Hagens große Meister-Expressionisten sind zurück in der Stadt. Unsere Zeitung erzählt die Geheimnisse ausgewählter Werke

1.

Befreit Euch von den Korsetts und Vatermördern! Die Künstler der Jahrhundertwende begeistern sich für die Bewegung der Lebensreform. Zurück zur Natur, lautet die Devise, zu Ursprünglichkeit und Unverfälschtheit. Dazu gehört auch die Freikörperkultur. Die Sommer vor dem Ersten Weltkrieg verbringen Ernst Ludwig Kirchner und seine Malerfreunde von der 1905 gegründeten Brücke auf der Insel Fehmarn. 120 Ölbilder von der Küste und ihrer Umgebung hat Kirchner dort gemalt, auch 1912 die „Badenden“.

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2.

Wie so viele junge Männer seiner Generation meldet sich Ernst Ludwig Kirchner (6. Mai 1880 - 15. Juni 1938) sofort zum Beginn des Ersten Weltkrieges als Freiwilliger, erleidet aber schon nach wenigen Monaten einen Nervenzusammenbruch und wird morphiumsüchtig. Karl Ernst Osthaus unterstützt den Maler zeitlebens, er finanziert auch einen Sanatoriumsaufenthalt. Um seine angegriffenen Nerven zu heilen, zieht Kirchner 1917 nach Davos in der Schweiz und kommt für einige glückliche Jahre von den Medikamenten los. Dann brandmarken die Nationalsozialisten seine Werke als entartet; 639 seiner Bilder werden aus den Museen entfernt und beschlagnahmt, 32 davon, darunter sieben Arbeiten aus Hagener/Essener Besitz, werden in der Ausstellung Entartete Kunst gezeigt. Das kann Ernst Ludwig Kirchner nicht ertragen. Am 15. Juni 1938 tötet er sich durch Herzschuss.

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3.

Zwei weibliche Figuren in natürlicher Nacktheit baden vor der Kulisse eines Sommertages in dem Gemälde „Badende“ in der Ostsee. Vermutlich hat Kirchner seine Lebensgefährtin, die Tänzerin Erna Schilling, und Sidi Riham, die Freundin Erich Heckels, als Modell herangezogen. Die Darstellung der Figuren wirkt archaisch; möglicherweise ist sie durch Kirchners Interesse an der Bildhauerkunst außereuropäischer Kulturen beeinflusst. Das Bild der zwei Badenden thematisiert die Sehnsucht Kirchners nach einem neuen Arkadien als Reflex auf die fortschreitende Industrialisierung in den Städten.

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4.

Die Verbindung von Kirchner zu Hagen ist eng. Erstmals reist der Maler im Sommer 1912 an die Volme. Heute besitzt das Osthaus-Museum 20 Werke Kirchners, darunter vier Gemälde und 16 wunderbare Arbeiten auf Papier.

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Im Karl-Ernst-Osthaus Archiv existieren rund 200 Briefe zwischen Kirchner und Osthaus aus den Jahren von 1910 bis 1916. Osthaus hat zu Kirchner eine engere Verbindung als zu den anderen Brücke-Künstlern. Schon 1907 veranstaltet der Mäzen die erste Brücke-Ausstellung in Hagen; 1913 widmet er Kirchner eine Einzelausstellung. 1917 besucht Osthaus Kirchner im Atelier, wo er fünf Gemälde erwirbt, vier davon gehen 1922 nach Essen.

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Wenig bekannt ist in Hagen, dass Osthaus Kirchner auch beauftragt, für das erste Haus der Stirnband-Reihe ein Relief an der Fassade zu gestalten.

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Durch den Krieg kommt die Ausführung nicht mehr zustande. Ebenso zerschlägt sich der Plan, dass Kirchner zusammen mit Christian Rohlfs die Kuppel der Stadthalle ausmalen soll.