Hagen. Hagen ein Hort der Kriminalität? Die Zahlen sagen etwas anderes, doch die Bürger beantragen weiter viele kleine Waffenscheine
Wie gefährlich ist Hagen? Schaut man auf drei Prozesse, die das Jahr 2020 mit geprägt haben, dann könnte man den Eindruck gewinnen: Hagen ist ein Hort der Schwerst-Kriminalität. Denn sowohl in den beiden Rocker-Prozessen, die am Landgericht stattgefunden haben beziehungsweise noch stattfinden, als auch im so genannten Spielhallen-Prozess hatten die Experten aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität ermittelt. Es ging um den blutigen Rockerkrieg auf offener Straße und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.
Doch schaut man nüchtern auf die Zahlen, dann muss man bei allen Schlagzeilen zu Raub, Überfällen und sonstigen Straftaten sagen: Hagen ist 2019 eigentlich relativ sicher gewesen. Die offiziellen Zahlen wird es erst im Frühjahr geben, doch der Blick in die Monatsstatistiken der Polizei in Hagen lässt schon einen Trend erkennen.
Vergleicht man die Zahl der Einbrüche vom November 2019 (48) mit denen im November 2018 (59), ist schon ein Rückgang zu verzeichnen. Noch deutlicher wird er aber im Fünf-Jahres-Vergleich: 159 Fälle wurden im November 2014 gezählt.
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Delikte der Straßenkriminalität sinken im Vorjahresvergleich
Eine ähnliche Entwicklung bei den Delikten der Straßenkriminalität. Darunter werden alle Straftaten wie Überfälle oder Diebstähle gezählt, die im öffentlichen Raum stattfinden: 255 wurden insgesamt in diesem November in Hagen von der Polizei registriert (davon 19 Körperverletzungen und vier Überfälle). Vor einem Jahr waren es noch 362, vor fünf Jahren 286. Oder nehmen wir den sehr sensiblen Bereich der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs: Ein Fall wurde in diesem November gezählt, drei vor einem Jahr und fünf vor fünf Jahren.
Aber wie sicher fühlen sich die Hagenerinnen und Hagener? Ein Indikator dafür kann die Zahl der beantragten sogenannten kleinen Waffenscheine für Gas- und Schreckschusswaffen sein. Sie sagen etwas darüber aus, wie viele Menschen meinen, sich selbst mit einer Waffe schützen zu müssen. Nach den Übergriffen in der Silvesternacht 2015/16 waren auch die Zahlen sprunghaft gestiegen: Von 16 im Jahr 2015 auf 650 im Jahr 2016. Danach ging es wieder runter auf 230 Anträge im Jahr 2017, 149 im Jahr 2018 und zuletzt 157 im Jahr 2019. Fazit: Auch wenn die Zahlen rückläufig sind, so bleiben sie auf einem im Vergleich zu vor fünf Jahren hohen Niveau – und das, obwohl die Kriminalitätszahlen eigentlich sinken.
Und wie sind die spektakulären Prozesse in diesem Jahr nun verlaufen? Mit massiven Sicherheitsvorkehrungen startet der erste Rockerprozess, in dem es um die Schüsse auf einen mit Freeway Riders besetzten Pkw auf der Saarlandstraße geht. Der angeklagte Bandido wird am Ende zwar nicht wegen versuchten Mordes, sondern „nur“ wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt – drei Jahre Haft gibt es trotzdem. Zudem läuft ein weiteres Mordversuchverfahren gegen ihn. Am Bergischen Ring soll er auch noch auf einen anderen Freeway Rider geschossen haben.
Rocker-Urteil fällt erst im nächsten Jahr
Umgekehrte Vorzeichen bei dem zweiten Rockerprozess: Hier soll im Oktober 2018 ein Freeway Rider einen Bandido niedergeschossen haben. Im Juli hätte schon ein Urteil gesprochen werden sollen. Doch immer neue Beweisanträge verzögern das Ganze. Erst im neuen Jahr wird es ein Urteil geben.
Und im Spielhallen-Prozess? Mit großem Getöse des damaligen Verteidigers startet der Prozess: Die Anklage sei völlig an den Haaren herbei gezogen. Doch am Ende siegt die Staatsanwaltschaft: Der Hauptangeklagte gesteht, die Umsatzausdrucke seiner Spielautomaten manipuliert zu haben. Der Schaden: fast 20 Millionen Euro. Fünf Jahre und sechs Monaten Haft, urteilt die Wirtschaftsstrafkammer im Dezember.