Hagen-Mitte. Luthers Waschsalon kann trotz der Krise Wohnungslosen und Bedürftigen helfen. Wie die schwierige Zeit die Menschen bewegt.

Der 81 Jahre alte Hagener will eigentlich nicht hier in der Körnerstraße in der kleinen Schlange stehen, hinter einem der roten Striche auf dem Boden, die die Corona-Abstände regeln. Aber es geht nicht anders. „Die Armut macht das“, sagt der Mann mit weißer Kappe und freundlichen, aufgeweckten blauen Augen. Herr B. will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Aber über seine Armut spricht er ganz offen.

Wenn das Geld nicht reicht

„Ich habe 41 Jahre lang gearbeitet. Trotzdem reicht meine Rente nicht ansatzweise zum Leben.“ 1000 Euro bekommt er im Monat, allein 500 Euro zahlt er für seine Miete. Dazu kommen die Kosten für Krankenkasse, Heizung „und eben alles was an Fixkosten anfällt.“ Seitdem seine Frau verstorben ist, lebt er allein. Und er ist auf die Hilfe von den „netten Frauen mit den blauen Jacken“ angewiesen, sagt er und grinst. Er kommt seit Jahren zu Luthers Waschsalon in der Körnerstraße. Die Hilfe anzunehmen, hat ihn nie gestört. Hier bekommt er Lebensmittel-Tüten, kann seine Wäsche waschen.

Die Gemeinschaft fehlt

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„Ich gehe hier auch regelmäßig zum Arzt“, sagt Sylvia. Sie ist 48 Jahre alt, arbeitslos, kann aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten - „maximal drei Stunden pro Woche, hat der Arzt gesagt“, sagt sie und nickt. Auch sie steht in dem Hinterhof zwischen Kleiderstangen und Kartons mit Büchern an, um eine Essens-Tüte zu bekommen.

Aber dennoch ist das alles hier nicht mehr wie es mal war. Vor Corona. „Ich habe niemanden, mit dem ich sprechen kann. Wir haben hier immer zusammen gefrühstückt, ich bin zu den Frauen-Gruppentreffen gekommen“, sagt Sylvia. Hier kennt man sich. Hier gibt es warme Worte und Offenheit, auf die die Hagener, die herkommen, im Alltag sonst nur selten treffen. Sie sind von Armut betroffen, obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht. Menschen am Rande der Gesellschaft.

80 Prozent über Zukauf

Die Ausgabestelle: Die Mitarbeiterinnen packen Tüten hinter einer Plexiglasscheibe
Die Ausgabestelle: Die Mitarbeiterinnen packen Tüten hinter einer Plexiglasscheibe © WP | Michael Kleinrensing

„Im Schnitt geben wir hier 100 Tüten pro Ausgabe-Tag aus“, sagt Einrichtungsleitung Ilona Ladwig-Henning. Vor Corona waren es etwa 70. „Den erhöhten Bedarf würde ich unter anderem darauf zurückführen, dass Corona die finanzielle Situation bei vielen verschlechtert hat. Außerdem sind die Lebenshaltungskosten gestiegen“, sagt sie.

Auch Luthers Waschsalon betrifft das: „Wir bekommen zwar viele Lebensmittel- oder Geldspenden. Aber etwa 80 Prozent, der Lebensmittel, die hier ausgegeben werden, müssen wir zukaufen.“

Mit wir meint Ilona sich und das 15-köpfige ehrenamtliche Team, das hier im Einsatz ist. Luthers Waschsalon, das bedeutet für die Ehrenamtler mehr als nur Pflege für Körper und Seele anzubieten. Neben der Frühstücksausgabe, Gelegenheiten zur Körper- und Wäschepflege, Ersatzkleidung, allgemeinmedizinische und zahnärztliche Sprechstunde sowie Beratung steht hier vor allem der menschliche Aspekt im Vordergrund. „Für mich ist es eine Bereicherung, anderen Menschen helfen zu können“, sagt Ilona Ladwig-Henning.

Große Dankbarkeit bei den „Gästen“

Im Waschsalon können Wohnungslose ihre Wäsche abgeben und waschen lassen.
Im Waschsalon können Wohnungslose ihre Wäsche abgeben und waschen lassen. © WP | Michael Kleinrensing

„Es ist unfassbar, wie freundlich, aufgeschlossen und dankbar die Menschen sind, die herkommen“, sagt sie, während sie hinter der Plexiglasscheibe an der Ausgabe schaut, dass alles seinen geregelten Gang geht. Aufschnitt, Brot, eine Banane - „und Schokolade für die Seele“ kommen in die Tüte, die Petra Dolleske gerade packt.

Sie engagiert sich seit fünf Jahren hier, weil ihr die Schicksalsschläge der Menschen keine Ruhe gelassen haben. „Ich habe eigentlich alles. Viele Menschen, die herkommen, haben fast nichts. Deswegen will ich helfen.“

Normalerweise hilft sie in der zahnmedizinischen Beratung aus, die ebenfalls im Haus untergebracht ist. Wegen Corona mussten alle medizinischen Angebote im Haus aber vorerst auf Eis gelegt werden. „Wir sind ja froh, dass überhaupt wieder was geht“, sagt die Einrichtungsleiterin. Denn kurzzeitig war die Einrichtung im März auch komplett geschlossen. Seit April konnten die Helfer dann langsam wieder starten mit der Essensausgabe.

Duschen in Vollmontur desinfizieren

Mittlerweile können Obdachlose aus Hagen auch wieder das Duschangebot in den Räumen nutzen. „Auch wenn es mit unfassbarem Aufwand einhergeht“, sagt Ilona Ladwig-Henning. Im Anschluss müsse einer der Ehrenamtlichen in Kittel und mit Stiefeln ausgerüstet den kompletten Duschraum in Vollmontur desinfizieren.

„Ja, es ist nicht so leicht. Gerade mit Blick auf die Weihnachtszeit, die viele völlig isoliert verbringen werden“, sagt die Leiterin. Kurz vor Weihnachten wollen die Mitarbeiter deswegen zusätzliche Weihnachts-Essenstüten packen, um den Menschen eine Freude zu machen und ihnen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Die sowieso schon schwierigen Lebensumstände noch etwas leichter zu gestalten.