Hagen. Die Auswirkungen von Corona treffen auch die Wohnungslosenhilfe in Hagen. Ein Einblick in die Situation, die Zahlen und die Hilfen vor Ort.
2020 ist bereits jetzt ein Jahr, das geprägt ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Diese bekommt auch die Wohnungslosenhilfe der Diakonie Mark-Ruhr in Hagen mit voller Wucht zu spüren. „Unser Ziel ist es, den Menschen zu helfen, die durch alle Rettungsnetze durchgefallen sind. Wir wollen sie an fachgerechte Hilfe und zurück ins Regelsystem vermitteln“, sagt Einrichtungsleiterin Christine Wienstroth.
Bis jetzt, das betont auch Fachdienstleitung Ulf Wegmann, seien die Fallzahlen in Hagen noch nicht gestiegen. 469 Menschen wurden in der Beratungsstelle bislang dieses Jahr beraten, darunter 262 Neuaufnahmen. Das seien zwar deutlich weniger Menschen als in den Vorjahren. „Aber durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit erwarten wir in den nächsten Monaten eine Veränderung“, betont er.
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Zumal die Beratung schwieriger geworden ist, wie die Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe betonen. Termine finden nur nach Vereinbarungen statt, wochenlang war die Einrichtung - sowie viele Ämter, die sonst helfen -komplett für Besucher geschlossen und Beratungen fanden nur draußen statt. „Viele Klienten sind unsicher, ob wir geöffnet haben“, betont Christine Wienstroth, die dennoch die Flexibilität bewundert.
„Wir haben auch viel Zuspruch bekommen. Für unsere Klienten war die Postausgabe über das Fenster kein Problem, sie sind super mit der Situation umgegangen. Was uns wichtig ist: Wir arbeiten weiter“, will sie versichern, dass Menschen in der Schulstraße weiterhin Hilfe finden.
Oft mehrere Gründe
Dabei seien die Gründe, aus denen Menschen die Beratungsräume aufsuchen, unterschiedlich. „Es ist niemals monokausal“, will Mitarbeiter und Berater Peter Wiewiorka betonen. Was aber fast alle Menschen verbinde, sei Armut. „Und das nicht nur bezogen auf die finanzielle Situation. Es fehlt an sozialen Kontakten, die eine Notsituation abfedern können, oft ist Gesundheit ein Thema, soziale Strukturen oder die Arbeitssituation“, so Christine Wienstroth.
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Das zeigen auch die Zahlen aus 2019: 804 Menschen wurden beraten (davon 22,14 Prozent Frauen), ein Großteil (83,96 Prozent) alleinstehend. Die beiden häufigsten Gründe für die Wohnungslosigkeit waren eine Kündigung durch den Vermieter oder Selbstkündigung. Als Auslöser gaben die Betroffenen Trennung oder Scheidung (17,53 Prozent), Miet- und Energieschulden (24,3 Prozent), Ortswechsel oder Konflikte im Wohnumfeld an.
Hoher Anteil an jungen Menschen
Erneut sei aufgefallen, dass unter den Klienten ein hoher Anteil an jungen Menschen sei. „248 junge Menschen unter 25 haben bei uns Beratung gesucht“, so Wienstroth. Etwa ein Drittel. Ihnen fehlten oft lebenspraktische Fähigkeiten. Zumal – außer bei gravierenden Gründen – die jungen Menschen einem „Auszugsverbot“ unterliegen und die Kosten der Unterkunft bis 25 nicht übernommen werden.
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„Oft geschieht der Verlust der Unterkunft ungeplant. Dann stehen sie vor dem Problem, wie es weitergeht, ohne Lebenserfahrung“, erklärt Wegmann. Und trotz der oft tragischen und traurigen Fälle gebe es auch die positiven Momente: „Das Zwischenmenschliche, die Geschichten, das macht den Zauber der Arbeit aus“, betont Wiewiorka.
Und sie trägt Früchte. Vor Hilfebeginn hatten nur 46 Menschen eine Wohnung, nach Ende der Hilfe waren es 156. Nur noch vier Menschen (vorher 15) lebten auf der Straße, deutlich weniger bei Familie (33) und Bekannten (48).
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„Es ist schön zu sehen, dass unsere Arbeit hilft“, sagt die Einrichtungsleiterin. Und das, obwohl es auf dem Hagener Wohnungsmarkt nur ein eingeschränktes Angebot an preisgünstigen Wohnungen gab und gibt. „Da müsste was passieren. Denn auch das führt dazu, dass die Suche nach Wohnungen deutlich länger dauert“, sind sich alle drei einig.