Hagen. Während die Problematik in Städten der Umgebung größer wird, muss in Hagen niemand auf der Straße schlafen. Auch nicht in der Pandemie. Warum?
Sie ist unantastbar, die Menschenwürde. Wohl wahr, wir erleben jeden Tag in dieser Stadt, in diesem Land, in Europa, auf der Welt, dass Menschen unwürdig miteinander umgehen. Und wir erleben, dass Menschen vergessen werden. Der jährliche Gottesdienst für rund 100 „Unbedachte“ in Hagen ist ein trauriges Zeugnis davon. Wenn sich viele, die mitten im Leben stehen, ein Einkommen haben, ein Dach über dem Kopf und eine Familie, die zu ihnen hält, von der Corona-Pandemie noch dazu sozial erwürgt fühlen, wie muss es dann den Obdachlosen in dieser Stadt gehen? Erst recht in diesen Tagen, da manchen die Kälte körperlich noch mehr zusetzt als das obdachlose Leben ohnehin schon.
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Straßenmagazin „Bodo“ forderte jüngst Hotel-Übernachtungen für Obdachlose
Nur ein paar Kilometer weiter, im Ruhrgebiet, da gibt es Probleme. Corona hat die Situation der Obdachlosen dort weiter verschärft. Hattingen, Essen, Dortmund. Aus all diesen Städten kommt Berichterstattung dieser Art. Man baut Notunterkünfte. In Dortmund erlaubt Nahverkehrsbetreiber DSW21 wie in den Vorjahren bei entsprechenden Temperaturen die Übernachtung in der Königswallpassage im Hauptbahnhof. Alle anderen Bahnstationen sind für Obdachlose dicht gemacht worden. Das Straßenmagazin „Bodo“, das auch in Hagen von Menschen in schwierigen sozialen Lagen vertrieben wird und wegen der Pandemie selbst große Austeilschwierigkeiten hatte, forderte jüngst, Hotels für Obdachlose zu öffnen. Aber wieso ist es in Hagen so still um dieses Thema?
Ein dichtes Netz an Helfern: Stadt, Diakonie, Polizei und andere
Nun, die Antwort ist dreiteilig. Zum einen scheint es laut Stadt ein gutes Netz derer in Hagen zu geben, die auf diejenigen achten, die auf „der Platte“, also wohnungslos sind. Da ist die Stadt selbst, daneben die Diakonie mit ihrer Wohnungslosenhilfe, die Bahnhofsmission, Luthers Waschsalon, die Suppenküche, auch die Polizei.
Zweitens kommt hinzu: die Stadt ist klein. Im Vergleich zu allen umliegenden großen Ruhrgebietsstädten nimmt Hagen mit knapp 190.000 Einwohnern und einem vergleichsweise kleinem besiedelten Wohnbereich eine untergeordnete Stellung ein. „Hier fallen Menschen einfach nicht so leicht durchs Netz“, sagt Stadt-Pressesprecherin Clara Treude und spiegelt damit die Erfahrungen der beiden städtischen Streetworker, die jeden Tag den Kontakt zu diesen Menschen suchen, in die entsprechenden Viertel, an die jeweiligen Orte, Verstecke oder in Häuser gehen. „Es gibt laut unseren Streetworkern in der großen Breite deshalb keine Menschen, die auf der Straße leben.“
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Unterschiedliche Betreuungskonzepte auf einzelnen Etagen der „Tuche“
Im Männerasyl in der Tuchmacherstraße wäre unsere Redaktion in diesen Tagen gern mit Betroffenen ins Gespräch gekommen, was aus Coronaschutzgründen aber nicht geht. Übernachtungsstelle im Erdgeschoss für kurzfristige Unterbringung mit 19 Plätzen, in der ersten Etage wird in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk die „Wohnetage“ betrieben. Diese Möglichkeit der Unterbringung bietet bis zu zehn Männern die Perspektive, nach erfolgreichem Wohntraining wieder eine eigene Wohnung anzumieten. In dem zweiten und dritten Obergeschoss gibt es Schlaf- und Aufenthaltsräume für weitere zehn bis zwölf Männer. Hier leben zum größten Teil Männer, die längerfristig auf eine heimähnliche Unterbringung angewiesen sind. Aktuell ist die „Tuche“, wie der Volksmund sie nennt, mit 30 Betroffenen belegt.
225 Obdachlose sind aktuell ordnungsbehördlich untergebracht in Hagen
225 Obdachlose sind aktuell „ordnungsbehördlich“, also von der Stadt in Hagen untergebracht. Sie stammen aus 110 Haushalten, was zeigt, das auch Paare oder Familien darunter sind. Sie sind untergebracht in städtischen Einrichtungen. Es gibt zwei Wohnhäuser mit sogenannten Schlichtwohnungen, einem Wohnbaukonzept der 1950er-Jahre, bei dem die geltenden Ausstattungsstandards bewusst unterschritten wurden, um die kriegsbedingte Wohnungsnot und Obdachlosigkeit zu bekämpfen. „Dazu gibt es 50 Übergangswohnungen der Stadt und im Notfall würden wir die Menschen im Hotel unterbringen“, sagt Clara Treude.
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Es gebe in Hagen trotz aller Bedürftigkeit also keinen Grund, auf der Straße leben zu müssen – eine gute Botschaft in diesen Tagen.