Hagen. Schwere Zeiten sieht Michael Plohmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, auf das Hagener Handwerk zukommen.

Dr. Michael Plohmann ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Hagen. Wir sprachen mit ihm über die Situation des Handwerks in der Corona-Krise.

Wie dramatisch ist die Situation in den Branchen des heimischen Handwerks? Ist die Auftragslage eingebrochen?

Wir durchlaufen harte Zeiten, und vermutlich steht uns eine noch härtere Phase bevor. Ich meine die nächsten zwei, drei Wochen. Die werden heftig, und für viele Betriebe wird es schwer sein durchzuhalten.

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Erwarten Sie mehr Aufträge seitens der öffentlichen Hand?

Im Moment wird uns der Staat nicht weiterhelfen könne, auch nicht die Stadt Hagen. Es gibt ja schon jetzt zu wenig Personal im Bauamt, um das bestehende Konjunkturpaket abzuarbeiten.


Geht es allen Betrieben schlecht?

Die Lage ist unterschiedlich. In manchem Unternehmen brummt es noch, aber viele müssen schon jetzt die Zähne zusammen beißen. Ich kann nicht für jeden Betrieb sprechen, aber die Lage ist nicht überall desaströs. Noch nicht.


Malermeister Michael Harde hat gefordert, Aufträge ohne die üblichen bürokratischen Formalitäten zu
vergeben, quasi per Telefonanruf.

Natürlich ist es ein vielversprechendes Rezept, das Auftragswesen zu verstärken. Doch ich fürchte, so einfach, wie Harde sich das vorstellt, geht das nicht. Es gibt Gesetze, es gibt Vorschriften – und an die haben sich auch die Behörden in Hagen und übrigens auch unsere Handwerker zu halten.

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    Haben bereits Betriebe aufgegeben?

    So weit mir das bekannt ist: nein. Aber zahlreiche Unternehmen haben Kurzarbeit angemeldet, teils auch vorsorglich, obwohl sie davon noch keinen Gebrauch machen mussten.


    Einer Studie der Uni Mainz zufolge wird die Krise ihren Höhepunkt im Juni erreichen und Ende August abflauen.

    So lange werden viele Handwerksbetriebe nicht aushalten. Ihnen droht im schlimmsten Fall das Aus.

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    Welche Branchen sind besonders betroffen?

    Am schlimmsten hat es die Friseure erwischt. Sie dürfen nicht mehr arbeiten, verfügen über keinerlei Einnahmen, sitzen aber weiterhin auf ihren Kosten, etwa der Miete, auch wenn es da gesetzliche Erleichterungen gegeben hat. Ihre Existenz ist am stärksten gefährdet.


    Wobei man sich fragt, wie so mancher Friseur bisher überhaupt überlebt hat -- auch ohne Corona. Bei denen man einen Haarschnitt für sechs Euro oder noch weniger bekommt?

    Ich glaube, dass gerade diese schmerzunempfindlichsten Geschäfte nach der Krise wieder öffnen werden. Aber die gelernten Friseure, die sich an alle Vorschriften halten, tun mir Leid.

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    Welche Rettungsanker gibt es für das Handwerk in der Krise?

    Wir sollten unseren Betrieben die notwendige Bewegungsfreiheit lassen und jetzt nicht bereits erteilte Aufträge absagen. Die Verbraucher müssen ihre Ruhe bewahren, die Handwerker kennen sich mit den Hygienemaßnahmen aus und befolgen diese strikt. Wenn man sich am Merkblatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung orientiert, und das tun unsere Handwerker, dann bietet das größtmögliche Sicherheit. Unsere Kreishandwerkerschaft bzw. Innungen haben die Mitgliedsbetriebe zudem sehr zeitnah über die Sonderprogramme von Bund und Land, Erleichterungen bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld, KfW- und Bürgschaftskreditprogramme etc. informiert, um Hilfestellung zur Existenzsicherung bieten zu können. Dies gilt auch weiterhin!


    Reichen denn die staatlichen Hilfen aus, um strauchelnde Betriebe über Wasser zu halten?

    Die meisten unserer Betriebe haben fünf bis sieben Mitarbeiter, die haben Luft, um vielleicht vier bis acht Wochen durchzuhalten. Derzeit erhalten Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern in NRW 5000 Euro für drei Monate, in Bayern sind es 9000 Euro. Ich weiß, dass es kein Patentrezept sein kann, aber die staatliche Unterstützung wird natürlich so manchem Betrieb helfen, durchzuhalten.

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    Sollten die rigiden Sicherungsmaßnahmen gelockert werden?

    Ich bin kein Freund solcher Forderungen. Wir müssen jetzt einfach noch ein paar Wochen durchhalten. Wo kontrolliert gearbeitet werden kann, sollte das gestattet werden, aber nicht mehr. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass bis Ende Mai irgendwelche Großveranstaltungen stattfinden sollten.


    So wie Sie denken inzwischen viele...

    Es gibt eine Solidarisierung der Gesellschaft, und diese Solidarisierung wird eine Langzeitwirkung entfalten.