Arnsberg/Hagen. Im Prozess rund um die Diebstähle bei Waffenhändler Umarex droht einem Hohenlimburger die längste Haftstrafe.
Vor Gericht vergießt er Tränen, zeigt sich reuig und spricht von einem großen Fehler. Er will raus aus der Drogensucht. Er sah sich in einem Kreislauf aus Cannabis und Kokain, der ihn in einen Sumpf aus Waffen- und Drogenhandel gebracht habe. Eine Opferrolle fällt ihm vor dem Landgericht Arnsberg dennoch nicht zu. Im „Waffenhandel-Prozesses“ rund um aus bei der Arnsberger Firma Umarex von einem ehemaligen Mitarbeiter entwendeten Waffenteilen droht dem 26-jährigen Hohenlimburger sogar das vielleicht höchste Strafmaß aller Angeklagten.
Der an der Lenne groß gewordene Mann erzählt am fünften von neun angesetzten Verhandlungstagen des Prozesses, wie ihn seine eigene Sucht ins kriminelle Milieu gebracht habe. Dabei verstrickt er sich allerdings auch in Widersprüche.
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Ein höflicher Mensch: Kein Verbrecher-Klischee
So richtig will der junge Mann nicht in den Prozess passen. Gepflegtes und höfliches Auftreten, gute Ausdrucksweise und nicht ins Verbrecher-Klischee passend.
In der vergangenen Woche wurde er vor dem Gericht emotional, wischte sich die Tränen aus den Augen, als er von seiner Verlobten und der bald zweijährigen Tochter sprach. Nach Besuch der Grund- und Realschule und einem kaufmännischen Fach-Abitur auf dem Berufskolleg studierte der junge Mann mit kosovarischen Wurzeln Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Hagen. „Anfangs lief alles gut beim Studium“, erzählt er, „mit der Drogensucht entglitt mir aber alles ins Negative“.
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Bis zu 500 Euro Gewinn täglich
Bis zu 500 Euro Gewinn habe er aus dem Verkauf einer P 22 gemacht. Als der Waffenteilschmuggel bei Umarex auffiel, landete die Polizei über Aussagen des Zwischenhändlers schnell beim Hagener und griff bei einem „Scheingeschäft“ zu.
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Über einen Mendener Zwischenhändler der Angeklagte offen. Zu seinen Kontaktpersonen und seinen Waffenabnehmern aber schweigt er sich aus. In einem anderen Zusammenhang sagt er: „Diese Kreise würden nicht zimperlich mit mir umgehen!“. Vor Gericht bleibt unklar, woher er die Kontakte zum Milieu hatte. Der Angeklagte A. spricht immer wieder von Shisha-Bars. Klar ist nach polizeilichen Ermittlungen und Waffenbeschlagnahmungen bei einer Razzia im August, dass der Waffenhandel Spuren bis ins Hagener Rocker-Milieu hinterlassen hat.
Als der Waffenhandel stockte, habe er auch ins Drogengeschäft einsteigen wollen. Erneut macht er keine Angaben zu vermeintlichen Lieferanten und Abnehmern. Die bei ihm nach der Festnahme in einer Garage gefundenen sieben Kilo Marihuana seien sein erstes Geschäft gewesen. Für 5,20 Euro pro Gramm gekauft und verkauft für 6 Euro. Bei ihm beschlagnahmte 42.000 Euro seien der Kaufpreis dafür gewesen, die Ware sei aber noch nicht ausgeliefert worden.
Angeklagter widerspricht: Er wollte keine Drogenplantage aufbauen
Das erzeugt vor Gericht Nachfragen, ebenso wie seine Erklärungen zum Auffinden einer PK 380 in der Garage (die soll ein Arbeitskollege erst gekauft und dann ohne sein Wissen in die Garage gebracht haben) und eines GSG-Gewehres im Hohenlimburger Elternhaus. Dass er das Errichten einer Drogenplantage geplant habe, verneinte I. energisch. Klar wird bei der Vernehmung der Polizei und der Ansicht der Fotos vom Durchsuchungsort, dass in der Hagener Garage reichlich Material für eine Plantage vorhanden war. Vom Pflanzkübel über ein Handbuch bis hin zu nötigen Filteranlagen.
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Vor Gericht kommen so Zweifel auf, ob I. vor seiner Festnahme tatsächlich erstmalig im Drogengeschäft tätig gewesen sei. In einem Gutachten will der Angeklagte I. belegen, dass er unter den Auswirkungen der eigenen Drogensucht gehandelt habe. Das war zu Prozessbeginn noch kein Thema gewesen.
Bis zu sieben Jahre Haft drohen ihm jetzt
Der Inhalt des Gutachtens wird vor Gericht aber erst am Ende der Beweisaufnahme auf den Tisch gelegt. Er wolle „weg von der Drogensucht“ und „zurück zu meiner Familie“. Gar nicht zum sonstigen Auftreten passt dann sein kindlicher Berufswunsch: „Ich würde gerne Formel 1-Fahrer werden“. Daraus wird wohl nichts, denn tatsächlich sitzt der 26-jährige I. jetzt mächtig in der Klemme: Bei ihm wurden große Mengen Drogen, Waffen, hohe Bargeldbeträge und Zubehör für Drogenplantagen gefunden.
In einem Rechtsvorgespräch zu Beginn des Prozesses wurde deutlich, dass ihm bis zu sieben Jahren Haft drohen könnten. Je nach Bewerten des Gutachtens zum Drogenkonsum könnten andere Konsequenzen erfolgen.
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Kokain: 30 Nasen pro Tag
Der Angeklagte I. hatte nach eigenen Aussagen im Alter von 16 Jahren mit dem Cannabiskonsum begonnen, später mit 23 Jahren kam erstmals Kokain ins Spiel. Bis zu „30 Nasen am Tag“ habe er schließlich zu sich genommen.
Auch bei seinem letzten Job bei einer Baufirma – er wurde als Bauleiter angelernt – vor seiner Festnahme im April 2019 habe er unter Drogen gearbeitet. Da verdiente er sein Geld aber längst schon auch anders. Er gibt zu, über einen Mendener Zwischenhändler gut 70 P 22-Pistolen und vier PK 380-Pistolen gekauft und diese direkt wieder weiterverkauft zu haben. „Ich hatte mir einen Job zur Finanzierung der Drogensucht gesucht“, erzählt I. vor Gericht.