klar. Wir werden unseren Weizen dreschen und dann eine Probe analysieren lassen. Erst dann wissen wir, ob wir ihn überhaupt verwenden können.“

Schwein gehabt – vielleicht nicht in jedem Sinne.