Hagen. Es geht um die Schüsse auf ein Bandidos-Mitglied: Am Donnerstag gab es erneut kein Urteil im Hagener Rockerprozess. Hier die Gründe.

Immer noch kein Urteil im Hagener Rockerprozess gegen einen Freeway Rider (58), der sich für die Schüsse auf der Frankfurter Straße verantworten muss, bei denen ein Bandido schwer verletzt wurde: Eigentlich hätte am Donnerstag der Richterspruch fallen sollen. Doch jetzt geht die seit etwa einem halben Jahr andauernde Verhandlung um das versuchte Tötungsdelikt ein weiteres Mal in die Verlängerung. Frühestens am 10. Dezember wird nun wohl das Urteil kommen.

Grund sind weitere Anträge der Verteidigung, der die Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Richter Marcus Teich jetzt stattgegeben hat. Unter anderem sollen eine weitere Zeugin gehört werden, deren Partnerin auch zu der Rockerszene gehört. Und die Anwälte des 58-jährigen Kfz-Gutachters haben einen weiteren Beweisantrag gestellt, mit dem sich das Gericht nun befassen muss. Neue Termine, so der Hagener Landgerichts-Sprecher Bernhard Kuchler sind für den 28. November sowie den 2., 3. und 10. Dezember angesetzt.

Auch interessant

Schüsse auf Bandido: Zwei Freeway Riders belasten sich gegenseitig

Am 20. Mai war der zweite Prozess im Zuge des Hagener Rockerkriegs gestartet: Dem 58-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, am 5. Oktober 2018 aus einem Auto heraus auf ein Mitglied der rivalisierenden Bandidos geschossen haben. Und zwar auf der Frankfurter Straße, wo ein Café als Treffpunkt der Bandidos galt. Der bislang nicht vorbestrafte 58-Jährige, der seit Jahren Mitglied der Freeway Riders ist, bestreitet, die Schüsse abgegeben zu haben. Stattdessen belastet er seinen Beifahrer. Der Dortmunder gilt als „Kronzeuge“ der Anklage, weil er wiederum mit seiner Aussage den 58-jährigen Hagener schwer belastet habe.

