Arnsberg. Jahrelang klaut ein Mitarbeiter heimlich Waffenteile aus der Arnsberger Firma Umarex. Jetzt spricht der Geschäftsführer über die Sicherheit dort.

Vor dem Landgericht Arnsberg beginnt am Donnerstag der Prozess nach dem Entwenden von Waffenteilen aus dem Unternehmen Umarex. Ein 47-jähriger Angeklagter aus Arnsberg soll ab Juli 2015 von seinem damaligen Arbeitgeber, dem Waffenhersteller Umarex, Konstruktionszeichnungen und Teile für drei unterschiedliche halbautomatische Pistolen entwendet haben, um diese zu funktionsfähigen Pistolen zusammenzusetzen. Ab Oktober 2016 soll er zudem 70 Handfeuerwaffen an einen weiteren 27-jährigen Angeklagten aus Menden veräußert haben. Von diesem soll er auch mehrere tausend Patronen sowie unterschiedliche Waffen, auch eine vollautomatische Maschinenpistole erworben haben. Vor dem Prozessbeginn sprach unsere Zeitung mit dem Umarex-Geschäftsführer Eyck Pflaumer über den Fall, persönliches Empfinden und Konsequenzen für die Sicherungsvorkehrungen in seinem Betrieb.

Umarex-Geschäftsführer Eyck Pflaumer.
Umarex-Geschäftsführer Eyck Pflaumer. © Ted Jones/WP | Ted Jones

Sie gelten als gesellschaftlich verantwortungsvoller Unternehmer: Was löst ein Fall wie dieser in Ihnen aus?

Eyck Pflaumer: Große Enttäuschung und Hinterfragen der notwendigen Sensibilität im Unternehmen. Wie kann so etwas in unserem Unternehmen passieren? - damit beschäftigt man sich. Nach der Verhaftung unseres Mitarbeiters war ein gründliches Analysieren mit anschließendem konsequentem Handeln gefordert, um die bekannt gewordenen Schwachstellen im Sicherheitssystem zu eliminieren. Eine enge, offene Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Behörden, die vor und nach der Verhaftung des ehemaligen Mitarbeiters stattgefunden hat, ist ein wichtiger Bestandteil, um weiteren möglichen Schaden für die Gesellschaft und für das Unternehmen abzuwenden. Eine weitere Enttäuschung habe ich aufgrund der Falschmeldungen in großen Tageszeitungen zugunsten von Schlagzeilen empfunden. Daher will ich noch einmal betonen, dass ausschließlich „nur“ waffenbuchpflichtige Teile und auch Teile freier Waffen, von dem ehemaligen Mitarbeiter gestohlen wurden, jedoch keine kompletten Waffen und auch keine Munition. Dies war ihm aufgrund der Zugangskontrollen zu den entsprechenden Produktions- und Lagerbereichen im Unternehmen nicht möglich.

Wird der aktuelle Fall weitere Verschärfungen der Sicherheitsvorkehrungen bei Umarex nach sich ziehen?

Auf der Grundlage des Informationsaustauschs mit den Behörden sind die bekannt gewordenen Schwachstellen im Sicherheitskonzept mithilfe von Baumaßnahmen, Optimierungen von Prozessen und Schulungen unserer Mitarbeiter sowie der Mitarbeiter des externen Sicherheitsdienstes umgehend abgestellt worden. Mittlerweile haben wir einen höheren Sicherheitsstandard an der Sicherheitsschleuse als an Flughäfen.

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Kann es 100-prozentigen Schutz vor der Entwendung von Waffenteilen in einem so großen Unternehmen geben?

Kein Sicherheitssystem und kein Gebäude bieten einen 100-prozentigen Schutz. Fallbeispiele wurden im Firmengebäude und auf dem Firmengelände durchgespielt, um eventuelle Schwächen in den Abläufen abzustellen. Aber Menschen mit krimineller Energie kann man leider nicht immer zu 100 Prozent stoppen. Kontinuierliche Sicherheitsoptimierungen sowie Sensibilisieren und Schulungen der Mitarbeiter sind ein fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur als verantwortungsvoller Hersteller von Sport- und Freizeitwaffen. Wie beschrieben, ist unser Sicherheitsstandard mittlerweile dem einer Kontrolle am Flughafen überlegen und das für alle Mitarbeiter und Besucher ohne Ausnahme.

Chronologie der Ermittlungen

2017: Auffällig viele Sicherstellungen von Waffen der Marke Walther, P22, Kaliber 22, in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, NRW, Hamburg und Sachsen-Anhalt. Diese werden ausschließlich bei Umarex produziert.

