Hagen/Witten. Grete Fastenrath, die 70 Jahre lang in Hagen gewohnt hat, hat zu ihrem 107. Geburtstag eine Corona-Erkrankung überstanden.
Man kann es nicht anders sagen: Corona vermiest der gebürtigen Hagenerin Grete Fastenrath ordentlich den Lebensabend. Bis zum Mai 2020 lebte sie noch in einer eigenen Wohnung. Erst nach den Kontaktbeschränkungen im Frühjahr und einem Unfall, bei dem sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben etwas gebrochen hatte, entschied sie sich, in ein Wittener Seniorenheim zu ziehen.
Von der Corona-Pandemie wurde auch die gebürtige Boelerin nicht verschont. Ihren 107. Geburtstag musste sie darum auf der Isolierstation feiern. Seit Montag aber ist klar: Grete Fastenrath ist nach vier Wochen wieder virusfrei und darf besucht werden.
Corona-Erkrankung verlief fast ohne Symptome
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Ihre Großnichte Brigitte Ruttowski ist darüber mehr als erleichtert. Die 68-Jährige und ihre Schwester kümmern sich als nächste Verwandte um „Tante Grete“ und konnten sie zuletzt Mitte Dezember persönlich sehen. In der Zwischenzeit rollte die Seniorin mit dem Rollstuhl ans Fenster und telefonierte mit den Verwandten, die zeitgleich unten vor dem Gebäude standen und winkten.
„Tante Grete hat Corona. Das konnten wir alle nicht fassen“, sagt Brigitte Ruttkowski. Allerdings verlief die Krankheit nahezu symptomfrei, bis auf ein paar Knochenschmerzen. „Hätte das Heim nicht so viel getestet, wäre sie der perfekte Superspreader gewesen“, meint die Großnichte.
Neugier und Bewegungsdrang
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Dass die hochbetagte Dame an Corona sterben könnte – zumindest die Angehörigen haben daran nicht geglaubt. „Dazu ist sie viel zu ungeduldig“, meint Brigitte Ruttkowski. Gemeinsam haben sie sich eh überlegt: „Tante Grete muss hier unten noch lernen, geduldig zu werden.“
Diese Ungeduld, die Neugier und Bewegungsdrang sind Gründe, warum Grete Fastenrath für ihr hohes Alter noch so fit ist. Natürlich, auch der Vater (91) oder die Schwester (96) seien alt geworden. Erstaunlich aber ist, dass die 107-Jährige ein für ihre Generation ungewöhnlich selbstbestimmtes Leben geführt hat.
Von einem selbstbestimmten Leben
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1914 wurde sie als in Hagen-Boele als dritte Tochter einer christlichen Familie geboren. Die ältere Schwester wurde Diakonisse, die mittlere heiratet, bekommt zwei Kinder – und gab für diese Ehe all ihre Freiheiten auf. Die Jüngste hatte dieses Beispiel vor Augen, als sie 1928 in eine kaufmännische Lehre ging.
In den nächsten Jahren wechselte sie oft die Arbeitsstelle und arbeitete als Sekretärin in unterschiedlichsten Branchen – bei einem Zeitungsverlag oder in der Ölfabrik von Carl Bechem in Hagen, wo sie bereits die Korrespondenz des Geschäftsführers erledigen durfte.
Ab 1938 für die Elektromark in Hagen gearbeitet
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Im Juni 1938 wechselte sie zum Stromversorger Elektromark, der heute Mark-E heißt. Die wachsende Stromwirtschaft bot große Chancen. Grete Fastenrath wurde Vorzimmerdame des Technischen Direktors, bis zu ihrer Pensionierung. Sie arbeitete in dem Gebäude, in dem heute das Hagener Folkwangmuseum beheimatet ist. Schon 1952 bezog sie als ledige Frau eine eigene Wohnung. Ein Mann, der womöglich das Arbeiten verbot, passte nicht in diese Lebenswelt. Grete Fastenrath fuhr, obwohl alleinstehend, regelmäßig in den Urlaub, etwa zum Skifahren oder in Kaufmannserholungsheime. Nur das Schwimmen hat sie nie gelernt.
Bei Brigitte Ruttkowski klingt viel Bewunderung für die Tante mit. „Sie hat eine schnelle Auffassungsgabe und ist sehr intelligent“, sagt sie. Als „klar strukturiert, diszipliniert und sortiert“ beschreibt sie ihre Tante. „Und sie war immer für uns Kinder da.“ Nach 70 Jahren in Hagen entschied Grete Fastenrath, dass es Zeit für einen neuen Lebensabschnitt sei. Dieser spielte im Lipper Land, wo sie im Kurort Bad Meinberg 20 Jahre lang lebte.
Liebesbriefe für die Kollegen
Schon hochbetagt zog sie in die Nähe ihrer beiden Großnichten, in eine seniorengerechte Wohnung in Lütgendortmund. In dem Haus mit angegliedertem Pflegeservice hätte sie weiter wohnen können – wäre nicht Corona gekommen und der Umzug in die Feierabendhäuser Schwesternpark in Witten. Dort liest Grete Fastenrath noch heute täglich die Zeitung und auch ihre Geburtstagspost.
Schließlich ist die Familie groß, neben den Großnichten und Großneffen gibt es das Ganze noch in der Urgroß- und Ururgroßvariante. Aus ihrer Wohnung, die im Mai unter Coronabedingungen aufgelöst wurde, nahm sie ihren Schreibtisch mit, der sie ihr Leben lang begleitet hat. „Sie ist so schrift- und wortgewandt und hat tolle Briefe oder auch Gedichte geschrieben“, sagt Brigitte Ruttkowski. Und schmunzelnd erinnert sie sich: Zur Aufgabe der Chefsekretärin gehörte es auch, für die Kollegen Liebesbriefe zu schreiben.