Stationen des Hagener Rockerkriegs

 1. Oktober 2016: Die Bandidos verkünden die Gründung eines „Prospect-Chapters“ für Hagen, also einer „Anwärter-Gruppierung“ (hier ein Symbolbild).
 1. Oktober 2016: Die Bandidos verkünden die Gründung eines „Prospect-Chapters“ für Hagen, also einer „Anwärter-Gruppierung“ (hier ein Symbolbild). © imago/BildFunkMV | imago stock&people
3. Oktober 2016: Marsch der Freeway Riders von Kückelhausen bis in die Innenstadt: Machtdemonstration gegenüber dem entstehenden Bandidos-Chapter
3. Oktober 2016: Marsch der Freeway Riders von Kückelhausen bis in die Innenstadt: Machtdemonstration gegenüber dem entstehenden Bandidos-Chapter © WP | Kai Uwe Hagemann
9. November 2016: Razzia in einem Bandidos-Treffpunkt in Hagen, nachdem der NRW-Innenminister die Rockergruppe Osmanen Germania verboten hat (hier ein Symbolbild). Es soll Verbindungen gegeben haben.
9. November 2016: Razzia in einem Bandidos-Treffpunkt in Hagen, nachdem der NRW-Innenminister die Rockergruppe Osmanen Germania verboten hat (hier ein Symbolbild). Es soll Verbindungen gegeben haben. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
16. Juni 2018: In einer Shisha-Bar in der Hindenburgstraße sollen Bandidos ein Mitglied einer anderen Rockergruppierung attackiert haben.
16. Juni 2018: In einer Shisha-Bar in der Hindenburgstraße sollen Bandidos ein Mitglied einer anderen Rockergruppierung attackiert haben. © WP | Thomas Nitsche
29. Juni 2018: Nach dem Vorfall in der Hindenburgstraße kommt es zu einer Razzia gegen Bandidos-Mitglieder mit einem Großaufgebot der Polizei. Unter anderem durchsuchen Sondereinsatzkommandos das Vereinsheim in Delstern und Privatwohnungen. Der damalige Präsident des Chapters wird festgenommen, kommt aber bald wieder frei.
29. Juni 2018: Nach dem Vorfall in der Hindenburgstraße kommt es zu einer Razzia gegen Bandidos-Mitglieder mit einem Großaufgebot der Polizei. Unter anderem durchsuchen Sondereinsatzkommandos das Vereinsheim in Delstern und Privatwohnungen. Der damalige Präsident des Chapters wird festgenommen, kommt aber bald wieder frei. © WP Michael Koch | Michael Koch
17. Juli 2018: Am Tücking wird gegen 18.38 Uhr auf ein Mitglied der Freeway Riders geschossen, es bleibt unverletzt. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt.
17. Juli 2018: Am Tücking wird gegen 18.38 Uhr auf ein Mitglied der Freeway Riders geschossen, es bleibt unverletzt. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt. © WP Michael Koch | Michael Koch
17. Juli 2018: Um 19.25 Uhr, nur wenige Minuten nach der Tat am Tücking, wird ein 31-Jähriger, der wohl Anwärter für eine Bandidos-Mitgliedschaft ist, auf dem Gelände der Aral-Tankstelle in Eilpe niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Zwei Männer werden kurz darauf festgenommen, müssen aber wieder freigelassen werden. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt.
17. Juli 2018: Um 19.25 Uhr, nur wenige Minuten nach der Tat am Tücking, wird ein 31-Jähriger, der wohl Anwärter für eine Bandidos-Mitgliedschaft ist, auf dem Gelände der Aral-Tankstelle in Eilpe niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Zwei Männer werden kurz darauf festgenommen, müssen aber wieder freigelassen werden. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt. © Alex Talash | Alex Talash
28. September: Am Bergischen Ring lauern mehrere Männer einem Mitglied der Freeway Riders auf und schießen mehrfach auf seinen Pkw.
28. September: Am Bergischen Ring lauern mehrere Männer einem Mitglied der Freeway Riders auf und schießen mehrfach auf seinen Pkw. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
5. Oktober: Um 21.30 Uhr wird auf der Frankfurter Straße ein Bandidos-Mitglied vor einem Café, das als Treffpunkt der Rockergruppe gilt, niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt.
5. Oktober: Um 21.30 Uhr wird auf der Frankfurter Straße ein Bandidos-Mitglied vor einem Café, das als Treffpunkt der Rockergruppe gilt, niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt. © Alex Talash | Alex Talash
13. Oktober: Um 18.30 werden aus einem Mercedes Cabrio auf der Saarlandstraße vier Schüsse auf einem BMW abgeben, den ein Mitglied der Freeway Riders fährt. Verletzt wird niemand. Noch in der Nacht nimmt ein Spezialeinsatzkommando in der Frankfurter Straße ein führendes Mitglied (31) des Hagener Bandidos-Chapters fest. Gegen ihn ist inzwischen Anklage wegen versuchten Mordes erhoben worden. Der Prozess startet am 25. März.
13. Oktober: Um 18.30 werden aus einem Mercedes Cabrio auf der Saarlandstraße vier Schüsse auf einem BMW abgeben, den ein Mitglied der Freeway Riders fährt. Verletzt wird niemand. Noch in der Nacht nimmt ein Spezialeinsatzkommando in der Frankfurter Straße ein führendes Mitglied (31) des Hagener Bandidos-Chapters fest. Gegen ihn ist inzwischen Anklage wegen versuchten Mordes erhoben worden. Der Prozess startet am 25. März. © Alex Talash | Alex Talash
6. Dezember 2018: Großrazzia gegen die Freeway Riders in Hagen und in mehreren anderen  Städten. Unter anderem wird das Clubgelände in Kückelhausen mit einem Räumpanzer gestürmt. Es gibt mehrere Festnahmen. Es wird ein ganzes Waffenlager beschlagnahmt. Ein 58-Jähriger, der fühendes Mitglied der konkurrierenden Freeway Riders ist, ist auch weiterhin in Haft. Er gilt inzwischen als Schütze bei der Attacke auf den Bandido am 5. Oktober auf der Frankfurter Straße und ist wegen versuchten Totschlags angeklagt.
6. Dezember 2018: Großrazzia gegen die Freeway Riders in Hagen und in mehreren anderen  Städten. Unter anderem wird das Clubgelände in Kückelhausen mit einem Räumpanzer gestürmt. Es gibt mehrere Festnahmen. Es wird ein ganzes Waffenlager beschlagnahmt. Ein 58-Jähriger, der fühendes Mitglied der konkurrierenden Freeway Riders ist, ist auch weiterhin in Haft. Er gilt inzwischen als Schütze bei der Attacke auf den Bandido am 5. Oktober auf der Frankfurter Straße und ist wegen versuchten Totschlags angeklagt. © Alex Talash | Alex Talash
26. Februar 2019: Ein SEK der Polizei nimmt in Hagen einen 44-Jährigen fest, der aktuell Präsident des Bandidos-Chapters Hagen sein soll. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Er soll verantwortlich sein für die Schüsse auf einen Freeway Rider am 28. September am Bergischen Ring. Ebenfalls beschuldigt wird in diesem Fall der 31-jährige Bandido, der auch für die Schüsse auf der Saarlandstraße verantwortlich sein soll und dem ab 25. März wegen versuchten Mordes vor Gericht steht.
26. Februar 2019: Ein SEK der Polizei nimmt in Hagen einen 44-Jährigen fest, der aktuell Präsident des Bandidos-Chapters Hagen sein soll. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Er soll verantwortlich sein für die Schüsse auf einen Freeway Rider am 28. September am Bergischen Ring. Ebenfalls beschuldigt wird in diesem Fall der 31-jährige Bandido, der auch für die Schüsse auf der Saarlandstraße verantwortlich sein soll und dem ab 25. März wegen versuchten Mordes vor Gericht steht. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
17. März: Das Bandidos-Chapter Hagen gibt seine Selbstauflösung bekannt. Ermittler sind skeptisch. Sie werten den Schritt als taktische Finte, um einem möglichen Verbot durch den Innenminister zuvorzukommen.
17. März: Das Bandidos-Chapter Hagen gibt seine Selbstauflösung bekannt. Ermittler sind skeptisch. Sie werten den Schritt als taktische Finte, um einem möglichen Verbot durch den Innenminister zuvorzukommen. © WP Michael Koch | Michael Koch
25. März: Am Landgericht Hagen startet der erste Prozess aus dem Hagener Rockerkrieg.
25. März: Am Landgericht Hagen startet der erste Prozess aus dem Hagener Rockerkrieg. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
1/14