2018: Tötungsdelikte in Hagen mit Waffen des Kalibers 22. Ermittlungen gegen Rockergruppierungen Bandidos und Freeway Riders. Weitere P22-Sicherstellungen in mehreren Städten - darunter Meschede und Hagen.

2018: Verdachtslage, dass Umarex-Mitarbeiter Waffen oder Waffenteile vor der Endkontrolle und Anbringen von Beschusszeichen und Seriennumern aus Firma entwendet und in Umlauf gebracht hat. Im Spätsommer leiten Staatsanwaltschaft Arnsberg und Kreispolizeibehörde HSK ein Ermittlungsverfahren ein. In Absprache mit Polizei erhöht Umarex die Sicherheitsvorkehrungen.

25.03.19: Ein deutsch-portugiesischer langjähriger Umarex-Beschäftigter fällt auf, als er einen Waffenlauf durch die Sicherheitsschleuse bringen will. Die anschließende Hausdurchsuchung führt zur Auffindung zahlreicher Waffen und Waffenteile. Der Mann räumt ein, schon mindestens seit 2016 Waffenteile entwendet und diese mit seinem Fachwissen zu Hause zusammengebaut zu haben. Umarex kündigt dem Mitarbeiter fristlos.

26.03.19: Dienststelle zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität beim Polizeipräsidium Hagen übernimmt die Ermittlungen.

27.03.19: Ein Deutsch-Kasache (26) aus Menden wird festgenommen. Er hatte Waffen vom Arnsberger gekauft und ihm Munition für Funktionstests besorgt. Er nennt Namen seiner Kunden.

2.04.19: Festnahme eines 54-jährigen Briten aus Dortmund, während dessen Urlaubsreise in der Eifel. Er soll in Unna eine illegale Waffenwerkstatt betrieben haben.

16.04.19: Über ein Scheingeschäft wird ein deutsch-kosovarischer „Kunde“ aus Hagen identifiziert und durch Spezialeinheiten festgenommen. Bei ihm werden zwei scharfe Schusswaffen, darunter eine Walther PK380, sieben Kilo Drogen und 50.000 Euro sichergestellt.

18.4.19: Deutsch-Syrer (25) und Bandidos-Mitglied (26) aus Hagen als „Abnehmer“ festgenommen.

28.08.19: Zwölf Durchsuchungen in Dortmund, Lünen, Radevormwald, Remscheid, Menden, Duisburg und Wilhelmshaven. Sichergestellt werden 15.000 Schuss Munition, fünf Kilo Schwarzpulver, 35 Kurzwaffen, Kurzwaffenteile, 29 Langwaffen, zwei Scharfschützengewehre, zwei vollautomatische Schusswaffen, drei Handgranaten und diverse weitere Waffen.

Sie waren ja auch zuletzt nicht untätig und hatten vor einigen Jahren die Sicherheitsbemühungen angesichts von Terrorgefahr etc. bereits erhöht (wir berichteten darüber): Wie hoch sind die Investitionen Ihres Unternehmens in Sicherheitstechnik?

In den letzten Jahren hat das Unternehmen einen siebenstelligen Betrag investiert. Unser Sicherheitssystem umfasst nicht nur die Technik, sondern auch Baumaßnahmen, Personalschulungen und hohe laufende Kosten für den externen beauftragten Sicherheitsdienst, der durchgehend 24 Stunden an sieben Tagen vor Ort ist.

Gelten in Ihrem Unternehmen mit den sensiblen Produktbereichen gründlichere Einstellungsverfahren als in anderen Branchen? Gibt es Wege Mitarbeiter vor einer Einstellung auf den Prüfstand zu stellen?

Seit Jahren ist für die Einstellung bei Umarex ein polizeiliches Führungszeugnis für Mitarbeiter, aber auch für Praktikanten notwendig. In sensiblen Bereichen der Firma werden diese jährlich neu angefordert. Da Umarex ein AEO-zertifiziertes Unternehmen ist, werden die Personendaten von allen Geschäftspartnern, allen Besuchern sowie allen Mitarbeitern von Dienstleistern anhand der Antiterrorlisten täglich abgeglichen. In den USA wird bei unseren Tochterfirmen noch zusätzlich ein Drogentest bei den Mitarbeitern bei der Einstellung und auch im Anschluss durch den Betriebsarzt durchgeführt. Leider stehen uns diese Mittel in Deutschland gesetzlich nicht zur Verfügung. Außerdem muss jeder neue Mitarbeiter einen speziellen Personalfragebogen ausfüllen. Natürlich entsprechen die Maßnahmen den gesetzlichen Bestimmungen und der Datenschutzverordnung.