Hagen. . Seit 13 Jahren ist in Hagen kein Obdachloser mehr erfroren. Im Männerasyl finden die Menschen, die keine Wohnung haben, eine Bleibe.

Wenn er nicht im Männerasyl untergekommen sei, wäre er wohl längst erfroren, überlegt Benno und nimmt einen tiefen Zug aus der selbstgedrehten Zigarette: „So bitterkalt, wie es draußen ist. Und ich hatte ja keine Bleibe mehr.“ Nachdem ihn seine Freundin Mitte Januar nach einem Streit der Wohnung verwiesen hatte, hatte der 43-jährige Gärtner plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf: „Und arbeitslos bin ich auch. Wie weg vom Fenster.“

Im städtischen Männerasyl wurde Benno aufgefangen - wie manch anderer Schicksalsgenosse, der in der Einrichtung in der Tuchmacherstraße untergeschlüpft ist. Seit 13 Jahren ist in Hagen kein Obdachloser mehr erfroren, und das hängt zusammen mit der Gründung der zentralen Fachstelle für Wohnungsnot, die 1999 ins Leben gerufen wurde. „Mittlerweile sind wir gut aufgestellt“, berichtet Amtsleiter Klaus Gierke. „Wir verfügen über ein breitgefächertes Instrumentarium aus Notunterkünften, Übergangswohnungen und dem Männerasyl. Niemand, der das nicht unbedingt will, muss draußen nächtigen.“

Im Winter gut belegt

Derzeit leben außer Benno 22 weitere Männer in der Tuchmacherstraße. Im Erdgeschoss befinden sich die großen Schlafräume, in der ersten Etage die Einzelzimmer für ein Wohntraining, in der zweiten eine Art Wohngemeinschaft. Wer oben wohnt, muss sich selbst versorgen. Im Erdgeschoss gibt es Frühstück und ein warmes Abendessen, das die Polizeikantine zubereitet und anliefert. „Jetzt im Winter sind wir natürlich gut belegt“, berichtet Burkhard Müller (52), der das Männerasyl leitet. „Aber auch im Sommer schläft kaum noch jemand unter freiem Himmel.“

Denn die Zeiten, in denen Obdachlose von Stadt zu Stadt zogen und der sozialen Kontrolle völlig entglitten, sind längst vorbei. Der „klassische“ Typ des Alkoholikers oder Drogenabhängigen findet sich kaum noch in der Tuchmacherstraße, vielmehr sind es ehemals gutbürgerliche Existenzen, die nach gesundheitlichen, beruflichen oder persönlichen Tiefschlägen auf der Straße gelandet sind. „In den letzten Jahren hatten wir hier drei Ärzte und einen Unternehmer“, so Müller. Das Männerasyl versteht sich nicht als Pension, deren Insassen sich dauerhaft niederlassen sollen: „Wir wollen den Obdachlosen gerecht werden, aber sie sollen es nicht heimelig haben“, betont Müller. Das Ziel sei es stets, den Betroffenen einen Weg zurück ins Leben und somit auch zu eigenen vier Wänden aufzuzeigen.

"Ich hätte mir doch nie träumen lassen"

Benno will die Tuchmacherstraße auf jeden Fall so bald wie möglich hinter sich lassen. Spätestens im Frühjahr, da ist er sicher, werde er als Gärtner eine Anstellung finden, denn dann ziehe die Konjunktur in seiner Branche wieder an. Und mit einer Arbeitsstelle werde er auch wieder eine eigene Wohnung finden. So ganz fassen kann er ohnehin nicht, dass er überhaupt im Obdachlosenheim gelandet ist: „Ich hätte mir doch nie träumen lassen, auf einmal auf der Straße zu stehen. . .“