Im Juli dann hatten die Richter der Schwurgerichtskammer den rechtlichen Hinweis gegeben, dass auch eine Verurteilung wegen eines gemeinschaftlich begangenen versuchten Totschlags oder Mordes in Betracht komme. Sprich: Der „Kronzeuge“ kommt für das Gericht auch als Täter in Betracht. Die Staatsanwaltschaft hatte den Dortmunder, der bei der Polizei umfassend ausgesagt hatte, dass der angeklagte Kfz-Gutachter geschossen habe, vor Gericht aber geschwiegen hatte, bislang nicht wegen dieser Tat angeklagt.

Immer neue Zeugen und Beweisanträge verlängern Prozess

Die Verteidigung hingegen hatte den „Kronzeugen“ aus Dortmund als Schützen dargestellt, ihr Mandant hingegen habe nicht geschossen. Die Richter scheinen es aber für möglich zu halten, dass beide gemeinsam gehandelt haben. Darauf, so die Anwälte damals, müsse sich die Verteidigung komplett neu einstellen. Die Folge waren neue Zeugen, neue Beweisanträge, der Prozess zog sich immer weiter. Denn: Auch wenn der 37-Jährige auch als Schütze in Betracht kommt, ist die Ausgangslage für den 58-Jährigen nicht besser geworden: Wenn beide als Täter in Betracht kommen, könnten auch beide zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden.

Gegen den 37-Jährigen ist aber trotz des Hinweises der Richter im Juli bislang keine Anklage erhoben worden. „Unsere Hypothese, dass der 58-Jährige geschossen hat, ist ja eine vorläufige“, so Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli im Sommer. „Wir haben ja auch das Verfahren gegen den 37-Jährigen wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdelikts nur abgetrennt, nie eingestellt.“ Auch heute sieht die Staatsanwaltschaft keinen Anlass, gegen den 37-Jährigen weitere Maßnahmen zu ergreifen. Man werde das mögliche Urteil aber genau analysieren.